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Neue Serie: Technische Fensterentwicklung

Gegründet, um das Holzfenster besser zu machen

_ Es war eine Zeit der großen Veränderungen: Fenster konnten jetzt erstmals einhändig bedient werden. Es gibt Glasscheiben, die miteinander verschweißt werden („Gado“), aber das Thermopane-Glas – Glasscheiben wurden mit einem Bleiband verbunden – erfreute sich einer immer größer werdenden Beliebtheit. Aber nach wie vor war Holz der Werkstoff Nr. 1 für Fenster und Haustüren. Und am 10. März 1966 wird relativ unbeachtet von der Fensterwelt das ift Rosenheim von Professor Erich Seifert gegründet. Ein Einfamilienhaus in Aisingerwies bei Rosenheim bietet die ersten Räume für das Institut. Diese Zeit war geprägt von einer immensen Bedarfsbefriedigung im Wohnungsbau. Dennoch: Mittlerweile wurde auch immer mehr auf Qualitätsprodukte geachtet – das deckte sich mit den Ideen des Gründungsteams des Instituts für Fenstertechnik.

Holzfenster – das erste Forschungsobjekt

Die Gründung des ift Rosenheim war kein Zufall. Die 60er-Jahre waren eine problematische Zeit im Umgang mit Holzfenstern. Die existierende Fenstertechnik war geprägt von traditionellen Erkenntnissen und Erfahrungen sowie durch eine starke Betonung rationeller Massenproduktion. Allerdings gab es damals bereits technische Regelwerke, die Eigenschaftswerte für unterschiedliche Fensterkonstruktionen festlegten. Beispielsweise findet man in DIN 4701 vom Januar 1959 bereits Tabellen, in denen Funktionswerte für eine Wärmebedarfsberechnung vorgegeben sind. Doch was bedeutete der Begriff „einwandfreie Ausführung“?

Es mussten Anforderungen in Abhängigkeit der zu erwartenden Beanspruchungen festgelegt werden. Mit vertretbarem Aufwand Nachweise und Klassifizierungen in Einklang zu bringen, stand an erster Stelle. Aussagen über Eigenschaften von Serienprodukten waren durch statistische Qualitätskontrollen sicherzustellen. Der erste Forschungsbericht „Schäden an Holzfenstern“ erschien bereits zwei Jahre nach Gründung des ift. Ein Jahr später folgte die Abhandlung „Untersuchung an Holzfenstern“ sowie die Broschüre „Holzfenster“, in der Vorgaben zu allen Eigenschaften des Holzfensters getroffen wurden.

Problemstellung und Zielsetzung der ersten Forschungsvorhaben

Laut den ersten ift-Forschungsberichten ist die Gebrauchsdauer des Bauteils Fenster in der Regel vom Wandel der Architektur bestimmt. Die natürliche Alterung kommt kaum zum Tragen. Am Holzfenster wurde in den davorliegenden Jahren allerdings in immer stärkerem Umfang eine vorzeitige Alterung durch den Befall mit holzzerstörenden Pilzen festgestellt.

Die geplanten Arbeiten sollten die Ursachen der häufig erkannten Durchfeuchtungen und der daraus resultierenden Holzzerstörungen aufzeigen. Neue und dem Stand der Fertigungstechnik angepasste Verarbeitungsrichtlinien sollten aufgestellt werden. Die Bearbeitung umfasste die Themen:

  • Bestimmung tragender Querschnitte
  • Schlagregensicherheit
  • Festlegung von Gruppen für die Verleimung
  • Verglasung (Dichtschluss Glas zu Rahmen)
  • Temperaturbelastung durch farbige Anstriche
  • Ergebnisse der Forschungsvorhaben

Gründe für die hohen Feuchtigkeitsanreicherungen wurden eindeutig im konstruktiven und verarbeitungstechnischen Bereich gesehen (Feuchtezutritt z. B. über die Verglasung, den Anschluss zum Baukörper und über offene Verleimungen), ebenso in einer Überforderung der Werkstoffe und in bauphysikalischen Fehlern. Ebenso wurden eindeutige Zusammenhänge mit den verwendeten Lacksystemen nachgewiesen. Interessant ist der bereits damals eindringlich formulierte Wunsch: „Als Ziel der gesamten Arbeiten stellt sich die Forschungsstelle die Erarbeitung einer umfassenden DIN-Norm ‚Fenster‘ vor.“

Als konkrete Ergebnisse aus den Forschungsprojekten konnte das ift Rosenheim der Branche bereits im Jahr 1969 grundlegendes Basiswissen in Form verschiedenster Tabellen an die Hand geben: zur Ermittlung der erforderlichen Trägheitsmomente für Holz sowie von Querschnitten für Pfosten und Riegel. Ebenso die Bestimmung der Beanspruchungsgruppen für die Schlagregensicherheit und „Empfehlung maximaler Flügelgrößen in Abhängigkeit der Beanspruchungsgruppe für die Schlagregensicherheit“ wurden in den Tabellen festgehalten

  • zur Ermittlung der Beanspruchunsgruppen zur Verglasung von Fenstern und
  • für Empfehlungen für die Ausschreibung von Holzfenstern.

Bis heute sind die Erkenntnisse der ift-Forschung für die Baupraxis wertvoll und wichtig bei der Konstruktion und Fertigung funktionstauglicher Fenster.

Die Folge: DIN 68121 bestimmt das Aussehen des Holzfensters

Nahezu alle Grundlagen für Holzfenster waren somit beschrieben. Die im Jahre 1973 veröffentlichte DIN 68121-1 [6] und -2 entstand fast vollständig aus den vorher vorgestellten Forschungsarbeiten. Viele Bilder, Tabellen und Diagramme wurden 1 : 1 übernommen. Weitere Richtlinien zu Lamellierung, Oberflächenbeschichtung, Ausführung der Verglasung etc. bereiteten den Weg zu den heute noch relevanten Grundsätzen der Fenstergestaltung, welche über das Holzfenster hinaus auf alle anderen Rahmenmaterialien und Bauarten anzuwenden sind.

Die Fensterhersteller haben diese Bauanleitungen dankbar übernommen; fortan kam es zu einer Verbesserung der Verarbeitungsqualität sowie der erzielten technischen Eigenschaften.

Erst in den 1990er-Jahren änderte sich das Bild. Im Jahre 1993 erschien zwar die Neufassung von DIN 68121. Aber durch die Konstellation mehrerer Aspekte kam es zu einer Zunahme von Schäden, welche das Holzfenster nachhaltig Marktanteile kosteten:

  • steigende Anforderungen in der Bautechnik bzgl. Wärmeschutz, Luftdichtheit, geringen Bauzeiten und hohen Feuchtebelastungen während der Bauphase,
  • Wegfall von robusten tropischen Hölzern und Ersatz durch heimische, weniger geeignete Holzarten,
  • fehlender Bereitschaft der Eigentümer, die Anstrichwartung daraufhin zu intensivieren,
  • für reine Holzfenster heikle architektonische Entwürfe mit exponierten Erkern, Wintergärten etc.,
  • individuellen Veränderungen und Fortentwicklungen der genormten Details,
  • aber auch dem altersbedingten Wegfall von Holzfenster-Fachleuten der ersten Stunde.

Zudem sahen alle Holzfensterkonstruktionen praktisch identisch aus, die starre Normung hatte sich zu einem Nachteil gegenüber den anderen Rahmenwerkstoffen entwickelt.

Holzfenster heute – Entwicklungstrends

Auch im Jahr 2015 findet man in Ausschreibungen noch „IV 68 nach DIN 68121“ für die Beschreibung der Holzfenster. Von den mittlerweile über 40 Jahre alten Grundlagen sind lediglich allgemeingültige Details wie Ablaufschrägen, Kantenrundungen, Geometrie von Tropfnasen etc. für die heutige Zeit relevant. Die europäischen Klassen und Leistungseigenschaften nach EN 14351-1 [8] haben Beanspruchungsgruppen, Größendiagramme & Co. abgelöst. Besonders die wärmetechnische Optimierung der Holzfenster stand die letzten 20 Jahre im Vordergrund. Parallel dazu wurden die bezüglich Tauwasserbildung heiklen Bereiche der Konstruktionen angepasst. Als Entwicklungstrends der letzten Jahre sind eine definierte Grundlüftung, minimale Wärmeverluste, der sommerliche Wärmeschutz, sicherheitstechnische Eigenschaften (Einbruchhemmung, aber auch Nutzungssicherheit) und auch der Komfort beim Umgang mit dem Fenster zu beobachten. Die Zukunft des Holzfensters liegt im flexiblen Umgang mit Holz. Der Trend geht dabei weg von reinen Holzfenstern hin zu Holz-Metall-Fenstern, neuen Verglasungsarten mit Integralflügeln und integrierten Sonnenschutzsystemen bei Verbundfenstern. Auch der reduzierte Wartungsaufwand spielt dabei eine große Rolle.

Holzfenster sind fit für die Zukunft

Mit der Forschungs- und Normungsarbeit zum Holzfenster in den ersten Jahren des ifts wurde eine wichtige Basis entwickelt, welche für die gesamte Fenstertechnik bis zum heutigen Tag eine wichtige Rolle spielt. Die aktuelle Holzfenstertechnik hat sich deutlich von der DIN 68121 entfernt. Großes Entwicklungspotenzial geht von innovativen Konstruktionen bzw. Verglasungssystemen aus. Durch eine Minimierung der Ansichtsbreiten ergeben sich sowohl Vorteile aus gestalterischer als auch aus wärmeschutztechnischer Sicht. Wichtig bei der Entwicklung neuer Fenstersysteme ist eine laufende Abstimmung mit allen beteiligten Zulieferern (z. B. Beschlag-, Dichtprofil- und Werkzeughersteller) zum frühestmöglichen Zeitpunkt der Entwicklungsphase. Damit ist der älteste Rahmenwerkstoff für Fenster fit für die Zukunft.—

www.ift-rosenheim.de

Literaturhinweis

[6] DIN 68121-1:1973-03 Holzfenster-Profile

[7] E DIN 68121-2:1986-10: Holzprofile Allg. techn. Details

[8] EN 14351-1:2006+A1:2010 Leistungseigenschaften – Teil 1

[9] Leuschner, I.; von Houwald, B.: Konstruktionsgrundlagen Teil 2. Forschungsbericht des ift, 2008

[10] Bliemetsrieder, B.; Sack, N.: Holzfenster 2012; Nachhaltige Optimierung von Holzfensterprofilen zur Erreichung der Anforderungen der EnEV 2012

ift-Forschungsprojekte von 1966 bis 1970 (öffentlich)

1968 Schäden an Holzfenstern

1969 Untersuchung an Holzfenstern

1969 Handbuch für die Konstruktion- und Herstellung von Holzfenstern

1970 Untersuchung über das Verhalten von verleimten Rahmenverbindungen unter Klimabelastung

1970 Untersuchung über die Ursachen von Schäden an Holzfenstern durch holzzerstörende Pilze

1970 Untersuchung über das Stehvermögen von Sperrtüren bei klimatischer Belastung und über deren Widerstandsfähigkeit bei mechanischer Belastung (1. Zwischenbericht)

die Autoren

Ingo Leuschner, techn. Assistent der Institutsleitung bzw. Leitung von div. Forschungsprojekten (Holzfassaden, Beschlagtechnik, Verbundaufbauten, Oberflächentechnik).

Gabriele Tengler, stv. Leiterin der Abteilung PR & Kommunikation, war viele Jahre für die technische Auskunft zuständig.

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