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Im Interview mit Jörg STahlmann

Müssen wir Importware aus China fürchten?

Glaswelt – Sehr geehrter Herr Stahlmann, im Juli wurde der 20. Store für Stahlmann Holz-Aluminium-Fenster in China eröffnet. Haben Sie im großen Reich der Mitte jetzt eine eigene Fensterproduktion aufgemacht?

Jörg Stahlmann – Wir haben kein Investment in China getätigt und dort auch keine eigene Fensterproduktion errichtet. Vielmehr wurden wir vor Jahren von einem in China ansässigen Unternehmen um Unterstützung gebeten. Hierbei ging es darum, die Produkte und Prozesse entsprechend auf die Bedürfnisse des Chinesischen Marktes anzupassen und zu optimieren. Aus dieser engen Zusammenarbeit und mit dem Hintergrund unseres eigenen, produzierenden Unternehmens hier in Deutschland entstand die Marke „Stahlmann“ in China. Unser Unternehmen, die Stahlmann-Consulting GmbH, bietet unabhängige Beratungsleistungen im Fensterbau auch in Deutschland und Europa an. Auch hierzulande haben mittlerweile viele, ursprünglich „beratungsresistente“ Unternehmen den Wert unserer Dienstleistung erkannt. Wir konnten häufig in kürzester Zeit messbare und nachhaltige Erfolge für unsere Kunden generieren.

Glaswelt – Heißt das, dass der Anbieter in China jetzt hochwertige Holz-Alu-Fenster mit Deutschem Know-how produziert?

Stahlmann – Nicht nur mit Deutschem Know-how. Wir sind auch in anderen Ländern vertreten. Somit können wir aus einem großen Erfahrungs-Pool schöpfen und unserem Kunden das an Wissen vermitteln, was ihn in seinem Land und in seiner Position voranbringt. Unternehmen, welche selbst keine intensive Entwicklung betreiben und sich bestehender Techniken bedienen, haben ein gewisses Defizit. Dies ist vor allem im Produktverständnis und in den Prozessabläufen präsent. Da unterscheiden sich die chinesischen Unternehmen nicht wesentlich von den Europäischen. Einen Unterschied gibt es dennoch: Sie sind sich dieser Tatsache bewusst, gestehen sich das ein und sind deshalb sehr offen für den Wissenstransfer, um Projektrisiken zu vermeiden. In Europa ist häufig der Fensterhersteller der Meinung, solche Projekte selbst abwickeln zu können. Generell zeichnet sich für Unternehmen eine neutrale Beratung und Unterstützung immer aus. Das macht sie effektiv, schnell und der „return of invest“ setzt viel früher ein.

Glaswelt – Wie sieht denn ein dortiges Holz-Alu-Fenster aus – entspricht die Konstruktion deutschen Standards?

Stahlmann – Was die Konstruktion betrifft, besteht im Wesentlichen kein Unterschied zu hiesigen Produkten. Der Wille, Deutsche und Europäische Standards zu erfüllen, ist eine der Hauptmotivationen weshalb die Fensterkonstruktionen in China so gewählt werden wie sie sind. Man ist stolz darauf, mit Konstruktionen aus Europa und vor allem Deutschland auf Augenhöhe zu sein. Was in China aber etwas verwirrt, sind die vielfältigen Produktvarianten und die Argumentationen hierfür bei uns. Aktuell befinden sich Fensterkonstruktionen unseres Kunden in diversen Prüfstadien in Deutschland.

Die klare Zieldefinition ist es, Urkunden bzw. Zertifikate für die Produkte von deutschen Instituten zu erhalten. Bedingt durch die Auslegung früherer und noch bestehender Produktionsvarianten auf einen Volumenmarkt, unterscheiden sich die Produktvarianten. Das Produkt muss sich eher den Fertigungsmethoden unterwerfen. Aber die Produktionsverfahren werden sich auch in China zukünftig ändern.

Glaswelt – Sind Fensterkonstruktionen generell mit denen auf dem deutschen Markt vergleichbar?

Stahlmann – Ja, sind sie, sofern wir vom Rahmenmaterial Holz- mit oder ohne Aluminium ausgehen. Warum sollte man auch bestehende und bewährte Produkt- und Prozesstechnologien nicht in China verkaufen? Jeder, der diese Art Fenster produzieren will, muss eine Investition tätigen. Da liegt es doch auf der Hand, dass man sich nicht für eine Technologie von vor 10 Jahren entscheidet. Im Gegensatz zu anderen Rahmenmaterialien, welche von Systemgebern zur Verfügung gestellt werden, gibt es keine „veralteten“ Produktionsanlagen, deren Laufzeit dort einfach verlängert wird.

Glaswelt – Hätte auch ein deutsches Unternehmen auf dem Markt in China eine Chance?

Stahlmann – Warum nicht? Es gibt ja bereits einige Unternehmen die mehr oder weniger dort aktiv sind. Entscheidend sind die Marke, die Zielvorstellung, die Strategie, die angestrebte Zeitschiene und vor allem die Beziehungen bzw. Partner vor Ort. Sich in China zu präsentieren und zu sagen „hier sind wir“ ist zu kurz gesprungen. Aus dem Zulieferbereich sind dort viele deutsche Unternehmen bereits erfolgreich tätig. Andere haben sich aus diesem Markt aber auch wieder verabschiedet. Man sollte auch wissen, dass fertige Importprodukte im Fenster- und Türbereich nur bedingt „erwünscht“ sind. Viel wichtiger ist es, dem chinesischen Markt eigene Wertschöpfungsmöglichkeiten bieten zu können und die dadurch erstellten Produkte auch in diesem Markt zu platzieren.

Glaswelt – Ist der Holz-Alu-Markt in China überhaupt interessant?

Stahlmann – Der Marktanteil von Holz- und Holz-Aluminium-Fenstern ist im prozentualen Verhältnis zu Deutschland viel kleiner. Die nachgefragten und benötigten Einheiten jedoch viel höher, trotz augenscheinlich angenommener wirtschaftlicher Schwierigkeiten vor Ort. Das ist natürlich der dortigen Population und der Kaufkraft einer bestimmten Klientel geschuldet. Holz-Aluminium-Fenster haben einen wesentlich höheren Stellenwert als bei uns. Ich würde sagen, dass jeder, der in China einen deutschen Mittel- oder Oberklassewagen besitzt, ein potenzieller Holz-Aluminium-Kunde ist. Sehen sie sich die Verkaufsstatistiken namhafter Automobilhersteller an und somit können sie grob den Markt selbst einschätzen.

Glaswelt – Besteht auch die Gefahr, dass ein wachsender Anbieter zum Gigant aufsteigt und wir dann auch noch Billigimporte aus China in Deutschland sehen werden?

Stahlmann – Auf diese Frage habe ich schon gewartet. Aber es liegt doch auf der Hand: Holz-Alu-Fenster sind kein Consumer-Produkt wie Werbeartikel oder Bekleidung. Holz-Aluminium-Fenster sind sehr beratungsintensiv beim Endkunden. Und vor allem Dienstleistungen rund um das Produkt Holz-Aluminium-Fenster sind ein wesentlicher Faktor für Kundenentscheidungen. Angst davor haben zu müssen, dass nun auch aus China „billige“ Produkte importiert werden, sehe ich nicht. Dieser Markt ist ja bereits in Deutschland anderweitig stark besetzt. Da ist dazwischen nicht mehr viel Luft.

Dazu kommt, dass die Zeiten und Kosten für Transport nicht unerheblich sind. In der Regel reichen die Vorlaufzeiten nicht aus, um deutsche Kunden zufriedenstellend zu bedienen. Und: das Produkt alleine ist nicht unbedingt entscheidend. Es muss zudem qualitativ hochwertig montiert werden und den dann zugedachten Nutzungseigenschaften entsprechen. Das ist auch ein Punkt, den China im eigenen Land stark fokussiert. So werden in China alle Fenster mit mehr oder weniger guten Montagezargen montiert. Die wesentlichen Vorteile werden argumentativ verkauft – in Deutschland hadern wir immer noch damit, dass diese Art der Montage ja erst einmal Geld kostet. In dieser Beziehung und Denkweise ist uns China um Jahre voraus.

Glaswelt – Wie viel Umsatz macht der Holz-Alu-Anbieter? Was sind seine mittel- und langfristigen Ziele?

Stahlmann – Die erzielten Preise und Margen sind so beschaffen, dass es deutsche Anbieter wohl Freudentränen in den Augen hinterlassen würde. Generell will man auch in China durch den Einsatz von Holz als Rahmenmaterial Energie sparen, Ressourcen-nachhaltig wirtschaften und den Kunden mehr Lebensqualität sowie ein Statussymbol bieten. Umwelt, Nachhaltigkeit und Ressourceneffizienz spielen hier eine immer wesentlichere Rolle bei Endkunden. Auch deshalb werden sich die Produkte in China sehr schnell den europäischen Standards angleichen.

Glaswelt – Wie bringen die chinesischen Anbieter ihre Fensterprodukte an den Mann/die Frau? Kommen die Kunden zum Anbieter, oder muss der Anbieter zu den Kunden kommen?

Stahlmann – In China gibt es verschiedene Vertriebswege. Geprägt sind diese immer von Netzwerken. Damit meine ich in erster Linie persönliche Netzwerke. Es geht darum, dass man sich mit der Person und dem Unternehmen als Kunde identifizieren kann. Man kauft also in erster Linie emotional. Technische Argumente werden meist erst im weiteren Schritt wichtig. Dies unterscheidet sich wesentlich vom Kaufverhalten hier in Deutschland. Der stetige Gedanke um die Kosten bremst uns hier, emotional zu verkaufen, obwohl dies durchaus erfolgreicher wäre. Das liegt aber meist nicht am Kunden, sondern an den Anbietern.

In China ist es wichtig, welche Zielgruppen angesprochen werden sollen. Bei Projekten ist das eine B2B-Konstellation und im Privatbereich geht es natürlich um den B2C-Markt. Letzterer wird so aufgebaut, dass man in Einkaufszentren Stores errichtet, in denen sich der Kunde wohlfühlt und informieren kann. Dies hat den Charme einer Shoppingtour. Deshalb findet man solche Stores auch in Kaufhäusern. Zur Gewinnung von Interessenten im B2B-Bereich werden z. B. Marketingmaßnahmen in geschäftlich nebensächlichen Bereichen vorgenommen wie z. B. Werbung an Flughäfen, in Fernzügen oder Konferenzzentren.

Eine kürzlich erfolgreich durchgeführte Maßnahme war die „Stahlmann-Konferenz“ für innovative Holz-Aluminium-Fensterprodukte“. Hierbei waren bereits bestehende Partner als auch interessierte Personen für eine Geschäftsbeziehung eingeladen. Alleine die Tatsache, dass man dort die Person hinter der Marke mit all dem Know-how kennenlernen konnte und sich ein gewisses Familienzugehörigkeitsgefühl einstellte, hat dieser Veranstaltung einen unglaublichen Erfolg beschert.

Glaswelt – Wie viele Stores sollen es denn noch werden?

Stahlmann – Ziel ist es, in jeder relevanten Provinz wenigstens einen Shop zu betreiben. Neben der Quantität ist hier vor allem die Qualität sehr ausschlaggebend. Wird dies dann noch gepaart mit der bestehenden Kooperation eines deutschen Partners mit langer Tradition, so können Sie sich kaum vorstellen, welchen Einfluss dies auf die Erfolgsquote bei Geschäftsabschlüssen hat. Neben den bereits bestehenden 20 Stores sind in den kommenden 2 Jahren weitere 30 – 50 Stück geplant.

Glaswelt – Wie können Sie sicher sein, dass sie das verstehen, was dort gesprochen und geschrieben wird?

Stahlmann – In der Tat sind meine chinesischen Sprachkenntnisse sehr beschränkt. Mit Personen in den wichtigsten Ebenen kann man sich sehr gut auf Englisch verständigen. Dennoch steht mir immer ein Übersetzer zur Verfügung, der mir seit den Anfängen meiner Tätigkeiten dort ein ständiger Begleiter ist. Dies hat den Vorteil, dass wir so auch gängige Kommunikationsmöglichkeiten nutzen können, um fachspezifische Themen zu besprechen, ohne vor Ort präsent sein zu müssen. Bei schriftlichen Regelungen in der chinesischen Landessprache nehmen wir selbstverständlich ebenfalls die Dienste eines erfahrenen Beraters in Anspruch.

Glaswelt – Besten Dank für Ihre Einblicke ins chinesische Fenstergeschäft.

Die Fragen stellte Chefredakteur Daniel Mund

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