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Von der Ausnahmeregelung zum Standard

_ Laut Bundesministerium für Wirtschaft und Energie ergibt sich schon heute, dass eine barrierefrei zugängliche Umwelt für etwa 10 Prozent der Bevölkerung zwingend erforderlich, für etwa 30 bis 40 Prozent notwendig und für 100 Prozent komfortabel ist. Steht ein Rollstuhlfahrer, egal welchen Alters, vor einer Treppe, hat er ein Problem. Er braucht eine Auffahrt, um dieses Hindernis ohne fremde Hilfe zu überwinden. Andersherum ist ein Aufzug für Menschen ohne derartige Einschränkungen ein Vorteil: Müttern mit Kinderwagen und Senioren erleichtert er beispielsweise den Etagenwechsel erheblich. Barrierefreiheit schränkt niemanden ein, sondern erleichtert Situationen. Für gesunde Menschen ist es ein Komfortgewinn. Entscheidend sind heute oftmals lediglich die Kosten.

Doch bereits seit geraumer Zeit ist bekannt, dass alters- und behindertengerechtes Bauen keine unverhältnismäßige Preissteigerung bedeutet. Denn wenn Gebäude und Räume von Anfang an entsprechend geplant und gebaut werden, kostet das durchschnittlich nur 1,8 Prozent der Bausumme. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie des Instituts für Hochbautechnik in Zürich (Schweiz).

DIN SPEC 1104: Das Spezielle wird alltäglich

Bereits seit den 70er-Jahren existieren in Deutschland für den Bereich Barrierefreiheit normative Regelungen sowie unterschiedliche baurechtliche Anforderungen. So schreibt die DIN 18040 vor, wie etwa Gebäude für körperlich beeinträchtigte Menschen konstruiert sein müssen und legt dabei auch konkrete Maße zum Beispiel für Türen fest. Sie regelt zudem den Aufbau von Leitsystemen oder auch die Beschaffenheit von Fußwegen.

Das europäische Leitdokument DIN SPEC 1104 hilft Planern, Gebäudeverwaltern oder Eigentümern, Bedürfnisse von Kindern, älteren Personen sowie Menschen mit Mobilitäts- und Aktivitätseinschränkungen zu identifizieren und zu berücksichtigen.

Aktuell befindet sich die Branche im Umbruch, denn diese Regelungen sind teilweise erst seit Kurzem oder noch immer nicht bindend – sie waren bisher ein Kann und kein Muss. In den öffentlichen Bereich halten sie inzwischen Einzug, um Hürden abzubauen. Durch die sukzessive Integration der Normen und Richtlinien in das Landesbaurecht der jeweiligen Bundesländer sind Planer, Architekten, aber auch Gebäudeeigentümer immer öfter dazu gezwungen, in Ämtern, Behörden, Kultureinrichtungen und im Straßenbau verschiedene Normen zum barrierefreien Bauen einzuhalten.

Immer einen Schritt voraus

Dabei liegt eines klar auf der Hand: Die Barrierefreiheit verliert zunehmend ihren Status als Besonderheit. So ist der nächste zukunftsorientierte Schritt, diese noch stärker in nicht regulierte Bereiche zu integrieren. „Angesichts des demografischen Wandels werden künftig mehr und mehr Produkte entwickelt, die auch ohne eine zwingende Pflicht automatisch diese Anforderungen erfüllen. Das wird sich über kurz oder lang als Standard etablieren, sowohl bei Anwendern als auch bei Herstellern“, erklärt Stephan Krämer, Produktmanager bei der Assa Abloy Sicherheitstechnik GmbH. Gerade bei der barrierefreien oder -armen Ausstattung von Gebäuden lässt sich bereits heute eine deutliche Entwicklung bemerken.

„Die Produktentwicklung in unserer Branche ist nicht mehr nur funktionsgetrieben. Es ist eher so, dass die Funktion ein Muss darstellt, dabei aber ein möglichst hoher Komfort angestrebt wird. Dieser berücksichtigt gleichzeitig künftige Normen noch vor ihrem Inkrafttreten.“ Der Lebenszyklus von Produkten, die schon heute nach den Anforderungen von morgen konzipiert werden, ist länger. Auch ist er deutlich wettbewerbsfähiger als der Lebenszyklus von Erzeugnissen, die lediglich aktuelle Bedürfnisse des Marktes bedienen.

Kleines Detail mit großer Wirkung

Im Bereich der Gebäudetechnik gibt es dafür ein passendes Beispiel: den Türschließer. An Feuer- und Rauchschutztüren ist er verpflichtend und kommt im Alltag an vielerlei Ein- und Ausgängen zum Einsatz. Er erfüllt dabei einen wichtigen Zweck. Denn er sorgt dafür, dass sich Türen ohne das Zutun eines Menschen nach dem Öffnen automatisch wieder schließen. Kurz: Damit diese von allein wieder ins Schloss fallen, ist der Kraftaufwand zum Öffnen höher als bei Türen ohne Türschließer. Feuer und Rauch können sich dadurch nicht willkürlich ausbreiten, aber auch Unbefugten wird so der Zutritt zu Räumen und Gebäuden erschwert, denn sie bleiben nicht frei zugänglich.

Neben Brandschutztüren sind häufig Haupteingänge in Ladengeschäften, Ärztehäusern sowie Bürogebäuden damit ausgestattet. „Ein Standard-Türschließer, der im Sinne der Sicherheit teilweise verpflichtend, aber auch freiwillig an Türen verbaut wird, steht dabei nicht immer im Einklang mit barrierefreiem Bauen, denn er erschwert das Öffnen, insbesondere für körperlich eingeschränkte Personen“, so Krämer.

Im Zuge von technischen Spezifikationen wie der DIN SPEC 1104 und Normen wie der DIN 18040 existieren bereits Türschließer-Modelle mit Technologien, die dieses Problem des erhöhten Kraftaufwands lösen. Hier gibt es zwei Varianten. Die Cam-Motion Technologie, mit der ein stark abfallendes Öffnungsmoment und ein hoher Wirkungsgrad erreicht werden. Dadurch verringert sich der benötigte Kraftaufwand deutlich und die Tür wird barrierearm. Noch einen Schritt weiter geht die Free-Motion-Technologie: Sie bewirkt, dass sich Türen öffnen lassen, als wäre an ihnen kein Türschließer verbaut. Diese Lösung kombiniert beziehungsweise vereint Freilauf und Cam-Motion, wobei jeweils nur eine Funktionalität aktiviert sein kann – entweder Freilauf oder Türschließer. Soll die Tür (barriere-)frei laufen, dann wird die zum automatischen Schließen notwendige Energie beim ersten Öffnen gespeichert. Bei weiteren Öffnungsvorgängen verhält sich die Tür, als wäre kein Türschließer verbaut.

Ist die Schließfunktion des Türschließers erforderlich – zum Beispiel bei einem Brand, so wird diese bei Bedarf elektrisch aktiviert. Türschließer mit dieser Technologie bieten eine einfache Möglichkeit, Brandschutz, Sicherheit und Barrierefreiheit zu vereinen.—

www.assaabloy.de

Was ist eine DIN SPEC?

Eine DIN SPEC ist keine Norm, sondern eine Spezifikation. Während Normen durch einen umfangreichen Erarbeitungsprozess gekennzeichnet sind, geht es bei der Entwicklung von Spezifikationen hauptsächlich um Schnelligkeit. So kann Wissen schnell allen zugänglich gemacht werden.

Konsens wird als allgemeine Zustimmung zum Inhalt einer Norm verstanden, indem Gesichtspunkte aller betroffenen Parteien berücksichtigt und Gegenargumente ausgeräumt werden. Um diesen Konsens zwischen allen betroffenen Parteien herzustellen, bedarf es manchmal viel Zeit. Zeit, die bei immer kürzeren Innovationszyklen, zusammenwachsenden Technologien und globalem Wettbewerb den technischen Fortschritt bremsen kann.

In diesem Zusammenhang gewinnen nicht vollständig konsensbasierte und somit schneller zu erstellende Dokumente mehr und mehr an Bedeutung. Das DIN bietet daher neben den DIN-Normen die DIN SPEC an. Aufgrund des nicht zwingend erforderlichen Konsenses können DIN SPEC schneller im Markt erprobt und angewandt werden und so die Effektivität des Wissenstransfers nachhaltig steigern.

DIN SPEC werden in bereits existierenden Normenausschüssen oder in projektbezogenen Gremien erstellt.

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