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Isolierglas flüssig verklotzen

Die Klotzbrücke kommt aus der Tube

_ Mit der Klebetechnologie wurde um die Jahrtausendwende ein neuer Weg beschritten, den verschiedene Unternehmen aufgenommen und in den folgenden Jahren erfolgreich umgesetzt haben. Der Nutzen einer Verklebung des Isolierglases mit dem Flügelrahmen wird von verschiedenen Faktoren bestimmt und kann je nach Umsetzung konstruktiv-statische, bauphysikalische, ästhetische oder fertigungstechnische Vorteile haben. Selbst Betriebe, die herkömmliche Verglasungssysteme verarbeiten, nutzen die Klebetechnologie punktuell, um zum Beispiel übergroße Flügel zu stabilisieren und höhere Windlasten abzutragen.

Eine Erkenntnis der letzten Jahre ist aber auch, dass die Einführung der Klebetechnologie für viele Betriebe zwar durchaus Vorteile hat, die Hürde für die Umsetzung aber im Verhältnis zum Nutzen häufig als zu hoch angesehen wird.

Seit die Berner Fachhochschule BFH 1997 in einem Forschungsprojekt zusammen mit verschiedenen Industriepartnern das erste Fenster mit einem direkt auf den Holzrahmen verklebten Isolierglas entwickelte, beschäftigte sie sich damit, diese Technologie in anschließenden Forschungsprojekten weiterzuentwickeln und in diversen Industrieprojekten umzusetzen.

Eine der wichtigsten Errungenschaften der Klebetechnologie ist die Erhöhung der Gesamtstabilität des Fensters. Durch das Verkleben von Glas und Rahmenmaterial verbessert sich die Stabilität in der Flügelebene und in Bezug auf Windlasten. Im Vergleich zu herkömmlichen Fenstern reduziert die Glasverklebung die Einstell- und Richtarbeiten von Fenstern auf der Baustelle und verringert den aufwendigen und teuren After-Sales-Service nach der Fenstermontage.

Automatisierung der traditionellen Verklotzung

In einem zurzeit laufenden Forschungsprojekt beschreitet die BFH zusammen mit dem Industriepartner nolax AG nun erneut Neuland. Das Projekt, das finanziell durch die Kommission für Technologie und Innovation KTI der schweizerischen Eidgenossenschaft unterstützt wird, arbeitet an der Entwicklung eines neuen Klotzungssystems für die Fensterbranche.

Die traditionelle Verklotzung von Fenstern, welche das Isolierglas im Rahmen positioniert, zentriert und fixiert, gilt als eine der letzten manuell ausgeführten Tätigkeiten im Fensterproduktionsprozess.

Trotz guten Betriebseinrichtungen ist die Qualität der Verklotzung in starkem Maße abhängig von den jeweiligen Mitarbeitern. Es gehört viel Erfahrung dazu, die Klötze so zu setzen, dass die Flügel im eingehängten Zustand winklig bleiben und über die gesamte Betriebsdauer einwandfrei funktionieren. Entsprechend führen ungenau gesetzte Klotzbrücken zu zeit- und damit kostenintensiven Nacharbeiten im Betrieb oder Garantiearbeiten beim Kunden. Mit dem zunehmenden Einsatz der schwereren 3-fach-Isoliergläser verstärkt sich dieser Effekt noch zusätzlich. Ein weiteres Problem ist die Lastabtragung. 2- und 3-fach-Isoliergläser weisen in Abhängigkeit der Einzelscheibendicken zulässige Toleranzen in den Abmessungen auf. Dies führt dazu, dass nicht alle Einzelscheiben durch die Verklotzung gestützt sind (Abbildung 1). Dies bedeutet eine zusätzliche Belastung des Randverbundsystems und punktuell erhöhten Spannungen in der Glaskante.

Das Ziel des Forschungsprojekt ist es, die herkömmlichen Klotzbrücken aus Kunststoff oder Hartholz durch einen schnell härtenden 2K-Klebstoff zu ersetzen und dadurch die Lastabtragung zu verbessern und die statischen Eigenschaften verklebter Gläser zu nutzen. Zusätzlich wird die Möglichkeit geschaffen, den letzten manuellen Arbeitsschritt in der Fensterfertigung zu automatisieren. Dazu wird der Klebstoff an exakt definierten Positionen zwischen Rahmen und Glas eingespritzt. Durch diese flüssige Verklotzung entsteht innerhalb von Sekunden ein Verbund zwischen der Glaskante und dem Flügelrahmenmaterial (Abbildung 2).

Die nolax AG (www.nolax.com) hat mit der 2K-Polyurea-Technologie ein schnelles, reaktives System entwickelt, das sich aufgrund der variabel einstellbaren Eigenschaften auf die Anwendung im Verklotzungsbereich optimal anpasst. Zudem sind die 2K-Polyurea-Verbindungen äußerst robust in Bezug auf Umwelteinflüsse, wie Feuchtigkeit, Temperatur sowie Beständigkeit gegenüber diversen chemischen Medien.

Inhalt des Forschungsprojekts

Als Grundlage für die Forschungsarbeiten wurden die physikalischen, chemischen und mechanischen Anforderungen an eine flüssige Verklotzung definiert.

Im Fokus standen dabei die folgenden Parameter:

  • Druckfestigkeit, Elastizität, Shore-Härte
  • Haftungseigenschaften
  • Verträglichkeit mit dem Glasrandverbund und anderen Substraten
  • Beständigkeit gegenüber klimatischen Einflüssen, Alterungseigenschaften.

Aus produktionstechnischer Sicht sind folgende Parameter zu beachten:

  • Aushärtegeschwindigkeit
  • Viskosität
  • Klebstoffexothermie und -schwund

Ausgehend von den heute anerkannten Verklotzungsregeln und den Eigenschaften des Klebstoffes entwickelte die BFH mittels statischer Berechnungen und Simulationen mögliche Verklotzungsanordnungen für die flüssige Verklotzung (Abbildung 3).

Zur Überprüfung der Simulation erfolgten statische Vorprüfungen an Fensterflügeln mit den Abmessungen B x H: 700 mm x 1400 mm in Anlehnung an EN 14608. Die Ergebnisse zeigten bei den flüssig verklotzten Flügeln ein ähnliches Verformungs- und Bruchverhalten, wie es bereits von geklebten Fensterkonstruktionen bekannt ist.

Eine besondere Herausforderung stellt die Verträglichkeit mit dem Glasrandverbund dar. Wie bei allen verklebten Verglasungen darf der Klebstoff die Eigenschaften des Abstandhaltersystems mit Primär- und Sekundärdichtstoff nicht beeinträchtigen. Die Nachweise erfolgen nach anerkannten Prüfvorschriften.

Applikationstechnik

Um die schnellen 2K-Polyurea-Klebstoffe verarbeiten zu können, wird eine Hochdruck-Gegenstrom-Dosieranlage eingesetzt. Solche Anlagen werden von verschiedenen Herstellern mit unterschiedlichen technischen Ansätzen angeboten. Ziel des Projekts ist es, wirtschaftliche und technisch umsetzbare Lösungen für den Fensterbau zu erarbeiten. Berücksichtigt wird dabei die Integration in bestehende Fertigungsabläufe und eine einfache Bedienbarkeit. Die Investitionskosten sollen die Technologie auch für kleinere und mittlere Fensterbaubetriebe interessant machen.

Das Standardfenster wirtschaftlicher machen

Die bisher durchgeführten Forschungs- und Entwicklungsarbeiten und die daraus gewonnenen Erkenntnisse lassen den Schluss zu, dass mit dieser Technologie eine Möglichkeit geschaffen wird, Standardfenstersysteme ohne konstruktive Modifikationen in verschiedener Hinsicht leistungsfähiger und wirtschaftlicher zu machen.

In der verbleibenden Projektphase wird auf Basis der Erkenntnisse die Klebstoffformulierung angepasst. Dabei wird auch die Materialverträglichkeit nochmals überprüft und die Interaktion mit dem Glasrandverbund untersucht.

Mit dem neuen Verklotzungsverfahren werden außerdem nicht geregelte, von Normen und Richtlinien abweichende Verglasungsvarianten entstehen, die in Zusammenarbeit mit der Flachglasbranche erörtert werden müssen. Weitere noch zu bearbeitende Arbeitspakete betreffen die Klebstoff-Applikationstechnik und die statische Bemessung von Fenstern mit flüssig verklotzten Isoliergläsern. Hier kann auf die langjährige Erfahrung aus bereits durchgeführten Entwicklungsprojekten abgestützt werden.

Nolax AG hat sich zum Ziel gesetzt, bis Ende 2016 eine Klebstofflösung für die Produktion von Holz- und Holz-Metall-Fenster bereitstellen zu können. Auch sollen in diesem Jahr weitere Formulierungen für PVC-Fensterrahmen entwickelt werden.—

Literatur:

SIGaB Glasnorm 001 (2002): Isolierglas, Anwendungstechnik

prEN ISO 14439 (2007): Glas im Bauwesen – Anforderungen für die Verglasung – Verglasungsklötze

ift-Richtlinie „Verwendbarkeit von Dichtstoffen – Teil 1: Prüfung von Materialien in Kontakt mit dem Isolierglas-Randverbund“

BFH auf der FENSTERBAU FRONTALE

Besuchen Sie die Berner Fachhochschule auf der FENSTERBAU FRONTALE in Nürnberg und erfahren Sie am Messestand mehr über das Forschungsprojekt zur flüssigen Verklotzung von Isolierglas. Und nehmen Sie teil an der Fachtagung „Taste of windays – Innovationen aus der Schweiz“ im Rahmenprogramm der Messe, bei der es auch um das flüssige Verklotzen gehen wird:

  • Donnerstag, 17. März 2016, 10.30 – 12.30 Uhr, NCC Ost, Raum Budapest
  • Freitag, 18. März 2016, 10.30 – 12.30 Uhr, NCC Ost, Raum Budapest

Die Veranstaltung wird von der GLASWELT als Medienpartner unterstützt. Um Anmeldung wird gebeten: www.ahb.bfh.ch/tasteofwindays; die Teilnahme ist kostenlos.

www.ahb.bfh.ch Halle 5, Stand 303

Autoren

Andreas Masuch, wissenschaftl. Mitarbeiter im Kompetenzbereich Fenster, Türen und Fassadentechnik an der BFH.

Urs Uehlinger, BFH-Leiter Kompetenzbereich Fenster, Türen und Fassadentechnik

Marc Donzé, Dozent und stv. Leiter Kompetenzbereich Fenster, Türen und Fassadentechnik an der BFH.

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