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Martin Wieser von der Holzforschung Austria über den Stand elektronischer Sicherheit

Klare Regeln für zuverlässige Zutrittskontrolle

_ In den Fachmedien und in Werbeeinschaltungen werden elektromechanische Zutrittslösungen massiv beworben, bei etlichen Systemen kann der Zutritt mittels Smartphone und App organisiert werden. Auch in den Schauräumen der Türenhersteller finden sich diese Produkte. Dabei soll das von der mechanischen Einbruchhemmung definierte Sicherheitsniveau natürlich nicht beeinträchtigt werden.

Einbruchhemmung und Elektronik

Das einfachste und seit Jahrzehnten eingesetzte System in diesem Zusammenhang ist der „E-Öffner“. Dabei gibt eine Vorrichtung im Blendrahmen die Schlossfalle frei. Einige Mehrfachverriegelungen mit Fallenriegeln funktionieren nach einem ähnlichen Prinzip. Hier werden über einen Antrieb im Schloss die Fallenriegel zurückgezogen. Solche Lösungen können der Einbruchswiderstandklasse RC2 zugeordnet werden.

In den letzten Jahren sind bei einbruchhemmenden Türen Motorschlösser bzw. elektrische Ansteuerungen und Zutrittskontrollanlagen auf dem Vormarsch. Bei diesen Systemen werden entweder die Riegel und Fallen motorisch zurückgezogen oder der Drücker elektrisch eingekuppelt. Die Vorteile von elektromechanischen Zutrittslösungen sind vor allem:

  • Automatisches Verriegeln und Entriegeln
  • Einfache Vergabe und Entzug von Zutrittsberechtigungen
  • Einfaches Löschen beim Verlust des Mediums ohne Zylindertausch
  • Tageszeitsteuerung, Zonensteuerung, Anbindung an zentrale Gebäudesteuerung
  • Berechtigungsvergabe aus der Ferne
  • Biometrisches Merkmal als Schlüssel

In der ÖNORM B 5 338 (österreichische Norm für einbruchhemmende Fenster, Türen und Abschlüsse) und im Schweizer Vorwort zur SN EN 1627 sind klare Regeln festgelegt, nach welchen Normen diese Zutrittskontrollsysteme (z. B. mit Chipkarte, Funksender oder Schlüsselschalter) geprüft sein müssen und wo die sensiblen Freigabeeinheiten anzuordnen sind. So sollen auch diese Elemente zumindest die gleiche Sicherheit wie rein mechanisch versperrte Bauteile aufweisen. Eine Zutrittskontrolle ohne Sicherheitsmerkmale wäre wie eine einbruchhemmende Tür, in der der Schließzylinder fehlen würde.

Viele Türen mit mechatronischen Systemen konnten die mechanischen Einbruchsprüfungen gemäß ÖNORM EN 1630 und ÖNORM B 5338 erfolgreich abschließen. Nachholbedarf besteht bei den Ansteuerungen für diese Systeme. Hier sind z. B. Schlüsselschalter, Funkfernbedienungen und biometrische Fingerprint-Lesegeräte zu nennen, zudem kontaktlos arbeitende Lesegeräte und Beschläge. In diesem Bereich ist die Entwicklung weit vorangeschritten, es stehen mittlerweile etliche Lösungen und Produkte zur Verfügung. Um dem Sicherheitsbedürfnis bei Verwendung solcher Produkte Rechnung zu tragen, sollen die Anforderungen an die Einbruchhemmung in den relevanten europäischen Normen berücksichtigt werden. Hier laufen bereits entsprechende Vorbereitungen, ein Zeithorizont für die Fertigstellung ist nicht absehbar.

DACH-Richtlinie Elektromechanik

Bis zur Veröffentlichung der relevanten Normen wird erfahrungsgemäß noch einige Zeit vergehen. Um bereits jetzt zertifizierte einbruchhemmende Elemente mit mechatronischen Komponenten – die über den Umfang der ÖNORM B 5338 und SN EN 1627 hinausgehen – anbieten zu können, wurde von Experten aus Österreich, Deutschland und der Schweiz die „DACH-Richtlinie Elektromechanik an einbruchhemmenden Elementen“ erarbeitet. Diese kann von Zertifizierungsstellen als Grundlage auf freiwilliger Basis für die Konformitätsfeststellung gemäß DIN EN 1627 herangezogen werden.

Neben Schlössern (EN 12209), Schutzbeschlägen (EN 1906) und Schließzylindern (EN 1303) sollen auch elektromechanische Schlösser (EN 14846), mechatronische Beschläge (prEN 16867) und mechatronische Schließzylinder (EN 15684) verwendet werden können. Erstmals abgedeckt sind nun auch die Anforderungen an kontaktlose Zutrittskontrollen mit RFID-Technik (z. B. RFID-Wandlesegerät).

Mechatronische Türbeschläge für einbruchhemmende Türen sind ähnlich wie ein herkömmlicher Schutzbeschlag aufgebaut und enthalten zusätzlich elektronische Bauteile zur Berechtigungsabfrage (z. B. Codetastatur, RFID Lesegerät). Je nach Ausführung wird bei erfolgter Freigabe entweder ein Motorschloss angesteuert oder es wird der Drückerstift eingekuppelt (für automatisch verriegelte oder drückerbediente Schlösser). Bei dieser Variante ist im Zuge der manuellen Prüfung nachzuweisen, dass der Vierkant gegen Manipulationen geschützt ist.

Eine weitere Art der Berechtigungsabfrage sind RFID-basierte Systeme. RFID (englisch für radio-frequency identification – „Identifizierung mithilfe elektromagnetischer Wellen“) bezeichnet eine Technologie für Sender-Empfänger-Systeme zum automatischen und berührungslosen Identifizieren und Lokalisieren von Objekten mit Radiowellen. Ein RFID-System besteht aus einem Transponder, der sich am oder im Gegenstand befindet und einen kennzeichnenden Code enthält, sowie einem Lesegerät zum Auslesen dieser Kennung.

Der Transponder kann sich in einer Karte, einem Button oder auch direkt in der Reide eines mechanischen Schlüssels befinden. Bei einigen Ausführungen können auch andere, auf RFID-Basis arbeitende Systeme (z. B. Autoschlüssel) eingespeichert werden. Für sicherheitsrelevante Anwendungen kommen Systeme mit einigen Zentimetern Reichweite infrage. Es sind ausschließlich passive Transponder zulässig. Je nach Widerstandsklasse gibt es unterschiedliche Niveaus bezüglich der Verschlüsselung und des Kopierschutzes. Für solche Systeme gibt es Normen sowohl auf europäischer als auch auf internationaler Basis, die die Verschlüsselung und Sicherheit regeln.

Auch die RFID-Lesegeräte müssen gegen Angriffe geschützt werden. Ein direkter Zugriff zum Schaltkreis der elektrischen Verriegelung von der Angriffsseite her darf nicht möglich sein. Die Entscheidung über die Berechtigung des Zutrittes darf nicht in Anlageteilen getroffen werden, die dem Angreifer zugänglich sind. Das Gehäuse muss eine sichere Alarmüberwachung gegen Manipulation bzw. unerlaubte Öffnung (z. B. durch eine Fotozelle) aufweisen. Das Alarmsignal blockiert über die Steuerung des Bauteiles die Entriegelung für die Zeit X (z. B. die doppelte Widerstandszeit, mindestens jedoch 15 min). Diese Blockade kann von einer geschützten Stelle aus jederzeit abgebrochen werden. Weiterhin muss die Verbindungsleitung geschützt werden oder mit einer Detektion ausgestattet sein. Idealerweise kommunizieren die Zutrittskontrolle und das Verriegelungssystem mit verschlüsselten Signalen, wodurch die Verbindungskabel nicht aufwendig geschützt werden müssen. Solche Systeme sind offline zu betreiben. Sie haben keine Anbindung an das Internet.

Ein weiteres Kommunikationssystem ist NFC (near field communication). Solche Systeme sind von Supermarktkassen bekannt, wo man bargeldlos mittels Karte oder Smartphone bezahlen kann. Dieses System ist sehr komplex und arbeitet sowohl passiv als auch mit aktiver Kommunikation. Fast immer sind diese Systeme mit dem Internet verbunden oder speichern die Zutrittsdaten verschlüsselt in der Cloud. Mangels veröffentlichter Normen für Verschlüsselung und Sicherheit sind diese Systeme zum jetzigen Zeitpunkt aus dem Anwendungsbereich der DACH-Richtline ausgenommen.

Ausblick

Ab diesem Jahr können einbruchhemmende Türen mit erweiterten mechatronischen Systemen geprüft und durch die beteiligten Institute (z. B. Holzforschung Austria) gemäß Zertifizierungsprogramm DIN EN 1627 zertifiziert werden. Somit können die Hersteller einbruchhemmender Türen die normative Entwicklung vorwegnehmen und bereits jetzt mit zertifizierten Elementen am Markt auftreten. —

Tipp: Einbruchhemmung (inkl. mechatronischer Zutrittskontrollen) ist auch wieder ein Thema beim Basisseminar Multifunktionstüren der Holzforschung Austria am 11.09.2018 in Ansfelden/Oberösterreich. Das Basisseminar bietet aktuelles Grundlagenwissen, sowie Do‘s und Dont‘s anhand von vielen Praxisbeispielen (www.holzforschung.at).

Dipl.-Ingenieur Martin Wieser