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Interview mit Christoph Baier von Vetrotech Saint-Gobain

Damit auch wirklich jeder sicher nach draußen kommt

Glaswelt – Herr Baier, welche Gläser kommen in Türen, die in Flucht- und Rettungswegen mit Einbruchhemmung verbaut sind, zum Einsatz?

Christoph Baier – Wirksamen Schutz bieten Verbund-Sicherheitsgläser. Die Vorgaben für das Glas sind in der Europäischen Norm EN 356 definiert, die angibt, wie diese Gläser geprüft werden müssen: Gläser der durchwurfhemmenden Klassen P1A bis P5A werden dabei durch einen Kugelfallversuch geprüft, während Gläser der durchbruchhemmenden Klassen P6B bis P8B einer maschinellen Axtprüfung unterzogen werden.

Glaswelt – Und wie werden dann die Widerstandsklassen definiert?

Baier – Diese RC-Klassen – abgeleitet vom englischen Begriff Resistance Class – sind das Ergebnis der Europäischen Norm EN 1627, die die einbruchhemmenden Eigenschaften von Türen und Fenstern definiert. In den Klassen RC1 bis RC6 ist festgelegt, mit welchen Werkzeugen ein potenzieller Einbrecher, in diesem Fall dann der Prüfer, wie lange benötigt, um sich über das entsprechende Bauteil Zugang zum Gebäude zu verschaffen. Die Krux dabei: Die Norm EN 1627 beschreibt zwar den Angriff auf die Konstruktion und die zugehörigen Bauteile, jedoch nicht den direkten Angriff auf das Glas. Die Folgenormen 1628-statische Belastung, 1629-dynamische Belastung und 1630-manuelle Prüfung ergänzen diesbezüglich die EN1627. In der Norm 1630 wird der manuelle Angriff auf das Glas vorgegeben. Dabei sind die einzelnen Werkzeugsätze – A1 bis A6 – so zu verwenden, wie in der Norm beschrieben. Auch die Angriffszeiten sind dort festgelegt.

Glaswelt – Gelten für Türen mit Anti-Panikfunktion besondere Anforderungen?

Baier – Genau. Für Türen mit Anti-Panikfunktion und für die Klassen RC5 und RC6, bei denen auch das Glas angegriffen wird, gelten Ausnahmen von dieser Vorgehensweise. Bei diesen Klassen wird das Glas direkt manuell angegriffen. Hier kommt oftmals ein Verbund-Sicherheitsglas mit einem widerstandsfähigen Polycarbonat-Kern zum Einsatz – wie in den Produkten der POLYGARD-Serie, die Vetrotech Saint-Gobain entwickelt hat. Reine Verbundglasaufbauten mit PVB-Folien sind für Anwendungen bei Anti-Paniktüren schlichtweg zu dick.

Glaswelt – Wie sieht dies in der baulichen Umsetzung genau aus?

Baier – Anti-Paniktüren in öffentlichen Gebäuden sind sehr oft mit Panikbeschlägen nach der Norm EN 1125 ausgestattet – also mit einer durchgehend verbauten horizontalen Betätigungsstange. In Paniksituationen gewährleistet diese Konstruktion flüchtenden Personen das Öffnen der Tür in Fluchtrichtung, unabhängig davon, ob das Türschloss verriegelt wurde oder nicht. Und hier liegt auch die Schwachstelle: Bei Anti-Paniktüren genügt es nicht, Sicherheitsgläser nach DIN EN 356 einzusetzen.

Es ist sehr schnell möglich, eine kleine Öffnung in das Glas zu schlagen, um mit einem Werkzeug oder der Hand durchzugreifen und die Stange auf der Innenseite der Tür zu betätigen. Mit dem Ergebnis, dass sich die Tür öffnet und die Widerstandsklasse nicht erreicht wird. Daher hat es sich bewährt, in Anti-Paniktüren Sicherheitsgläser aus Glas und Polycarbonat einzusetzen. Auch die EN 1627 empfiehlt hierfür den Einsatz von Polycabonat im Verbund mit Glas. Vetrotech Saint-Gobain bietet dazu mit der Polygard Attack-Serie geprüfte Produkte für die Widerstandsklassen RC2 bis RC4. Hier wurde zum Beispiel das Produkt Polygard Attack AP 8 entwickelt, das den Glasangriff in der Widerstandsklasse RC2 Antipanik erfüllt.

Glaswelt – Können Sie dazu vielleicht noch ein Beispiel nennen?

Baier – Es gab den Fall eines öffentlichen Gebäudes, das mit Anti-Panik-Türanlagen mit einem Griff bzw. einer Stange ausgestattet werden sollte. In den Ausschreibungsunterlagen versteckte sich der Hinweis auf die Anti-Panikfunktion in einem kurzen Satz, der leicht übersehen wird. Überwiegend war in der Ausschreibung von RC2 die Rede.

Ein Angebot mit einem P4A-Glasaufbau reicht hier in keinem Fall aus, es muss zwingend auf ein Produkt mit Polycarbonat hingewiesen werden, um die Anti-Panikfunktion zu erreichen und eine mangelfreie Abnahme zu gewährleisten.

Glaswelt – Und was bieten Sie für die Anforderungen der RC5-Klasse an?

Baier – Auch für RC5 hat Vetrotech Saint-Gobain (www.vetrotech.com) eine Reihe an geprüften Produkten im Portfolio. Bei dieser Klassifizierung wird das gesamte System – also Rahmen und Glas – angegriffen. Bei diesen Prüfungen kommen sogar Elektrowerkzeuge wie Bohrmaschine, Flex und selbst eine Tigersäge zum Einsatz, um innerhalb einer Angriffszeit von 20 Minuten eine Öffnung von 400 × 250 mm herzustellen. Gläser, die lediglich nach der EN 356 geprüft wurden, halten diesem Angriff keinesfalls stand. Dies wird in der praktischen Umsetzung oftmals vergessen. —

Die Fragen stellte Matthias Rehberger.

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