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Interview mit Thomas Rainer

“Künftig gehört der Laser einfach mit dazu“

GLASWELT – Früher hieß es Laserbearbeitung in der Flachglasbranche sei zu kostenintensiv und zu langsam, wie sehen Sie das heute?

Thomas Rainer – In der Tat hat sich die Lasertechnik in den letzten Jahren rasant weiterentwickelt. Dies führte zu kostengünstigeren und für den Industrieeinsatz tauglichen Laserquellen. Erste Anwendungen zur Kennzeichnung von Flachgläsern öffneten dem Laser die Tür zur Glasbranche. Weiter führte die Entwicklung immer leistungsfähigerer Laserquellen zur Reduzierung der Bearbeitungszeiten, sodass für einige Anwendungen der Lasereinsatz heute profitabel ist.

GLASWELT – Welche Anforderungen werden an Laseranlagen für den Glas-Einsatz gestellt?

Rainer – Um den Laser als Fertigungswerkzeug in der Glasbearbeitung zu etablieren, sind die Anlagenbauer gefragt, um Laseranlagen zu realisieren, die vom Bedienkonzept her in die Glasbranche passen. Werden die dort üblichen Fertigungszeiten erreicht, wird der Laser als Werkzeug auch Akzeptanz finden. Dieses Ziel haben wir bei der Entwicklung unserer neuen Laserstrukturierungsanlage boraident laserbird verfolgt.

GLASWELT – Welche Herausforderungen sehen Sie für den Glasverarbeiter, wenn er sich mit dem Gedanken trägt, Laser einzusetzen?

Rainer – Die größte Herausforderung ist die konzeptionelle Planung zum Einsatz des Laserwerkzeugs. Es ist z. B. zu unterscheiden, ob bestehende Fertigungsprozesse durch einen Laserprozess abgelöst werden sollen oder vollkommen neue Fertigungsprozesse etabliert werden sollen, die zu neuen Glasprodukten führen. Der Einsatz von Lasern eröffnet vielfältige neue Möglichkeiten, muss vorab aber sorgfältig auf Wirtschaftlichkeit geprüft werden. Hier ist der Anlagenhersteller als Berater gefragt, um Chancen und Risiken für die jeweilige Anwendung aufzuzeigen. Wichtig ist dabei, dass der Interessent für sich bereits genau definiert hat, welche (neuen) Produkte er künftig fertigen will und welche Zielgruppe er damit ansprechen will.

GLASWELT – Wo lässt sich eine Laseranlage am besten in die Fertigungs-Linie integrieren?

Rainer – Die Integration einer Laserbearbeitung in den Fertigungsprozess eines Produktes bedarf einer genauen Analyse bezogen auf das jeweilige Glasprodukt. Es existieren für Laserprozesse verschiedenen Einsatzorte, z. B. vor dem Zuschnitt oder vor dem Vorspannen. Hier sind bei Planung und Umsetzung neben den Fertigungszeiten die zu erzielenden Produkteigenschaften und die damit nachgelagerten Fertigungsschritte relevant. Ein Beispiel: Im Fall der Strukturierung von Siebdruckfarbschichten durch teilweises Entfernen der Farbschicht durch den Laser ist es notwendig, den Laserprozess zwischen dem Trocknen der Farbschicht und dem Vorspannen des Glases anzuordnen.

GLASWELT – In der Branche wird aktuell die Änderung der DIN EN 12150-1 (2/2014) für ESG bezüglich der Oberflächenbehandlung nach dem Vorspannen (z. B. durch Sandstrahlen) diskutiert. Hat dies Einfluss auf den Einsatz des Lasers?

Rainer –  Die Normänderung hat auch Auswirkungen auf die Oberflächenbearbeitung von Glas mittels Laser. Dies ist aber differenziert zu betrachten. Die Norm-Änderung hat zum Ziel, die großflächige, nachträgliche Bearbeitung von ESG-Oberflächen zu verhindern. Grund ist der nicht zu vernachlässigende Einfluss, z. B. einer großflächigen Lasergravur, auf den im ESG-Prozess erzielten Eigenspannungszustand der Glasscheibe. Und hier ist nun zu unterscheiden, ob eine Laserbearbeitung den in der Norm geforderten Eigenspannungszustand ändert oder nicht. Aussagen dazu können Glasverarbeiter im Rahmen der werkseigenen Produktionskontrolle selbst gewinnen oder bei Prüfinstituten erhalten. Sollte die Laserbearbeitung zu einer nicht normgerechten Änderung des Spannungszustands führen, ist zu prüfen, ob eine Laserbearbeitung vor dem Vorspannen die Norm-Anforderungen erfüllt. Eine Besonderheit der Laserbearbeitung ist es, dass durch die Wahl des Laserlichtes, der sogenannten Wellenlänge, eine gezielte Bearbeitung z. B. in einer Beschichtung möglich ist, ohne dass das Glas durch den Laser in seinen Eigenschaften beeinflusst wird. Diese Art der Laserbearbeitung ist von der Normänderung nicht betroffen.

GLASWELT – Wo sehen Sie aktuell das größte Potenzial für einen Einsatz des Lasers?

Rainer – Die Laserbearbeitung von beschichtetem Flachglas mit dem Ziel, neue Funktionen in den Glasbeschichtungen zu erzeugen, besitzt in meinen Augen aktuell das größte Potenzial, um ganz neue, profitable Glasprodukte zu entwickeln und erfolgreich in den Markt einzuführen.

GLASWELT – Welche Produkte werden vom Einsatz der Laserstrahlung profitieren?

Rainer – Laserbearbeitete Gläser können zu allen bekannten Formen von Architekturglas weiterverarbeitet werden, wie z. B. ESG, VSG und Isolierglas. Sehr interessant ist auch die Kombination von etablierten Veredlungsprodukten, die mittels Laserbearbeitung neue Produkteigenschaften erhalten. So können z. B. in Sonnenschutzschichten gezielt Strukturen mit erhöhter Lichttransmission durch eine Teilentschichtung realisiert werden.

GLASWELT – Sie haben kürzlich ein neues Anlagenkonzept zur großflächigen Bearbeitung vorgestellt. Was ist das Besondere daran?

Rainer – Der boraident laserbird ist die erste, multifunktionale Laser-Anlage für Architekturglas. Damit werden neue, kundenindividuelle Glasprodukte aus bereits verfügbaren Standard-Halbzeugen gefertigt. Das Besondere daran ist das innovative APP-System zur Bedienung der Anlage. Es stehen mit den verschiedenen APPs Produktionsverfahren zur Strukturierung von Beschichtungen und Flachgläsern zur Verfügung.

GLASWELT – Was verstehen Sie unter Apps?

Rainer – Apps sind Voreinstellungen (Rezepte) der Anlagen und ihrer Laser zur Fertigung definierter Glasprodukte, einschließlich der zugehörigen Hardware. Die Apps entwickeln wir gemeinsam mit dem Verarbeiter nach dessen Anforderungen. Er kann diese dann nach Bedarf später einfach abrufen. Durch Auswahl der APPs können die Verarbeiter ihr Produktportfolio gezielt erweitern. Der boraident laserbird ist flexibel erweiterbar und die Installation neuer APPs lässt sich auch nachträglich durchführen. Aktuell stehen 19 APPs zur Auswahl. Die Anlage ist für halbe bzw. ganze Bandmaße verfügbar.

GLASWELT – Welche Trends sehen Sie mittelfristig bei der Laserbearbeitung?

Rainer – In den nächsten Jahren wird die Laserbearbeitung von Funktionsschichten und den damit erzielten neuen Produkteigenschaften den Architekturglasmarkt signifikant beeinflussen. Weiter sind Fortschritte in Anwendungen wie Bohren und Trennen von Flachglas zu erwarten. Laseranlagen werden in der Glasverarbeitung genauso selbstverständlich, wie CNC-Bearbeitungszentren. Gerade die einfache Anbindung der Laseranlagen an die bestehenden Produktionssoftware-Systeme und die damit verbundene effektive Anlagensteuerung werden zum erweiterten Einsatz von Laseranlagen führen.

GLASWELT – Woran arbeitet boraident aktuell?

Rainer – Aktuell laufen Entwicklungen verschiedener neuer Applikationen für den boraident laserbird. Die Anwendungen reichen dabei von der Fassade bis hin zum Interieur mit dem Ziel, die Flexibilität und Wettbewerbsfähigkeit unserer Kunden zu erhöhen. Gemeinsam mit den ersten Anlagennutzern werden diese Applikationen realisiert und als neue Flachglasprodukte umgesetzt. Die meisten Anregungen für neue Applikationen erhalten wir aus dem Markt und von unseren Kunden. Dabei wird deutlich, dass der Bedarf an Laser-Fertigungstechnologien existiert und stetig wächst.—

Die Fragen stellte Matthias Rehberger.

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