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Interview mit Bernhard Ahlborn

Leichter und sicherer

Glaswelt – Aktuell sind Sicherheitsgläser auf dem Vormarsch, welche Gründe dafür sehen Sie?

Mag. Bernhard Ahlborn – Im Unterschied zu „passiven“ Si-Gläsern, wie ESG, VSG oder auch Drahtglas, die Personen bei Bruch vor Verletzungen schützen sollen, sprechen wir hier von „aktiven“ oder „angriffshemmenden“ Sicherheitsgläsern zwecks Objekt- oder Personenschutz im Rahmen von Einbruch, Beschuss oder Explosion. Ein allgemeiner Vormarsch ist sicherlich auf die gesteigerten Bedrohungsszenarien in den letzten Jahren zurückzuführen. Bezüglich Einbruch sind insbesondere öffenbare Fassadenelemente das Ziel krimineller Aktivitäten.

Glaswelt – Welche Rolle spielen dabei einbruchhemmende Panikgläser?

Ahlborn – Die Europanorm DIN EN 1627:2011 ff. unterscheidet die Widerstandsklassen RC2 bis RC6 von Glas sowie Rahmensystemen sowohl für Festverglasungen als auch für Türelemente mit Panikverriegelung. Hierbei geht es nicht nur um einen sogenannten „Blitzeinbruch“, bei dem mit schweren Gegenständen beispielsweise Schaufenster für eine Durchstiegs- oder Durchgriffsöffnung eingeschlagen werden, sondern um die Schaffung einer Durchstichsöffnung im Glas, quasi Lochung. Ziel ist die Betätigung bzw. das Öffnen des innen liegenden Panikriegels. Dies kann mittels Schraubendreher, Draht etc. erfolgen.

Glaswelt – Und wie sieht es mit Beschusshemmung und Sprengstoff-Resistenz aus?

Ahlborn – Einbruchhemmende Gläser, etwa in den Widerstandsklassen P6B bis P8B nach EN 356 oder den RC-Klassen, implizieren nicht zwangsweise, dass sie auch beschuss- oder explosionshemmend sind und vice versa. Wir haben schon vor vielen Jahren erkannt, dass die Multifunktionalität von angriffshemmenden Gläsern eine große Rolle spielen wird und haben das entsprechende Glas-Portfolio aufgebaut. Diese Gläser sind zudem von deutschen Instituten geprüft.

Glaswelt – Warum lassen sich solche Gläser mit herkömmlichen Glasaufbauten kaum umsetzen? Was wäre eine passende Alternative?

Ahlborn – Wenn man unter herkömmlichen Glasaufbauten mehr oder weniger dickes und schweres Nurglas-VSG mit Folien versteht, dann ergeben sich insofern Schwächen, als bei den RC-Prüfungen punktuell, also immer auf die gleiche Stelle geschlagen und Glas abgetragen wird, um Öffnungen zu erreichen. Das entspricht auch den Einbruchsversuchen in der Praxis und so gesehen ist diese 1627er Norm wesentlich praxisnäher als die EN 356.

Glaswelt – Welche Vorteile bietet Polycarbonat-Verbundglas noch?

Ahlborn – Wichtig sind drei Punkte: Die Gläser sind 40 bis 60 % dünner und leichter als herkömmliches Nurglas-VSG. Weiter ist das Endprodukt wesentlich widerstandsfähiger, denn Polycarbonat (PC) hat die 250-fache Rückhaltewirkung gegenüber Floatglas sowie eine höhere Transparenz.

Glaswelt – Für welche RC-Klassen stellen Sie Polycarbonat-Gläser bereit?

Ahlborn – Für Festverglasungen der Klassen RC2, RC3 und RC4 genügt Nurglas-VSG mit der einbruchhemmenden Qualifikation P4A, P5A und P6B nach EN 356. Die Prüfungen für die Klassen RC5 und RC6 sind nur noch mit Glas-PC-Verbunden zu schaffen. Für Türen mit Panikverriegelung geht es eigentlich schon ab Klasse RC2 bis zur RC6 nur mit PC-Verbunden. Dazu kommt, dass wir für alle Klassen, also von RC2 bis RC6 sowohl für Fest- als auch für Panikverglasungen, die Prüfzeugnisse vorliegen haben.

Glaswelt – Müssen solche Glasanwendungen – entsprechend der RC-Klasse – im Gesamtsystem geprüft sein, etwa mit der Tür, dem Rahmen und Anschluss/Anschlussfuge?

Ahlborn – Selbstverständlich wird das Gesamtsystem geprüft. Durch unsere Prüfzeugnisse rein für das Glas hat der Kunde durch Vorlage unserer Zeugnisse bei seinem Institut jedoch den Vorteil, dass nur noch die Glasanbindung überprüft wird. Das spart für die Verarbeiter letztendlich Zeit und Kosten.

Glaswelt – Sind Sie als Zulieferer nur im B-to-B Segment aktiv, wer sind dort Ihre Kunden?

Ahlborn – Mit Herstellern von Rahmenprofilsystemen (auch in Holz) machen wir Systemprüfungen; die Kunden sind dann Hersteller von Türen, Toren, Fenstern und Fassaden. Weiter arbeiten wir mit Sicherheitsfirmen, Metallbauern, Glasherstellern- und -verarbeitern, Glasereien, Tischlereien etc. Diese machen wir aber explizit darauf aufmerksam, dass es für den Einsatz unserer Gläser einer Systemprüfung bedarf.

Glaswelt – Betreuen Sie auch Endnutzer?

Ahlborn – Ja. Solche B-to-C Geschäfte machen wir aber hauptsächlich mit Juwelieren und Uhrmachern sowie dem Waffenhandel. Vereinzelt auch mit Privatpersonen und -residenzen.

Glaswelt – Wo werden Ihre Polycarbonat-Verbundgläser vorrangig eingesetzt?

Ahlborn – Vornehmlich in Gebäuden, bei denen hohe oder steigende Bedrohungsszenarien anzunehmen sind. Hierfür sind wir in ganz Europa tätig. Schwerpunkt sind unsere Nachbarländer. Im Fokus stehen Nationalbanken, Ministerien und Regierungsgebäude, Öl-Multis, Botschaften und Konsulate, Museen, Gerichte, Staatsanwaltschaften, Rechenzentren, Justizvollzugsanstalten, Polizeipräsidien etc.

Glaswelt – Welche Möglichkeiten gibt es, unterschiedliche Funktion in einem Polycarbonat-Verbundglas zu kombinieren

Ahlborn – Eigentlich wünschen die Kunden eine „eierlegende Wollmilchsau“. Mit unseren Polycarbonat-Verbundgläsern können wir dies umsetzen. Hier ein Beispiel: RC3-panic + BR4-NS + ER4-NS + Brandschutzglas und Alarmgabe, also Kombination von Einbruch, Beschuss (mit einer 44 mm Magnum), Explosion der höchsten Klassifizierung, Brandschutz (z.B. Ei30) und Alarmglas.

Glaswelt – Woran erkennt man Ihre Produkte?

Ahlborn – Alle von uns (www.sicurtec.at) erzeugten Glas-Polycarbonat-Laminate firmieren unter dem Markennamen sicurLite und werden mit Widerstandsklasse und EN-Norm gekennzeichnet.—

Die Fragen stellte Matthias Rehberger.

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