Springe auf Hauptinhalt Springe auf Hauptmenü Springe auf SiteSearch
Schweiz: Mehr Sicherheit durch die SIGAB-Richtlinie 002

Sicherheit mit Glas

_ Im Innenausbau sowie bei Geländern setzen immer mehr Architekten auf Glas. Zwar kennen diese Baufachleute die Eigenschaften von Sicherheitsgläsern wie Verbund-Sicherheitsglas (VSG) und Einscheiben-Sicherheitsglas (ESG), doch über deren richtigen Einsatz herrscht oft Unsicherheit.

„Pi mal Daumen“ eignet sich heute kaum als Methode, da dies hohe Risiken für Planer und Auftraggeber birgt. In der Schweiz schafft jetzt das Schweizerische Institut für Glas am Bau (SIGAB) Planungssicherheit: Die neue SIGAB Richtlinie 002 „Sicherheit mit Glas – Anforderungen an Glasbauteile“ liefert die Grundlagen für einen adäquaten Einsatz von Glasbauteilen, wobei die Richtlinie unter anderem Fenster-, Tür- und Fassadenhersteller sowie Glasanbieter und Planer anspricht.

Für Architekten ist vor allem das Kapitel 4 „Projektierung und Nutzung“ von Interesse. Auf mindestens fünf heikle Punkte hat die Bauherrschaft respektive der Architekt zu achten:

  • Glaswahl: Sicherheitsglas oder Floatglas?
  • Konstruktion: Halterung und Rahmung von Glasbauteilen
  • Statische Eigenschaften: z. B. bei Geländern und Treppen aus Glas
  • Rutschhemmung bei Bodenbelägen aus Glas
  • Sichtbarmachung von Glasflächen bei Türen und raumhohen Verglasungen.

Unter „Planungsablauf“ ist die Verantwortlichkeit geregelt: Gemäß Norm SIA 118 hat die Bauherrschaft (oder deren Vertreter) die Schutzanforderungen zu definieren und diese Personen tragen die Verantwortung, dass Glasbauten entsprechend den Anforderungen und Montagemöglichkeiten ausgeschrieben werden.

Planer sichern sich ab, indem sie mit der Bauherrschaft eine Nutzungsvereinbarung nach Norm SIA 260 abschließen.

Projekte, bei denen eine Baubehörde oder Gemeinde die Verglasungen an Wohn- oder Geschäftsgebäuden nicht abnehmen, sind keine Seltenheit. Arbeitsinspektoren können mit Verweis auf das Arbeitsgesetz (ArG) oder die Verordnung für Unfallverhütung (VUV) Sicherheitsglas einfordern. Vorgaben von Seiten der Beratungsstelle für Unfallverhütung (bfu) und des SIGAB können Verbindlichkeit erlangen durch entsprechende Formulierungen im kantonalen und kommunalen Baurecht bzw. via Auflagen in der Baubewilligung.

Schweizer Schutzanforderungen

Über 20 Anforderungen an den Schutz von Personen und Räumen listet die neue Richtlinie auf, darunter so spezielle wie die „Durchschusshemmung“. Weitaus häufiger geht es im Baualltag um Absturzhemmung, Ballwurfsicherheit, Einbruchhemmung und Schutz vor Schnittverletzungen, beispielsweise in Sport- und Kindertagesstätten. Auftraggeber der öffentlichen Hand und Bildungsinstitutionen machen in der Regel keine Kompromisse bei der Personensicherheit in Schulhäusern.

Weniger strikt schätzen Planer die Auflagen für private Wohn- und Büroräume ein, zu Unrecht. Denn Gerichte nutzen häufig Normen des SIA und SIGAB-Richtlinien als Entscheidungsgrundlagen. Bei Unfällen an Glasbauteilen ist die „002“ relevant.

So geht fachgerechter Glaseinsatz

Der sicherheitsrelevante Einsatz von Glas am Bau ist in einer übersichtlichen Tabelle in der neuen Richtlinie zusammengefasst. Auch jene Bestimmungen, die sich in eine Faustformel packen lassen: Verglasungen sind in der Schweiz unterhalb von einem Meter ab begehbarer Fläche grundsätzlich mit Sicherheitsglas auszuführen, also VSG oder ESG (Bild 01).

Ebenfalls bei hohen, vertikal durchgehenden Verglasungen > 3 m, welche für Personen erreichbar sind, ist der Einsatz von Sicherheitsglas geregelt. Die Pflicht zum Einbau von verletzungshemmenden Glasprodukten in Glaspaketen bezieht sich auf die „Angriffsseite“ (Bild 02).

Bei Balkonen und Außensitzplätzen ist beidseitig Sicherheitsglas vorzusehen. Kommt dem Glasbauteil die Funktion eines Geländers zu, handelt es sich nach Norm SIA 358 um eine Absturzsicherung. Dies bedingt zwingend ein geeignetes VSG.

Beispiele von Einbausituationen

Mit dem reinen geschriebenem Wort, wie etwas sein soll und wie nicht, kann Wissen nur halb so gut vermittelt werden. Aus diesem Grund sind mehrere konkrete Einbausituationen mit Innenansicht und Vertikalschnitt abgebildet (Kapitel 5). In diesen Beispielen geht es um den korrekten Einsatz von Glasprodukten in Fest- und beweglichen Verglasungen bei

  • Absturzsituationen,
  • geschosshohen Einbauten,
  • Einbausituationen mit niedriger fester Brüstung,
  • der Variante mit französischem Balkon und
  • weiteren Spezialfällen mit baulicher Maßnahme bzw. fest verankertem Schutzelement.

Diese Gläser stehen im Fokus

Neben Floatglas, ESG und VSG sind weitere Glastypen wie Weißglas, Drahtglas, Ornament- bzw. Gussglas, TVG oder ESG mit Heat-Soak-Test beschrieben (Kapitel 6).

Es finden sich zudem Informationen und Vorgaben zu Alarmgläsern, Profilbaugläsern oder zur Mittelscheibe bei 3-fach-Isolierglas.

Zu Letzterem ist definiert, dass mit angriffsseitig vorhandenem Sicherheitsglas die Verwendung von grob brechenden Glasprodukten (z. B. Floatglas) als Mittelscheibe zulässig ist.

Die Richtlinie 002 bietet einen reichen Fundus an Fachwissen. Der Abschnitt zur Einbruchhemmung ist dafür exemplarisch. Sehr praktisch sind die Korrelationshinweise zu den Widerstandsklassen von zwei europäischen Normen mit unterschiedlichem Prüfverfahren.

Damit lassen sich die gebräuchlichen „Resistance Class“ RC1 bis RC6 präzis einordnen. Gefährdet für Einbrüche sind Türen mit Panikstangen in Fluchtwegen. Um hier die Sicherheitsanforderung RC2 und höher zu erfüllen, ist die übliche Folie aus Polyvinylbutyral (PVB) nicht ausreichend; notwendig sind Polycarbonat-Zwischenlagen mit einer Stärke von mindestens 5 mm.

In knapper und präziser Form vermittelt die „002“ glasbautechnische Auflagen bezüglich Sicherheit sowie dem richtlinienkonformen Einsatz von Glas am Bau.

Die Richtlinie tritt am 1. Januar 2018 in Kraft. Verfasst wurde sie von der Arbeitsgruppe „Sicherheit mit Glas“, in Zusammenarbeiten mit den Fach- und Branchenverbänden des Fenster- und Fassadenbaus (FFF und SZFF) sowie der bfu – Beratungsstelle für Unfallverhütung.—

Hier gibt es die Richtlinie

Die Richtlinie kann einzeln oder zusammen mit den anderen SIGAB-Publikationen im Glasordner über die Website des Schweizerischen Institut für Glas am Bau bestellt werden unter

www.sigab.ch

Die Autoren

Markus Läubli leitet das Schweizerische Instituts für Glas am Bau (SIGAB) in Schlieren bei Zürich. Er ist dipl. Architekt FH, dipl. Glasbauexperte und zertifizierter Gerichtsexperte.

Reto Läubli ist dipl. Metallbauingenieur FH und arbeitet als Technischer Glasbauexperte im SIGAB.

Jetzt weiterlesen und profitieren.

+ Glaswelt E-Paper-Ausgabe – jeden Monat neu
+ Kostenfreien Zugang zu unserem Online-Archiv
+ Fokus GW: Sonderhefte (PDF)
+ Weiterbildungsdatenbank mit Rabatten
+ Webinare und Veranstaltungen mit Rabatten
uvm.

Premium Mitgliedschaft

2 Monate kostenlos testen