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IM Gespräch MIT ROTO-CHEF DR. ECKHARD KEILL

“Akquisitionen müssen strategisch sinnvoll und ökonomisch vernünftig sein.“

Glaswelt – Mit dem Engagement beim Beschlagproduzenten Peder Nielsen erhöhte sich die Zahl Ihrer Firmenakquisitionen seit 2008 auf fünf. Bevor wir darauf im Einzelnen eingehen, zunächst eine generelle Frage: Was macht eigentlich ein Unternehmen zu einem interessanten „Kandidaten“ für die Roto-Gruppe?

Dr. Eckhard Keill – Entscheidend sind immer zwei Faktoren. Zum einen ist es der regionale Markt, in dem sich das Unternehmen bewegt, zum anderen ist es sein Produkt-Know-how. Auch als Global Player wissen wir, dass wir noch nicht in allen Regionen der Welt gleichermaßen stark vertreten sind. Um die daraus resultierenden Lücken zu schließen, setzen wir eben auch auf gezielte Firmenübernahmen. Sie müssen sich aber alle in unser langfristiges Konzept integrieren. Das lässt sich mit einem Satz auf den Punkt bringen: Wir wollen und werden unsere internationalen Wachstumschancen immer dann durch Akquisitionen wahrnehmen, wenn sie strategisch sinnvoll und ökonomisch vernünftig sind.

Glaswelt – Bei Akquisitionen geht es natürlich in erster Linie um die Analyse und Bewertung nüchterner Marktdaten und Bilanzkennziffern. Aber was ist mit den Menschen in den Unternehmen, welche Rolle spielen sie in Ihren Überlegungen?

Dr. Keill – Sie verkörpern im wahrsten Sinne des Wortes das Produkt- und Markt-Know-how. Was aber vielleicht grundsätzlich noch wichtiger ist: Sie genießen das Vertrauen ihrer Kunden. Davon wollen wir natürlich profitieren. Das schaffen wir aber nur, wenn wir die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der übernommenen Firmen für Roto begeistern. Das ist uns bisher in großem Maße gelungen. Für den Erfolg einer Wachstumsstrategie, die auch auf Akquisitionen basiert, hat das eine entscheidende Bedeutung.

Glaswelt – Wie wirkt sich das auf die Integration von übernommenen Firmen in den Roto-Verbund aus?

Dr. Keill – Wir haben dafür eine inzwischen sehr bewährte Devise. Sie lautet: Die Integration erfolgt konzentriert, aber ohne Zeitdruck. Das war, ist und bleibt so. Man darf die Komplexität solcher Prozesse nicht unterschätzen, bei denen es immer auch darum geht, unterschiedliche Firmenkulturen und Mentalitäten zu einem gemeinsamen Ganzen zu formen. Das kriegen Sie nicht mit einem „Big Bang“ hin.

Glaswelt – Wenn man sich Ihre Akquisitionen der letzten Jahre ansieht, entsteht der Eindruck, dass Sie verstärkt auf die Vorteile von Systemlösungen für Ihre Kunden setzen. Trifft das zu?

Dr. Keill – Eindeutig. Je besser alle technischen Komponenten bei Fenstern und Türen aufeinander abgestimmt sind, desto weniger laufen unsere Kunden Gefahr, dass einzelne Teile nicht über die nötige Kompatibilität verfügen. Insofern achten wir bei unseren Investments immer auch darauf, dass sie konkrete Beiträge zur Systemintegration leisten. Außerdem resultieren daraus gute Perspektiven, etwa bei der Erschließung weiterer oder noch nicht ausgeschöpfter Marktpotenziale. Das gilt vor allem auf internationaler Ebene.

Glaswelt – Lassen Sie uns die jüngste Übernahme-Chronik einmal von hinten aufrollen. Ende 2008 meldete Roto den Erwerb von Gluske-BKV in Wuppertal. Haben sich Ihre damaligen Erwartungen erfüllt?

Dr. Keill – Absolut. Das erklärte Ziel, durch den Kauf unsere Position im Geschäftsfeld „Door“ nachhaltig zu stärken, können wir als „voll erreicht“ bezeichnen. Klar, man kann sich immer wünschen, dass Dinge schneller greifen und wirken. Aber wie bereits erwähnt: Derartige Umstellungs- und Integrationsprozesse brauchen eben ihre Zeit. In Summe sind wir sehr zufrieden. Mit dem kompletten Programm aus einer Hand gehören wir weltweit zu den ganz wenigen Anbietern, die Außentüren-Produzenten alle erforderlichen, exakt aufeinander abgestimmten Komponenten liefern können. Wie Sie wissen, umfasst unser türtechnisches Portfolio das gesamte Repertoire – von Mehrfachverriegelungen über Bänder bis zu Schwellenlösungen. Außerdem sind wir stolz darauf, nun auch im Segment der Verglasungsklötze führend zu sein. Das unterstreicht unser Leistungsspektrum bei der Fenstertechnik. Genau das war unser strategischer Ansatz bei dem Erwerb von Gluske-BKV vor gut sieben Jahren. Heute ernten wir die Früchte einer erfolgreichen Akquisition.

Glaswelt – Bis zum nächsten Deal dauerte es knapp vier Jahre: Roto übernahm Mitte 2012 den kanadischen Beschlaghersteller Fasco. Warum?

Dr. Keill – Das Engagement war ein wesentliches Element unserer Neuausrichtung in Nordamerika. Obwohl der dortige Markt nach der schweren Immobilienkrise damals praktisch noch am Boden lag, sahen wir in ihm im Gegensatz zu vielen Experten erhebliches Wachstumspotenzial. Zu Recht, wie wir heute wissen. Die mutige Entscheidung, durch den Kauf von Fasco die Märkte in der Region für uns kräftig auszuweiten, erwies sich in mehrfacher Hinsicht als effizient. So konzentrierte sich das Sortiment des Unternehmens (u. a. Fensterbeschläge, Drehriegel sowie Griffe für Schiebetüren und -fenster) überwiegend auf die unteren, preissensiblen Marktsegmente und ergänzte damit das bisherige Roto-Portfolio bestens. Das wiederum erhöhte unsere Attraktivität für neue Kundengruppen in Kanada und den USA spürbar, wie sich in der Praxis sogar stärker als erwartet zeigte. Schließlich erleichterten es die zusätzlichen Fertigungs- und Lagerkapazitäten wesentlich, auf Kundenwünsche zeitnah zu reagieren. Jedenfalls ist Roto Fasco Canada – wie die Gesellschaft jetzt heißt – ein wichtiger Brückenkopf in Nordamerika und steht für eine besondere Akquisitions-Erfolgsstory.

Glaswelt – Das nächste Gruppenmitglied ließ dann nicht lange auf sich warten. Im Frühjahr 2013 stieß der brasilianische Beschlaghersteller Fermax zu Roto. Während des letzten Fachpressetages berichteten Sie ja über einen drastischen Markteinbruch in diesem Land. Bereuen Sie deshalb das Investment inzwischen?

Dr. Keill – Überhaupt nicht. Wenn wir kurzfristige Marktentwicklungen zum Maßstab unseres Handelns machen würden, wäre planlose Hektik unsere tägliche Beschäftigung. Nein, strategische Entscheidungen werden bei uns auch in dem Wissen getroffen, dass Märkte keine Einbahnstraße nach oben sind. Das galt natürlich auch für den Fermax-Kauf. Nach wie vor sind wir fest davon überzeugt, dass die lateinamerikanischen Fenster- und Türenmärkte über ein großes Wachstumspotenzial verfügen. Brasilien schließe ich hier ausdrücklich ein. Was ich eben für Fasco in Nordamerika sagte, trifft auch auf Fermax zu: Nach der Integration in den Roto-Verbund dient das neue Gruppenmitglied geografisch ebenso wie produktpolitisch als Brückenkopf zur Bearbeitung relevanter Märkte in der ganzen Region. Im Übrigen praktizieren wir damit abermals unser Prinzip, stets nah am Kunden zu sein. Die Übernahme von Fermax hatte natürlich noch eine Reihe weiterer Gründe. Als Nummer 2 in Brasilien brachte der Beschlaghersteller die für die erforderlichen Spezialprodukte nötige Fertigungs- und Sortimentskompetenz in unser Portfolio ein. Außerdem gewährleistete er dank eines engmaschigen Vertriebsnetzes die flächendeckende Versorgung von Händlern und Systemherstellern.

Glaswelt – Zuletzt ging es Schlag auf Schlag. Innerhalb von drei Monaten verkündeten Sie gleich zwei Akquisitionen. Zuerst publizierten Sie im Oktober 2015 den Erwerb der Deventer-Gruppe. Wie lautet hier Ihre strategische Botschaft?

Dr. Keill – Das Engagement ist produktpolitisch von erheblicher Bedeutung. Deventer gehört mit vier Unternehmen in Deutschland, Polen, Russland und den Niederlanden sowie mit rund 160 Beschäftigten zu den führenden Spezialisten für Dichtprofile aus TPE (Thermoplastische Elastomere) für Fenster, Türen, Tore, Zargen und Verglasungen. Durch das Investment baut Roto die fenster- und türtechnologische Kompetenz weiter konsequent aus.

Glaswelt – Können Sie das an konkreten Beispielen festmachen?

Dr. Eckhard Keill – Bei Fenstern kommt zu unseren Beschlag- und Verklotzungssystemen jetzt noch die Dichtung und damit ein entscheidendes Element der Schließfähigkeit hinzu. Dichtung und Beschlag sind im Grunde eine unverzichtbare Verbindung. Außerdem wirkt die Dichtung – als weitere Parallele zu unserem bisherigen Portfolio – konkret auf wichtige Fenster- und Türenmerkmale ein. Neben der Funktionalität und der Bedienbarkeit ist hier nicht zuletzt die Energieeffizienz zu nennen. Bei Außentüren bietet Roto jetzt quasi die komplette Technik. Verriegelungssysteme, Bänder, Schwellen und damit die Dichtung nach unten werden nun durch die Dichtung der gesamten Tür abgerundet. Umfassender kann Systemkompetenz wohl kaum sein.

Glaswelt – Den aktuellen Anlass für unser Gespräch bildete die Mitte Januar 2016 gemeldete Übernahme der Industriesparte der dänischen Firma Peder Nielsen (PN). Was gab hier den Ausschlag?

Dr. Eckhard Keill – Unser neues Investment, Herr Mund, ist ein prägnantes Beispiel für die „Stimmigkeit“ der zwei zu Anfang genannten entscheidenden Kauffaktoren. Ich meine den regionalen Markt einerseits und das Produkt-Know-how andererseits. PN zählt zu den ebenso renommierten wie führenden Anbietern von Beschlagsystemen für nach außen öffnende Fenster, die vor allem in Skandinavien und Großbritannien dominieren. Durch die Akquisition schließt Roto eine gerade in diesen Regionen wichtige Produktlücke und schafft so die Basis für eine effiziente Marktausschöpfung. Ich denke, dass wir damit unseren Kunden im skandinavischen Raum als einziges mitteleuropäisches Branchenunternehmen nun ein komplettes Technikportfolio bieten können.

Glaswelt – Können Sie zu den Einzelheiten der Transaktion noch etwas sagen?

Dr. Eckhard Keill – Gerne. Der PN-Kauf erfolgte im Rahmen eines sogenannten Asset Deals und erstreckt sich auf Maschinen, Anlagen, die Marke und die Kundenbeziehungen. Hinzu kommt das gesamte Produktportfolio für die Öffnungsarten „Top / Side Swing“ und „Top / Side Hung“. Der praktische Übergang des aus dem Erwerb resultierenden Geschäftes vollzieht sich in zwei Stufen. Ab 01. März 2016 kümmert sich das Geschäftsgebiet „Westeuropa“ der Division Fenster- und Türtechnologie zunächst um die Kundenbetreuung und -aufträge. Im Herbst dieses Jahres beginnt dann die Integration der Fertigung in den Roto-Produktionsverbund.

Glaswelt – Bei der Frage nach den Kaufpreisen Ihrer jüngsten Akquisitionen werden Sie mich vermutlich abblitzen lassen, oder?

Dr. Eckhard Keill – Das ist so, zumal die Vertragsparteien darüber jeweils Stillschweigen vereinbart haben. Aber auch wenn das nicht so wäre, würde ich dazu nichts sagen. Was ich aber sagen kann und will, ist, dass Roto zur Finanzierung der Engagements keine zusätzlichen Fremdmittel benötigte. Das bestätigt nachdrücklich unsere wirtschaftliche Solidität, die gerade mit Blick auf die gegenwärtig kritische Marktsituation in einigen für unser Geschäft wichtigen Regionen besondere Beachtung verdient. Die Tatsache, dass wir auch in einer solchen Phase derartige Akquisitionen und damit Investitionen in die Zukunft realisieren können, ist für unsere Kunden meines Erachtens einmal mehr ein klarer Stabilitätsbeweis. Dabei vergessen wir nicht unser Kerngeschäft, wie unser starkes Engagement in etablierten Märkten wie Deutschland dokumentiert.

Glaswelt – Apropos „Kunden“: Was sagen Sie den Partnern, die Ihr derzeit hohes Akquisitionstempo eventuell auch skeptisch sehen? Die vielleicht befürchten, dass Roto die „Bodenhaftung“ verlieren und in der Qualität der Kundenbetreuung nachlassen könnte?

Dr. Eckhard Keill – Dass weder das eine noch das andere passiert. Die Prinzipien der direkten Kundennähe und des individuellen Kundennutzens bleiben nicht nur unangetastet, sondern werden – wie ich dargelegt habe – auch durch unsere Investitionen in neue Kompetenzen noch gestärkt. Im Übrigen wären wir schlechte Strategen, wenn wir unser gerade erst vom Magazin „WirtschaftsWoche“ ausgezeichnetes Erfolgsrezept aufs Spiel setzen würden. In dem Zusammenhang finde ich es durchaus interessant, wie oft viele Wettbewerber in jüngster Zeit „Kundenorientierung“ propagieren. Das Original macht offenbar auch hier Schule. Doch zurück zu Ihrer Frage: Ein ambitionierter Global Player und gleichzeitig stets bodenständig zu sein, ist für uns kein Widerspruch, sondern im Gegenteil gelebte Praxis. Das sollen die Roto-Kunden wissen und täglich positiv erfahren – zum Beispiel im März während der FENSTERBAU FRONTALE.

GLASWELT – Herr Dr. Keill, vielen Dank für das Interview. Wir sehen uns auf der Messe! —

Das Interview führte Chefredakteur Daniel Mund.

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