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GLASWELT vor Ort bei Hornschuch in Weissbach

“Wir wollen wachsen, wir werden wachsen!“

_ Früher war in der Gemeinde Weißbach bei Heilbronn alles Hornschuch – schließlich ist das Unternehmen nicht nur der größte Arbeitgeber weit und breit, der Industriekomplex ist sogar so groß wie der Ort selbst. Jetzt prangt ein riesiger Schriftzug „Continental“ auf der Hallenwand. Wie ist der Firmenübergang bei den Menschen angekommen? Lothar Machule stellt gleich klar, dass die Angst in Weißbach deutlich zu spüren war, als bekannt wurde, dass Hornschuch von Continental vermeintlich „geschluckt“ wurde. Aber der Vertriebs- und Marketingvorstand ergänzt gleich: „Wir sind nicht aufgekauft worden. Wir haben uns den Partner ausgesucht und jetzt sind zwei erfolgreiche Unternehmen zusammengekommen.“

Machule erläutert im Gespräch die Entwicklungen der letzten zwei Jahre: Der frühere Investor habe der Hornschuch-Führung ausreichend Zeit gelassen, um sich selbst einen passenden strategischen Partner zu suchen, „und Continental bzw. die Benecke Gruppe stand auf der Liste.“ In den Gesprächen habe sich dann herausgestellt, dass man nicht nur zusammenpasste, sondern dass auch die vielbeschworene Chemie zwischen den Vertragspartnern stimmte.

Jetzt fertigt und vertreibt die neu gegründe „Benecke-Hornschuch Surface Group“ als organisatorische Einheit des Continental-Konzerns Produkte in den Bereichen Automotive und Living Solutions in 11 Produktionsstandorten und 80 Ländern. Insgesamt geht es dabei um einen Jahresumsatz von über 1 Mrd. Euro (2016) – wobei Hornschuch allein schon 436 Mio. Euro generiert. Und Continental selbst sei froh darüber, sich mit weiteren Geschäftsfeldern jenseits des Automobilbereiches diversifizieren zu können, erklärt Machule.

Exterior als Geschäftsfeld des Segments „Living Solutions“

Hornschuch kümmert sich jetzt in diesem Segment um folgende Oberflächenmaterialien:

  • Design- und Funktionsfolien zur Verschönerung von Wänden, Glasflächen, Türen, Böden und Möbeln für den Endverbraucher (d-c-fix),
  • Synthetische Bezugsstoffe für Polstermöbel und Wandbespannungen,
  • Möbelfolien für Küchen und Bäder, Folien für Blutbeutel und Matratzen sowie für Pools und Terrassenböden,
  • und eben um den <b>Exterior-Bereich</b>: Au&szlig;enfolien für Fenster, Tür, Garage und Fassade.

Wichtig für den Standort in Weißbach: Die Designkompetenz bleibt erhalten. Der Exteriorbereich sowieso, denn hier hat Hornschuch im Konzern die alleinige und einzigartige Kompetenz. Rainer Irouschek, der für diesen Bereich verantwortlich ist, weist gerne auf diesen Experten-Status hin. Und was die Zukunft angeht, so macht Machule gleich die Kampfansage: „Wir wollen wachsen, wir werden wachsen. Und zwar in allen Bereichen.“ Ihm geht es dabei vor allem um die weißen Flecken auf der Landkarte. Der gesamte Integrationsprozess werde bis zum Jahreswechsel vollzogen sein. Ab 2018 werde man mit der neuen Struktur am Markt auftreten. Und im Konzern werde man im Vergleich zu einem Investor-geführten Unternehmen auch anders planen können: „Entscheidungen werden künftig nicht mehr nur mit einem fünf Jahres-Horizont getroffen. Jetzt können wir auch langfristiger denken“, freut sich Irouschek. Und Machule ergänzt: „Dieser Konzern hat auch ganz andere Ressourcen. Die sind überall in der Welt bereits aktiv und wir können von dieser Marktdurchdringung nur profitieren.“

Die Frage bleibt unbeantwortet, ob man irgendwann von einer „Conti-Folie“ sprechen wird. Aber klar sei, dass man weiter mit den starken Produktmarken skai, cool colors und d-c-Fix auftritt. —

Im GLASWELT Interview stellten sich den Fragen Lothar Machule, Vorstand Marketing & Sales und Rainer Irouschek als Leiter der Exterior-Unit.

Glaswelt – Wir sind im Herbst 2017, welchen wirtschaftlichen Rückblick für den Exterior-Bereich können Sie geben? Und wie lief 2016?

Lothar Machule  – 2016 haben wir den letzten Hornschuch-Geschäftsbericht abgegeben. Künftig dürfen wir, was die Kennzahlen angeht, nicht mehr so offen kommunizieren. Rückblickend ist zu sagen, dass wir in den letzten 15 Jahren eine Erfolgsstory par excellence hingelegt haben – wir sind jedes Jahr gewachsen. 2016 konnten wir mit einem Umsatz von 436 Mio. Euro abschließen.

Glaswelt – Und wie viel Freude hat Ihnen dieses Jahr bereitet?

Machule – Wir möchten uns nicht beklagen. Wir sind ambitioniert gewesen in der Planung und werden trotzdem wieder unsere Ziele übertreffen.

Glaswelt – Herr Irouschek, was können Sie speziell für den Folienmarkt für Bauelemente sagen?

Rainer Irouschek – 2016 war überdurchschnittlich gut. Aber auch dieses Jahr werden wir dieses Rekordniveau wieder übertreffen.

Glaswelt – Befürchten Sie, dass mittelfristig das Wachstum am Bau – insbesondere am Neubau – zu Ende ist?

Machule – Mir ist es eigentlich egal, ob künftig weniger Einfamilienhäuser und dafür mehr Mehrfamilienhäuser gebaut werden. Fakt ist, wir werden nicht weniger Wohneinheiten bauen in den nächsten Jahren. Wir haben noch einen hohen Nachholbedarf.

Irouschek – Letztendlich geht es uns auch nur um Bauteile und nicht um Wohneinheiten. Und für den Sanierungsbereich mach ich mir schon gar keine Sorgen.

Glaswelt – Wie können Sie eine größere Käuferschicht für Ihr Produkt gewinnen?

Irouschek – Wir müssen auch noch die Architekten für das PVC-Fenster begeistern. Mit der Kreislaufwirtschaft und dem Rewindo-Recycling-Thema haben wir hier wichtige Argumente an der Hand. Das PVC-Fenster ist langlebig, wartungsfrei und nach seiner Nutzung wieder in seine Bestandteile zerlegbar für ein sortenreines Recycling. Und nicht zu vernachlässigen ist auch der wirtschaftliche Aspekt, denn am langen Ende muss ein Fenster auch noch bezahlbar bleiben.

Machule – Mit der Folie kommt dann noch der Designaspekt hinzu. Das gibt jedem deutlich mehr Möglichkeiten an die Hand.

Glaswelt – Über PVC-Alu-Fenster scheint mehr gesprochen zu werden, als das sie tatsächlich auch verkauft werden. Sehen Sie das genauso?

Irouschek – Uns ist nicht klar, warum auf einem Kunststoffprofil noch eine Aluminiumdeckschale aufgeklipst wird, die genauso wie das Profil lackiert werden muss. Optisch und qualitativ ist das absolut vergleichbar mit unserer Alux-Folie, dafür aber rund 30 Prozent teurer. Und die Aluschale muss auch noch aufwendig zugeschnitten und angepasst werden.

Glaswelt – Ist ein PVC-Alu-Fenster wartungsfreier als ein kaschiertes Profil?

Irouschek – Beides lässt sich nicht unmittelbar vergleichen. Hinsichtlich der Farbqualität liegt die Folie aber deutlich vorne. Auch bei der Witterungsbeständigkeit ist die Folie dem Lack überlegen. Xenon-Tests von über 20.000 Stunden simulieren eine Echtbewitterung von über 25 Jahren in Mitteleuropa. Unsere Folien halten so ein Fensterleben lang – wartungsfrei.

Glaswelt – Wie stellt sich die Lebensdauer eines kaschierten Profils im Vergleich zum „nackten“ PVC-Fenster dar?

Irouschek – Das weiße PVC-Fenster neigt deutlich mehr zum Verschmutzen, da die Oberfläche eine andere Spannung aufweist. Das PMMA der Folie sorgt für eine hochwertigere Oberfläche und dadurch auch für eine längere Lebensdauer mit einem geringeren Wartungsaufwand.

Glaswelt – Systemhäuser bieten jetzt durchgefärbte Profile im Graubereich an. Sind die Folien in der Lage, die zu erwarteten Temperaturspitzen zu verkraften bzw. auch entsprechend zu senken?

Irouschek – Wir haben uns auf diese Entwicklung ausgerichtet und dafür auch unsere Folien in der Rezeptur angepasst. Klar ist, dass sich bei einem dunklen Grundkörper das Profil mehr erwärmt. Unsere CoolColor-Funktion ist dann ein wichtiger Baustein, die Temperaturanstiege deutlich geringer ausfallen zu lassen. Wir haben mit unseren Grautönen überall die Wärmeklasse 2 erreicht – das wird auf Schwarz gemessen und bedeutet, dass sich das Profil in der Wärmemessung nicht mehr als auf 62 °C erwärmt.

Glaswelt – Immer mehr Systemgeber entwickeln selbst Foliensysteme – macht Ihnen dieser Wettbewerb sorgen?

Machule – Wir sehen das sportlich, es belebt auch das Foliengeschäft. Und es ist ein Zeichen, dass auch die Systemgeber erkennen, dass der beschichtete Markt stärker wächst als der Gesamtmarkt. Die Systemgeber möchten die Wertschöpfung im eigenen Haus integrieren, aber ob sich das für sie rechnet, wird sich zeigen.

Irouschek – Zum Markt gehört so viel dazu: Sie brauchen das Know-how, die absolute Farbgleichheit auf unterschiedliche Bauelemente, das Wärmeaufnahme-Verhalten und vieles mehr. Wenn wir eine neue Farbe herausbringen, nimmt das viele Jahre an Entwicklungszeit in Anspruch. Wichtig für den Erfolg einer Folie ist die breite Verfügbarkeit und keine Insellösungen.

Glaswelt – Wie beurteilen Sie die Möglichkeiten, Fensterprofile zu lackieren?

Irouschek – Lackiert wird schon immer – wenn beispielsweise Sonderfarben gewünscht sind, die es in Folie nicht gibt. Das spielt aber in der breiten Anwendung keine Rolle.

GLASWELT – Welches Foliendesign ist stark im Kommen, welche Designs sind vorherrschend?

Irouschek – Alux grau ist jetzt schon einige Jahre in Deutschland sehr erfolgreich – auch in anderen Farbtönen. Im Neubau ist der Grauanteil bestimmt höher als 50 Prozent. In Italien sieht das aber ganz anders aus: Dort ist beispielsweise Sheffield Oak das meistverkaufte Foliendesign.

GLASWELT – Welche technischen und optischen Trends sehen Sie für die Zukunft?

Irouschek – Auch in Zukunft wird es entscheidend sein, wie die Folie die Wärmeaufnahme reguliert. Was die Optik angeht, sehen wir für die Zukunft den Trend zur Mattigkeit einer Oberfläche. Auch das Holzdesign als solches wird wieder stärker werden.

GLASWELT – Wird die Haptik auch ein immer wichtigeres Entscheidungskriterium?

Irouschek – Ja, das sehen wir so. Denn Fensterfolien kommen auch immer häufiger im Innenbereich zum Einsatz.

GLASWELT – Denken Sie auch darüber nach, Folien mit zusätzlichen Eigenschaften aufzuwerten?

Irouschek – Wir denken da beispielsweise an eine leuchtende Folie. Das würde die Bauelemente und das Gebäude akzentuieren, erfüllte Sicherheitsaspekte und vieles mehr. Im Automotivebereich sind diese Folien- bzw. Kunstlederanwendungen beispielsweise schon sehr real.

GLASWELT – Wird sich das Applizierungsverfahren von Kaschierungen in Zukunft verändern?

Irouschek – Es gibt ein Forschungsprojekt über Plasmabehandlung für ein primerloses Applizierungsverfahren. Generell liegt der Spielball aber hier bei der Klebe- und Primerbranche, mit der wir bei Zukunftslösungen sehr eng kooperieren.

GLASWELT – Meine Herren, vielen Dank für Ihre Auskünfte.

Die Fragen stellte Chefredakteur Daniel Mund.

Daniel Mund

Hornschuch wird Gelb

Die 1898 gegründete Hornschuch-Gruppe, die mit 1800 Mitarbeitern Design-, Funktions-, Schaum- und Kompaktfolien sowie Kunstleder für das Industriegeschäft und die Automobilindustrie herstellt, wurde seit 2017 in die zur Continental-Division ContiTech gehörende Benecke-Kaliko AG integriert. Der Zusammenschluss bedeutet für die beiden Unternehmen eine Reihe von Synergien, etwa bei Forschung und Entwicklung sowie im Einkauf.

www.hornschuch.com

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