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Sicherheitsglas: Bruch-ursprung im Klemmbeschlag

Die Nadel im Heuhaufen

_ Das Ehepaar sucht nach einem passenden Glasspritzschutz und bestellt bei einem Händler eine dreiteilige gläserne Faltwand, die im Bedarfsfall über dem Badewannenrand geschlossen werden kann. Nach dem Einbau ist die Freude jedoch nur kurz.

Ausgerechnet die der Wand zugewandte Scheibe springt und die zwei über Drehbeschläge hieran befestigten anderen Scheiben fallen mit großem Getöse in die Badewanne und hinterlassen auch dort große Schäden. Zudem zerstören explosionsartig herumfliegende Bruchstücke der gesprungenen Scheibe weitere Gegenstände im Bad.

Nicht auszudenken, was passiert wäre, wenn zum Zeitpunkt des Glasbruches jemand in der Wanne gestanden hätte. Aus ähnlichen Fällen ist bekannt, das es hierbei zu erheblichen Verletzungen gekommen wäre.

Die Eheleute beantragen über einen Anwalt bei Gericht ein Selbständiges Beweisverfahren mit der Fragestellung: „Ist das Zerspringen der Glasscheibe der Faltwand auf eine Fehlerhaftigkeit der Glasscheibe/Faltwand und nicht auf eine falsche Montage oder sonstige im Bereich der Kläger liegenden Gründe zurückzuführen?“ Mit dieser Aufgabenstellung muss sich jetzt der Gutachter befassen.

Spurensuche beim Ortstermin

Bei dem Ortstermin stellt der Gutachter fest, dass die Faltwand aus drei Glasscheiben aus 6 mm dickem ESG-Scheiben (Einscheiben-Sicherheitsglas) besteht.

Eine der Scheiben ist mittels Drehbeschlag an der Wand befestigt, die beiden anderen Scheiben sind wiederum mittels Drehbeschlägen mit dieser wandseitigen Scheibe und untereinander verbunden. Beim Duschen in der Badewanne lassen sich die Scheiben zum Schutz gegen Spritzwasser über den Badewannenrand drehen.

Gemäß Beschreibung des Prozessbevollmächtigten des Klägers ist die wandseitige Scheibe ohne weiteres Zutun „explodiert“.

Die geschossartig herumfliegenden Bruchstücke haben Teile der Badezimmereinrichtung beschädigt. Kleinste nadelförmige Teile der Bruchstücke haben sich in den Textilien, wie Badezimmerteppich, Handtücher und Bademantel festgesetzt und konnten nicht wieder entfernt werden. Die beiden noch intakten Glasscheiben sind in die Badewanne gefallen und haben die Emaillierung an einigen Stellen beschädigt.

Um möglicherweise einen kostenaufwendigen Ortstermin zu vermeiden, hat der Gutachter zunächst die Kläger um Zusendung von Originalfotos gebeten. Eines dieser Fotos zeigt einen Beschlag mit noch eingeklemmten Bruchstücken der „explodierten“ Scheibe.

Es sind deutlich strahlenförmig nach oben aus dem Beschlag herauslaufende Risse zu erkennen, was auf den Bruchursprung im Bereich des Klemmbeschlages schließen lässt. (Foto 2 + 3)

Damit bei einem Postversand die Bruchstücke nicht auseinander fallen, wurde ein Ortstermin anberaumt, an dem der Gutachter die Beschläge von der noch intakten Scheibe abgeschraubt und zur weiterer Untersuchung mitgenommen hat. (Foto 2) Nach dem Öffnen der Beschläge konnten die freigelegten Bruchstücke begutachtet werden. Etwa in der Mitte waren nun deutlich zwei schmetterlingsflügelartige Bruchstücke zu erkennen. (Foto 4)

Diese beiden Bruchstücke wurden dann zur weiteren Untersuchung von den übrigen Bruchstücken getrennt und zunächst mit einer Lupe die Flanken betrachtet. Auf der Flanke eines der beiden Bruchstücke ist deutlich ein sogenannter Bruchspiegel erkennbar (Foto 1).

Da ein solcher Bruchspiegel immer am Ausgangspunkt eines Glasbruchs entsteht, wurde nun diese Stelle in einem Labor unter einem Elektronenmikroskop auf Fehlstellen und/oder Einschlüsse im Glas untersucht. Dort zeigt sich nun eine Fehlstelle (Foto 5).

Ein Einschluss, wie etwa ein Nickelsulfid-Kristall, wurde nicht gefunden, was jedoch nicht bedeutet, dass ein solcher nicht vorhanden war, denn der Einschluss kann auch beim Trennen der beiden Bruchstücke von der Kante unentdeckt abgefallen sein.

Das Fazit des Gutachters

Auch wenn kein Einschluss gefunden wurde, das vorliegende Bruchbild lässt mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auf eine Fehlstelle und/oder einen Einschluss im Glas als Bruchursache schließen. Wahrscheinlich war es ein Nickelsulfid-Bruch. Im Fall eines Spontansprungs von ESG ist es nahezu unmöglich, eine sichere Antwort über die Ursache zu finden, wenn keine Bruchstücke mehr vorhanden sind. Und selbst wenn diese aufgesammelt wurden, lässt sich der Bruchursprung selbst durch Puzzle-Arbeit kaum noch ermitteln. Im vorliegenden Fall war es ein bisschen wie bei einem „Sechser im Lotto“, dass der sternförmige Bruchverlauf aus dem Klemmbeschlag heraus noch zu sehen war.

Dieser Fall zeigt, wie gefährlich ein ESG-Spontanbruch für den Nutzer im Bad werden kann. Hier wäre es sinnvoll, bei gläsernen Duschen und Duschtrennwänden grundsätzlich nur heißgelagertes ESG-H einzusetzen.—

Der Autor

Wolf-Dietrich Chmieleck ist öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger für Glastechnik.

IGA Institut für Glas-Anwendung

Tel. (0 23 02) 7 53 83

www.iga-chmieleck.de