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Marktentwicklung bei Abstandhaltern

Den einen für alles gibt es nicht

Glaswelt – Welche Spacer liegen aktuell besser im Rennen, flexible Systeme oder Stangen?

Ingrid Meyer-Quel – Hier lässt sich kein eindeutiger Trend feststellen. Es werden zwar immer wieder neue Linien für flexible Systeme installiert. „Flexibel“ bedeutet vollautomatische Profilapplikation von der Rolle oder aus dem Fass direkt auf die Scheibe. Aber die reine Anzahl von Linien für ein bestimmtes Verfahren sagt nichts über dessen Marktanteil aus, denn dafür kommt es darauf an, wieviel mit diesem System produziert wird, d. h. ob die Linie überhaupt damit ausgelastet ist. Viele der Linien für flexible Systeme lassen sich ja auch konventionell mit separat gefertigten Abstandhalterrahmen beschicken.

Glaswelt – Und wie ist der Stand bei der automatischen Spacer-Applikation, was verlangt hier der Markt?

Meyer-Quel – Ich denke, der Wunsch nach automatischer Abstandhalter-Applikation bzw. nach einfachem und präzisem Rahmensetzen ist schon groß, insbesondere da die Scheiben immer größer werden und der Anteil an 3-fach-ISO weiter steigt. Aber jedes System hat nicht nur Vorteile, sondern auch Nachteile, hier muss jeder Betrieb sorgfältig für sich abwägen. Oft sind die Isolierglas-Hersteller ja auch von den Wünschen ihrer Kunden fremdbestimmt, die entsprechende Spacersysteme fordern.

Glaswelt – Hält der Kampf um die Psi-Werte weiter an? Und macht das überhaupt noch Sinn?

Meyer-Quel – In Sachen Psi-Werte haben derzeit die Profilstangen aus dem High-Performance-Segment die Nase vorne. Generell lassen sich die Profilstangen in drei Segmente gruppieren: Low, Mid und High Performance. Den größten Marktanteil haben sicherlich immer noch die Mid-Performer, aber das Interesse an den High-Performern ist groß. Hierfür sind in den letzten zwei Jahren die meisten neuen Systeme aufgetaucht. Inzwischen hat bald jeder der großen Abstandhalter-Hersteller in Europa ein System dieser Kategorie im Programm. Dabei möchte ich ausdrücklich festhalten: Eine Diskussion um 1/1000 beim Psi-Wert entbehrt jeglicher Sinnhaftigkeit! Meine große Sorge ist, dass andere wichtige Aspekte wie z. B. die Gebrauchstauglichkeit und die Dauerhaftigkeit des Isolierglas-Randverbunds durch eine einseitige wärmetechnische Optimierung leiden.

Glaswelt – Inwieweit ist die Psi-Wert-Optimierung system- bzw. konstruktionsbedingt?

Meyer-Quel – Die verwendeten Materialien und wie die Randverbund-Systeme daraus konstruiert sind, das hat natürlich großen Einfluss. Für minimale Wärmeverluste über den Randverbund müssen die Metallanteile möglichst gering sein und dort, wo Metall unverzichtbar ist, sollte es eine niedrige Wärmeleitfähigkeit und geringe Wandstärken haben, d. h. Edelstahl anstelle von Aluminium.

Glaswelt – Können Sie etwas zur Performance der unterschiedlichen Spacer-Aufbauten sagen?

Meyer-Quel – Profilstangen, Fass, Silikonschaum, in dieser Unterteilung spiegeln sich die unterschiedlichen konstruktiven und materialtechnischen Lösungsansätze der Spacer-Systeme wider. Reine Edelstahl-Abstandhalter haben vergleichsweise hohe repräsentative Psi-Werte und damit eine geringere wärmetechnische Leistungsfähigkeit (low performance); für ein exemplarisch betrachtetes Kunststoff-Fenster mit 2-fach-ISO liegen die Psi-Werte von Edelstahl-Abstandhaltern im Bereich von ca. 0,051 bis 0,047 W/(mK). Die derzeit am häufigsten verwendeten Hybridprofile aus Kunststoff mit Edelstahl besitzen Psi-Werte von ca. 0,041 bis 0,038 W/(mK) in der Mittelklasse (mid performance). Die wärmetechnisch besten Systeme, dazu gehören Profilstangen und die Silikonschaumprofile, finden sich alle im Psi-Wert-Bereich von 0,033 bis 0,031 W/(mK) (high performance). Die thermoplastischen Spacer aus dem Fass liegen mit dem Psi-Wert 0,036 W/(mK) zwischen mid und high performance.

Bei den Profilstangen sind die „high performance“-Lösungen durchweg Profile aus glasfaserverstärktem Kunststoff, die mit einer Verbundfolie beklebt werden und die Steifigkeit aus einer hohen Faserverstärkung des Kunststoffmaterials gewinnen. Diese mehrlagigen Verbundfolien werden verwendet, um den Profilkörper gegen Wasserdampf- und Gasdiffusion abzudichten. Abgesehen von Variationen im Design sind sich diese Profilstangen sehr ähnlich.

Glaswelt – Wie werden sich Ihrer Ansicht nach die Profilstangen weiterentwickeln?

Meyer-Quel – Obwohl sie zur Warmen Kante dazuzählen, sind Edelstahl-Abstandhalter wegen ihrer geringeren wärmetechnischen Leistungsfähigkeit auf dem Rückzug. Die Hybridprofile der Mittelklasse wachsen eher langsamer als der Markt oder stagnieren. Das Wachstum wird am oberen Leistungsende erfolgen.

Trotz des derzeitigen Mankos, dass die High-Performance-Profilstangen aus glasfaserverstärktem Kunststoff mit Verbundfolie nicht unter die Austauschregeln der prEN 1279-1 fallen, rechne ich mit einem Fortdauern des Trends zu Lösungen dieser Bauart, und zwar aus verschiedenen Gründen.

Glaswelt – Und welche sind das?

Meyer-Quel – Aufgrund des gestiegenen Warme-Kante-Anteils richten sich immer mehr Isolierglashersteller auf die maschinelle Verarbeitung von glasfaserverstärkten Profilstangen ein.

Denn die Profile dieses Segments lassen sich bis auf wenige Ausnahmen identisch verarbeiten. Eine größere Auswahl an Materiallieferanten ist immer von Vorteil für den Verarbeiter, der sich maschinentechnisch auf eine bestimmte Lösung eingestellt hat. Dazu kommt, dass die mit der Schweißtechnik, aber auch z. T. die beim Warmbiegen hergestellten Ecken rechtwinklig sind und mit ihrer Gehrungsoptik bei Fensterbauern und Endverbrauchern Gefallen finden. Zudem lassen sich die Rahmen durch die hohe Glasfaserverstärkung einfacher setzen, da sie steifer sind als Kunststoffprofile ohne Glasfaser.

Glaswelt – Sind noch große Sprünge beim Psi-Wert zu erwarten?

Meyer-Quel – Eine weitere Verbesserung der Psi-Werte kann ich momentan nicht sehen. Dafür müsste der gesamte Isolierglas-Randverbund grundlegend überdacht werden. Bei den High-Performance-Lösungen trägt nämlich der Sekundärdichtstoff schon mehr zu den Wärmeverlusten bei als das Abstandhalterprofil.

Glaswelt – Wie viel besser wird der UW-Wert eigentlich, wenn man High Performance Spacer einsetzt, wann genau lohnt sich das?

Meyer-Quel – Bei Fensterwerten UW unter 1,0 W/(m²K) bringen diese High-Performer in der zweiten Nachkommastelle optisch bessere Werte als etwa die Warme-Kante-Systeme aus der Low-Performance-Kategorie. So wie bei den Abstandhaltern (leider) die Psi-Wert-Olympiade gibt es bei Fenstern die UW-Wert-Olympiade. Das führt zur konkreten Forderung der Fenster- und Fassadenbauer nach High-Performance-Lösungen. Mit tatsächlich besseren Fenstern hat das nicht immer etwas zu tun.

Glaswelt – Können Sie das bitte anhand eines Beispiels näher erläutern?

Meyer-Quel – Eine Low-Performance-Warme Kante verbessert den UW-Wert eines Holz- oder Kunststofffensters gegenüber Aluminium-Abstandhaltern um 0,08 W/(m²K), Mid-performance-Systeme verbessern ihn um 0,1 W/(m²K) und High-Performance-Abstandhalter schaffen hierbei noch 2/100 mehr, d. h. 0,12 W/(m²K)*. D. h. es geht darum, für den UW-Wert beispielsweise 0,91 W/(m²K) oder 0,87 W/(m²K) angeben zu können. Sicher wird die Bedeutung dieses Unterschieds von 0,04 W/(m²K) überschätzt, aber für das Marketing ist das ein wertvoller Vorteil.

Glaswelt – Rechnen ist für viele Verarbeiter kompliziert, auf welche Hilfsmittel/Tabellen können Sie zurückgreifen?

Meyer-Quel – Nun, ich denke nicht, dass das Lösen einer einfachen algebraischen Gleichung einen Fensterbauer oder Glasermeister überfordert. Zudem werden jede Menge kleine Applets angeboten, mit denen sich der UW-Wert schnell ausrechnen und vergleichen lässt.

Die vom Bundesverband Flachglas herausgegebenen Datenblätter mit repräsentativen Psi-Werten für Fenster und für Fassadenprofile sind hinreichend genau und trotzdem nicht kompliziert in der Anwendung. Allerdings dürfen sie nicht pauschal verwendet werden, es gibt Randbedingungen, die zu beachten sind. In einigen Fällen, wie z. B. bei Fenstern mit freiliegendem Stufen-Isolierglas oder mit sehr niedrigen Uf-Werten, muss detailliert mit FEM-Software nach DIN EN ISO 10077-2 gerechnet werden.

Glaswelt – Wie zuverlässig sind die wärmetechnischen Angaben der BF-Datenblätter?

Meyer-Quel – Die BF-Datenblätter basieren auf der messtechnischen Ermittlung der sogenannten äquivalenten Wärmeleitfähigkeit eines Abstandhalterprofils eq,2B am ift Rosenheim. Mit diesem gemessenen Wert werden die Psi-Wert-Angaben auf den Datenblättern ermittelt.

Zur Überprüfung, ob die im Markt verkauften Abstandhalter noch mit denen übereinstimmen, mit denen die Werte einmal ermittelt wurden, hat der BF-Arbeitskreis „Warme Kante“ beschlossen, dass die eq,2B–Werte der Systeme periodisch durch Probennahme bei Verarbeitern überprüft werden. Diese Prüfungen starten im Frühjahr 2018.

Glaswelt – Wer treibt die Psi-Wert-Olympiade denn voran, die Techniker oder die Verkäufer?

Meyer-Quel – Beide sind verantwortlich. Von den Entwicklungsingenieuren werden stets neue Produkte mit verbesserten Werten erwartet. Und der Verkauf braucht Messgrößen für den Vergleich mit dem Wettbewerb und auch Argumente, die ein Endverbraucher verstehen kann. Dafür ist die Energieeinsparung bestens geeignet. Trotzdem wäre es wünschenswert, wenn die Branche nicht nur mit Dingen argumentiert, die sich in eine Zahl zwängen lassen. Es gibt auch andere wichtige Argumente für gute Produkte.

Die wärmetechnische Verbesserung eines Abstandhalters, d. h. der Psi-Wert, ist im täglichen Kampf um Marktanteile zwar das meist genutzte Argument, stellt jedoch nur eines von vielen Leistungskriterien dar, die ein gebrauchstaugliches Abstandhaltersystem über die ganze Lebensdauer der ISO-Einheit erfüllen muss.

Glaswelt – Wird die Warme Kante künftig verpflichtend in die Regelwerke aufgenommen?

Meyer-Quel – Nein, meines Erachtens nicht. Der Zwang zur Warmen Kante entsteht indirekt durch immer strengere Vorgaben zur Energieeinsparung. Die Fenster- und Fassadenbauer müssen für bessere UW- bzw. UCW-Werte jede technische Möglichkeit nutzen, die wirtschaftlich noch vertretbar ist. Da macht es keinen Sinn, das vergleichsweise kostengünstige Verbesserungspotenzial der Warmen Kante zu verschenken.—

Die Fragen stellte Matthias Rehberger.

Fußnoten

* Da diese UW-Wert-Differenz bei gleichem Fenster lediglich vom Unterschied der Psi-Werte, d. h. von g abhängt, bleibt sie bei gleicher Fenstergröße und Rahmenprofilbreite für die betrachteten Abstandhalter immer gleich, egal welche Werte für Uf und Ug gewählt werden.

Die Warme Kante

Die „Warme Kante“ bezeichnet den wärmetechnisch verbesserten Randverbund für Mehrscheiben-Isolierglas. Gegenüber Alu-Abstandhaltern reduzieren Warme-Kante-Abstandhalter die lineare Wärmebrücke im Übergangsbereich von Glas zu Fensterrahmen oder Fassadenprofil.

Die Autorin

Ingrid Meyer-Quel leitet ein Beratungsbüro für Warme Kante und Glas. Nach 17 Jahren als Produktmanagerin und Vertriebsverantwortliche für einen Hersteller von Warme-Kante-Profilen berät sie heute mit ihrem Fachwissen sowohl Hersteller als auch Anwender von Randverbund-Systemen und Isolierglas. Sie bietet Unterstützung bei Produktneuentwicklungen und mit Markt- und Wettbewerbsanalysen strategische Hilfestellung bei der richtigen Positionierung, begleitet Produktzulassungen und Markteinführungen. Weiter schult sie in Betrieben Mitarbeiterteams zu vielfältigen Themen rund um die Warme Kante. Weiter ist sie im BF-Arbeitskreis Warme Kante als Sprecherin aktiv und Referentin in der BF-Webinar-Reihe „Technik“.

www.warmekanteberater.de

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