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Im Interview mit Prof. Dr.-Ing. Werner Jager

Innen dichter als außen – gilt dieser Grundsatz nach wie vor?

Glaswelt – Herr Professor Jager, warum entsteht Feuchtigkeit in den Funktionsfugen von Fenster und Türen?

Prof. Werner Jager – In der Regel führen Undichtigkeiten im Bereich der inneren Anschlagdichtung – hier zwischen Rahmen und Flügel – zu einem erhöhten Feuchtestrom vom Innenraum her in die Funktionsfuge. Wenn die Menge an eindringender Raum-Feuchte nicht gänzlich durch Diffusion oder Luftkonvektion an die Außenumgebung abgegeben werden kann, wird die Restfeuchte in Form von Kondensat in der Funktionsfuge sichtbar. Wie im Bauanschlussbereich ist auch hier die Formel „innen dichter als außen“ eine wesentliche Stellgröße.

Glaswelt – Sie haben aufgezeigt, dass gerade Fenster mit Mitteldichtungen kritisch betrachtet werden müssen. Wieso?

Prof. Jager – Die Funktionsfuge beschreibt jenen Bereich, der durch das Öffnen und Schließen von Flügel zu Rahmen definiert ist. Durch die Anforderung an eine wind- und schlagregendichte Konstruktion ist zwangsläufig der Bereich der Mitteldichtung durch eine erhöhte Dichtigkeit ausgezeichnet. Durch die niedrigen U-Werte der Rahmen, welche größere Bautiefen zur Folge haben, sind die Luftkammern in dieser Zone immer größer geworden – also ist die Luft-Konvektion in diesen Bereichen erhöht. Bei Undichtigkeiten an der Innenseite bedeutet Konvektion auch Feuchtekonvektion.

Glaswelt – Innen dichter als außen – gilt dieser Grundsatz nach wie vor? Wie definieren Sie diesen bzw. wann ist dieser erfüllt?

Prof. Jager – Dieser Grundsatz ist eine wichtige Konstruktionsorientierung, um Kondensat in Bauteilen oder im Baukörper so zu minimieren, dass die Gefahr von Schädigungen so gering als denkbar möglich gehalten werden kann. Bei Schadensfällen ist es jedoch oftmals eine Kombination von 2, 3 oder mehr Einzelfaktoren, welche daran beteiligt sind. Die DIN 4108 Teil 3: 2014 definiert in Tabelle 3, dass der innere Dampfdiffusionswert sd,innen 6 × sd,außen sein soll. Dies kann eine erste Orientierung sein. Jedoch ist immer auch das Dampfdiffusionsvermögen der angrenzenden Bauteile zu berücksichtigen und des real sich einstellende Dampfdruckgefälle, da diese sich durch zusätzlichen Einfluss auf die Gesamtsituation auswirken können. Oftmals wird lediglich nach den Randbedingungen der Norm dimensioniert, reale Einflüsse wie

  • große Flächen mit erhöhten Wassergehalt,
  • keine Raumlüftung zur Feuchteabfuhr,
  • Lüftungsanlage im Überdruckbetrieb,
  • aktive Raumluftbefeuchtung,
  • Wind Luv/ Lee Seiten und deren Einfluss auf die Druckverhältnisse am und im Gebäude

nur unzureichend berücksichtigt, wenn überhaupt. Die DIN 4108 Teil 2: 2013 beschreibt aber explizit: „für abweichende Nutzungsrandbedingungen ist die einzuhaltende Mindest-Innenoberflächentemperatur anhand des Raumklimas festzulegen“.

Glaswelt – Sie haben in Ihrem Vortrag von einem Thermosyphon-Effekt gesprochen. Wo tritt dieser im Fenster auf?

Prof. Jager – Der Begriff beschreibt, dass eine Luft- und somit Feuchtekonvektion sich immer dann einstellen kann, wenn sich entweder ein Temperatur- oder Druckgefälle in einer Konstruktion einstellt. Hat die Konstruktion dann noch Materialien hoher Feuchtediffusion oder gar Leckagen innenseitig, „saugt“ die Konvektion dann aktiv feuchte Raumluft in das Bauteil. Wassermengen von bis zu 200 g/lfd. Meter Fuge oder mehr sind so möglich.

Glaswelt – Wann ist eine Leckage im oder am Fenster noch tolerierbar – und wann nicht?

Prof. Jager – Lokale Leckagen im Bereich der Wind- oder Luftdichtigkeitsschicht sind weder normativ noch durch Regelwerke behandelt, weder deren Messung noch deren Bewertung. Dies ist am Markt derzeit auch die größte Unsicherheit – kein Gutachter kann sicher abschätzen, wie viel lokale Undichtigkeiten aus Sicht „Nutzerkomfort“ oder „Schutz vor Feuchteschäden“ toleriert werden können. Hier ist ein großer Bedarf durch F&E, diese Frage rechtssicher zu beantworten. Bis dies soweit ist, bleiben uns nur die längenbezogenen Aussagen der DIN 4108 Teil 2: 2013, welche „Luftdicht“ im Bereich der Bauanschlussfuge definiert, wenn dieser Wert kleiner 0,1 m³/(mh(daPa 2/3)) ist, sowie die Betrachtung und Bewertung der realen Situation am Bauvorhaben.—

Die Fragen stellte Chefredakteur Daniel Mund.

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