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Interview mit Mirco Franke und Elmar Dohmann von Energy Glas

4-fach-Isolierglas hat Zukunft

Glaswelt – Seit wann fertigen Sie 4-fach-Isoliergläser?

Mirco Franke –  Die ersten 4-fach-Gläser haben wir 2013 gefertigt. Die Scheiben gingen nach St. Petersburg auf Anfrage eines Architekten. Wir finden das Produkt als solches interessant und wollen in weiteren Schritten die Möglichkeiten solcher Isoliergläser nutzen. Deshalb sind wir auch am MEM4WIN Projekt beteiligt (siehe Infokasten).

Glaswelt – Sie sprechen von erweiterten Produkteigenschaften, welche sind das?

Franke – Mit 4-fach-Glas haben wir die Möglichkeit, den Wärmedurchgangskoeffizienten der gläsernen Fensterflächen auf einen Ug-Wert von 0,3 W/(m²K) zu senken. Voraussetzung dafür ist die Integrierbarkeit einer solchen Glaseinheit in das Rahmensystem. Hier ist die größere Elementdicke auch für den Uf-Wert von Vorteil. Durch die Verwendung von (leichten) Dünnglasmembranen ist das Elementgewicht kein beschränkender Faktor.

Glaswelt – Nennen Sie Details zum Aufbau und den Glaseigenschaften.

Elmar Dohmann – Die Außenscheibe der 4-fach-Einheit wird entsprechend der Windlasten und der örtlichen Vorschriften dimensioniert. Um die Membranfunktion zu erreichen, weisen bei uns die inneren Scheiben eine Dicke 2 mm auf. Mit Scheibenzwischenräumen von 20 mm erreichen wir dann mit Argon Füllung den genannten 0,3 W/(m²K). Durch einen asymmetrischen Isolierglasaufbau, das heißt eine dickere Außenscheibe und dünnere Innenscheiben, wird eine wesentlich bessere Fassadenoptik erzielt, da die Klimalasten nach innen abgeleitet werden. Bei 4-fach-ISO stehen 8 Glasoberflächen für Funktionsschichten zur Verfügung, z. B. Low-E, Antireflektion etc. Ein g-Wert>50 % und eine Lichttransmission> 75 % sind erreichbar.

Glaswelt – Mit welchen Abstandhaltern arbeiten Sie bei solchen dicken Isolierglas-Aufbauten?

Dohmann – Bei 4-fach-ISO arbeiten wir bei den Abstandhaltern mit Stangenware, z. B. mit Edelstahl. Diese hatten wir auch für das Projekt in St. Petersburg eingesetzt. Bedingt durch die Klimalasten vor Ort waren mit dem Stand der Technik Paketdicken von maximal 50 mm möglich.

Dicke Gläser verstärken durch ihren großen Widerstand gegen Verformung die Klimalast auf den Randverbund. Durch die glockenähnliche Verformung von flexiblem Dünnglas wird der Randverbund entlastet. Natürlich sind thermoplastische oder flexible Abstandhalter bei ungünstiger Scheibengeometrie toleranter als starre Abstandhaltersysteme.

Glaswelt – Gibt es Einschränkungen beim Einsatz der Gläser?

Franke – Eine verringerte Lichttransmission durch eine zusätzliche Scheibe kann mit Antireflexionsbeschichtungen aufgehoben werden. Die erforderlich hohe Paketdicke mit Argon im SZR lässt sich in Verbindung mit schmäleren Abstandhalten und Krypton ausgleichen.

Glaswelt – Sie setzen vorgespannte Dünnglaser ein, warum?

Dohmann – Aufgrund der großen Durchbiegung der Membranscheiben – Stichwort Klimalasten – müssen die eingesetzten Gläser eine erhöhte mechanische Festigkeit aufweisen. Zusätzlich entstehen durch Low-E Beschichtungen an der Glasoberfläche schnell Temperaturen von bis zu 80 °C, aufgrund dessen das Glas eine erhöhte Temperaturwechselbeständigkeit aufweisen muss. Mit thermisch vorgespannten Gläsern können beide Belastungsfälle bestens abgedeckt werden.

Wir arbeiten mit einem Lisec Vorspannofen mit Luftkissentechnik und können 2 mm dünne Gläser auf ESG oder TVGPlus vorspannen. Selbst Glasdicken von 0,9 mm sind thermisch vorspannbar, um eine höhere Biegezugfestigkeit und Temperaturwechselbeständigkeit zu erreichen.

Durch das Luftkissen wird die Glasoberfläche im Prozess nicht berührt, wodurch beidseitig beschichtete Gläser vorspannbar sind. Gleichzeitig erreichen wir damit eine hohe optische Qualität, da so keine Roller Waves (optische Verzerrungen) auftreten, was für 4-fach-Aufbauten wichtig ist.

Glaswelt – Welche Konsequenzen bringt die Umstellung auf 4-fach-ISO für die Produktion und das Handling in der Fertigung?

Dohmann – Die Produktion von Isolierglaselementen mit 4-fach-Aufbau bedingt natürlich Änderungen im Materialfluss, bei den Transportsystemen und sowie bei der Anlagensteuerung.

Glaswelt – Wenn ein Verarbeiter 4-fach-Einheiten produzieren möchte, was können Sie ihm empfehlen?

Dohmann – Wir halten die Verwendung von Dünngläsern als Membrane für notwendig, um das Gewicht der Glaseinheit gering zu halten. Wobei auf jeden Fall vorgespannte Gläser verwendet werden sollten aufgrund der höheren Stabilität und um einem Glasbruch vorzubeugen.

Glaswelt – Wird 4-fach-ISO das Isolierglas der Zukunft?

Franke – Gebäude sind für rund 40 % des Energieverbrauchs in Europa verantwortlich, hier gibt es große Einsparpotenziale. Wir denken, 4-fach-Isolierglas kann dabei einen wichtigen Beitrag leisten. Das 4-fach-Isolierglas der Zukunft wird zudem Energie liefern. Weiter wird man damit in der Lage sein, den Energieeintrag und die Sonneneinstrahlung in den Raum stufenlos zu steuern. Durch erweiterte Funktionen der Isoliergläser können dann Fenster auf smarte Weise das Wohlbefinden der Gebäudenutzer steigern.

Das Glas der Zukunft integriert vielfältige Funktionen, wie beispielsweise Beschattung und Schallreduktion und andere. Im EU geförderten Projekt „MEM4 WIN“ (Abkürzung für „Membranes for Windows“), also „Membrane für Fenster“, an dem wir aktiv beteiligt sind, soll das „Fenster der Zukunft“ entwickelt werden, in dem all diese Funktionen integriert sind.

Dohmann – Wie im Projektziel von MEM4 WIN beschrieben, sollen die zusätzlichen Funktionen modular in die Isolierglaseinheit integrierbar sein. An der Außenscheibe (Laminat) werden die OPV (Solarzellen) einlaminiert, um Energie z. B. für den autarken Fensterantrieb oder Mikrospiegel zu gewinnen, wodurch keine externe Stromversorgung des Fensters erforderlich ist. Weiter lassen sich OLED-Lichter in die Innenscheiben einlaminieren, diese dienen dann zur Beleuchtung des Innenraums. Und werden zusätzliche Mikrospiegel im SZR platziert, können diese die Funktionen Lichtlenkung bzw. Verschattung übernehmen. Hier sehen wir die Zukunft von 4-fach-ISO.—

Die Fragen stellte Matthias Rehberger.

MEM4WIN Projekt

Am MEM4WIN Forschung-Projekt sind Universitäten, Institute und Firmen beteiligt. Ziel ist es, ein zukunftsfähiges 4-fach-Isolierglas zu entwickeln, mit dem ein Ug-Wert von 0,3 W/(m²K) und 50 % Gewichtsreduktion möglich sind.

Weiter soll das Isolierglas in der Lage sein, beim Fenster als öffenbarer Flügel zu fungieren. Dazu sollen die Beschläge des Öffnungsflügels dann im ISO-Randverbund verankert werden können. Weitere Details zum Projekt finden Interssierte in der GLASWELT Ausgabe 01/2015, Seite 126 sowie auf der Internetseite

www.mem4win.eu

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