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Interview mit Ralf Linden

“Wir haben etwas gegen Feuer“

Glaswelt – Bemerkt Vetrotech, dass das Thema Isolier- und Sicherheitsglas in der Fassade stärker nachgefragt wird?

Ralf Linden –  Isoliergläser in Verbindung mit erhöhten Sicherheitsfunktionen sind uns allen seit vielen Jahren vertraut. Die technischen Regeln für verschiedene Einsatzbereiche von Glasprodukten, wie die Richtlinien für den Einsatz in Überkopf-, Vertikal-, Horizontal-, punktgehaltenen und absturzsichernden Verglasungen, sind hinlänglich bekannt und wurden in den verschiedenen Teilen der DIN 18008 1-5 zusammengezogen.

Der Einsatz von bruchhemmenden Gläsern im Sinne der Gemeindeunfallversicherungsverbände, kurz GUVV, ist in Deutschland selbstverständlich und wird in allen relevanten Anwendungen und Objekten im Gesundheitswesen, Schulen, Kindergärten, Bahnhöfen, Flughäfen, Hotels und öffentlichen Gebäuden umgesetzt. Darüber hinaus stellen wir in den letzten Jahren eine erhöhte Nachfrage bei den Themen Schutz vor Vandalismus und Einbruchsicherheit fest. Dies betrifft vor allem die Gebäude in Außenbereichen und damit Bauteile wie Türen, Fenster und Fassaden. In der Planungsphase bemerken wir je nach Objekt außerdem immer öfter auch Nachfragen nach nachgewiesenen sprengwirkungshemmenden oder durchschusshemmenden Lösungen.

Glaswelt – Welche Produkte bzw. Systeme werden angefragt? Welche Tendenz gibt es?

Linden – Bei den in Deutschland und anderen europäischen Ländern vor dem Hintergrund des Bauproduktegesetzes bzw. der CPR festgelegten Bedingungen mit insgesamt sieben Grundsatzanforderungen – den sogenannten „essential requirements“ – sind zur Erfüllung der gesetzlichen Anforderungen im Rahmen der Vorschriften zur CE-Kennzeichnung von Fassaden und Türen in der Regel kaum noch „Bastellösungen“ möglich.

Das bedeutet, der Einsatz kompletter und ganzheitlich geprüfter Systeme ist gefragt: Es betrifft damit mehr und mehr auch die international operierenden Systemhäuser für Profile. Dies ist ein Trend, den wir beim transparenten Brandschutz seit Längerem beobachten. Kleinere, spezialisierte Firmen haben es durch den höheren Prüf- und Nachweisaufwand sicher nicht leichter und so waren einige „Pioniere“ im Brandschutz zum Umdenken oder ein Teil sogar zur Aufgabe der Aktivitäten gezwungen. Die Kunden, also die verarbeitenden Fachbetriebe, greifen somit verstärkt auf geprüfte Systemlösungen zurück. Es gibt aber auch einige Spezialisten, die die Nische der Hochsicherheitsverglasungen mit hochwertigen, eigenen Sonderlösungen abdecken und dort bis heute erheblich in entsprechende Nachweise investiert haben und weiter investieren.

Glaswelt – Gibt es verstärkt Anfragen von den großen Systemhäusern nach Brandschutzprüfungen am IFTS Prüfinstitut in Herzogenrath?

Linden – Das in Herzogenrath bei Aachen beheimatete akkreditierte IFTS Prüfinstitut erfreut sich großer Beliebtheit bei unseren Kunden und Partnern. Dort sind wir in der Lage, über das Brandschutz-Sicherheitsglasprodukt hinaus ein hohes Servicelevel bei der Systementwicklung zu bieten. Brandprüfungen können in Abstimmung und bei Hinzuziehung eines neutralen, unabhängigen Prüfinstituts zu offiziellen und international anerkannten Prüfberichten führen. Die Partner sparen so Zeit und Kosten und können sicher sein, dass anders als in den sonstigen Prüfinstituten und Materialprüfanstalten keine Marktbegleiter zugegen sind und eventuell eigenes Know-how verloren geht oder gar Informationen über geplante Produkteinführungen frühzeitig in den Markt „sickern“. Von daher: Ja, es gibt großes Interesse und eine erfreulich hohe Nachfrage nach Prüfterminen.

Glaswelt – Wo sehen Sie Brandschutzverglasungen als besonders sinnvoll an?

Linden – Brandschutzverglasungen sind vor allen Dingen in Gebäudeinnenbereichen im Rahmen des passiven baulichen Brandschutzes zu finden, d. h. überwiegend in nicht tragenden inneren Wänden, die meist F30/EI30 oder F90/EI90 klassifiziert sind. Diese Wände begrenzen bzw. bilden definierte Brandabschnitte. Die Anforderungen werden in den Landesbauordnungen und in Richtlinien für Sonderbauten wie Krankenhäusern, Schulen, Kindergärten etc. festgelegt. Das häufigste Einsatzgebiet für unsere Brandschutz-Sicherheitsgläser dürften aber bewegliche Brandschutztüren, sogenannte Feuerschutzabschlüsse sein. Diese erlauben als ein- und zweiflüglige, großflächig verglaste Elemente mit Seitenteilen und Oberlichtern eine offene (Glas-)Architektur. Grundsätzlich ermöglichen solche feuerhemmenden, hochfeuerhemmenden oder feuerbeständigen Bauteile, dass viel natürliches Licht ins Gebäudeinnere einfallen kann und dennoch der Schutz von Personen und Sachwerten im Brandfall sichergestellt ist.

Glaswelt – Stichwort Normen/Richtlinien: Was hat sich in den letzten zehn Jahren verändert und wie schätzen Sie die künftige Entwicklung ein?

Linden – Wir haben aufgrund des EuGH-Urteils aus 2016 im Verfahren gegen die Bundesrepublik Deutschland erlebt, dass EU-Recht, d.h. das Bauproduktegesetz bzw. die Construction Product Regulation, kurz CPR, auch bei uns korrekt und ohne nationale Zusatzanforderungen auf Bauprodukte anzuwenden ist.

Wir haben zudem die Novellierung der Musterbauordnung und das Verschwinden der Bauregelliste mit den in Deutschland bis dato für Bauprodukte erforderlichen Ü-Kennzeichnungen erlebt. Ein umfangreiches 300 Seiten Dokument, die Musterverwaltungsvorschrift Technische Baubestimmungen – kurz MVVTB – , wurde völlig neu erarbeitet und ist seit 2017 veröffentlicht.

Mit den Orientierungen auf anwendungsbezogene anstatt auf bauproduktbezogene nationale Regelungen haben die Verantwortlichen einen sehr eleganten und pragmatischen Weg gefunden, europäisches Recht und deutsche Schutzanforderungen und -erfahrungen, die sich nicht alle vollständig in den europäischen Regelungen finden lassen, miteinander zu vereinbaren.

Glaswelt – Wie sieht es mit der bewährten allgemeinen bauaufsichtlichen Zulassung aus?

Linden –Die allgemeine bauaufsichtliche Zulassungen ist passé, damit wird sich die Branche abfinden müssen. Wir müssen uns an neue Begriffe wie die „Allgemeine Bauartgenehmigung“ gewöhnen, bzw. dass eine „Zustimmung im Einzelfall“ künftig „Vorhaben bezogene Bauartgenehmigung“ heißen wird. Die CE-Markierung ist für harmonisierte Bauprodukte wie Fassaden und Außentüren auch mit Brandschutzeigenschaften bereits eingeführt.

Voraussichtlich im Februar 2019 wird die Veröffentlichung der Produktnorm für Innentüren mit Brandschutzeigenschaften, die prEN 14351-2, mit einer vermutlich dreijährigen Koexistenz-Periode erwartet. All das wird wohl zu weiteren Veränderungen im Sinne der CPR führen, d. h. zu einem vereinfachten Warenaustausch für Brandschutz- und Sicherheitsbauelemente in Europa. Allgemeine Bauartgenehmigungen für Brandschutzverglasungen werden bis auf Weiteres vermutlich mangels Produktnorm erhalten bleiben.

Glaswelt – Der Trend geht zu schlankeren Fassaden-Profilen: Was bedeutet das für die zugehörigen Brandschutzgläser?

Linden – Das bedeutet, dass man sich solchen Trends anpassen muss, da sonst die Gefahr besteht, irgendwann vielleicht nicht mehr wettbewerbsfähig zu sein. Ob der Trend zu schlankeren Profilen aber auch im Brandschutz weitergehen kann, wird sich zeigen. Wir sehen, dass es immer schwieriger wird, die „Physik zu überlisten“ und dass das Zusammenspiel von Glas und Konstruktion an technische Grenzen zu stoßen scheint.

Hinzu kommt der Aspekt der Glastoleranzen bei heutiger Fertigungstechnik, die auch bei Nicht-Brandschutzanwendungen mit den herkömmlichen Technologien schwerer zu beherrschen sind und vielleicht ein völlig neues technologisches Konzept erfordern. Bei Vetrotech wurde aber schon immer gern „out-of-the-box“ gedacht und unsere breite Produktpalette hat uns oft geholfen, besondere Projekte und Lösungen zu finden, die die Marktbegleiter offensichtlich nicht realisieren konnten. Ich denke, wir sind für die aktuellen Trends in der Architektur gut gerüstet und in der Lage, mit der Unterstützung der starken Saint-Gobain-Entwicklungskompetenzen unsere Produkte stetig markt- und trendorientiert weiter zu entwickeln.

Glaswelt – Welche Rolle spielt bei Brandschutzglas das Design?

Linden – Sie meinen ästhetische, dekorative Sonderlösungen, die sich mit unseren Brandschutz- und Hoch-Sicherheitsgläsern realisieren lassen? Die Contraflam-Produktfamilie zeichnet sich durch ihre umfassenden Multifunktionsmöglichkeiten aus. Das heißt: Die auch brandschutztechnisch nachgewiesenen Kombinationen mit anderen Saint-Gobain Glass-Produkten oder ggf. auch mit Fremdprodukten sind ohne Weiteres möglich. Dies ist ein wichtiger Vorteil und wir haben sehr schöne und auch spektakuläre Projekte realisiert. Ein schönes Beispiel dafür ist z. B. die Fakultät für Physik der Universität Rostock, bei der Fotos bekannter Physiker mittels Digitaldruck mit unserem Brandschutzglas zu Contraflam Picture kombiniert wurden.

Glaswelt – Beschreiben Sie bitte kurz, wie ein Brandschutzglas funktioniert?

Linden – Brandschutzverglasungen zeichnen sich eben dadurch aus, selbst bei integrierten VSG-Gläsern, dass auf der vom Brand abgekehrten Seite, der sogenannten Schutzseite, die Verglasung immer intakt bleibt. Der Raumabschluss und der Schutz vor Wärmestrahlung, Temperaturerhöhung und Brandübertragung bleiben bei fachgerechter Ausführung also vollständig erhalten.

Glaswelt – Welche weiteren Spezialgläser bieten Sie noch an?

Linden – Neben den bekannten Brandschutzgläsern wie Contraflam und Pyroswiss und den Hochsicherheitsgläsern Vetrogard und Polygard bieten wir mit Thermovit und Thermovit Elegance transparente, beheizbare Gläser an. Dazu kommen Produkte, die die Flugsicherheit erhöhen, indem sie helfen, Radardoppelbilder zu vermeiden. Dazu zählen Contraradar und Contraradar EMS, das elektromagnetische Strahlung abschirmt und so hilft, ein mögliches Ausspionieren von Computerdaten zu vermeiden.—

Die Fragen stellte Matthias Rehberger.

Vetrotech auf der BAU 2019:

Der Spezialglasanbieter präsentiert in München Contraflam Structure 30 Vetrogard RC2/RC4, die erste flächenbündige Brandschutzglaslösung für Innentrennwände mit integriertem Einbruchschutz. Als symmetrische Ganzglaslösung bietet das patentierte Produkt maximale Transparenz sowie Schutz vor Feuer und Einbruch.

Dank der Kombination aus 30 Minuten Feuerbeständigkeit und Durchbruchhemmung in den erfolgreich geprüften Klassen RC2 bis RC4 sorgt es für ein Höchstmaß an Sicherheit und sehr gute Schallschutzwerte.

Das Produkt eignet sich besonders für Innentrennwände und für halboffene Außenanwendungen, z. B. in Einkaufszentren und Läden. Das Spezialglas kombiniert Brand- und Einbruchschutz mit Schallschutzeigenschaften. Zudem kann es aus Diamant-Glas mit hoher Transparenz und sehr schwacher Eigenfarbe gefertigt werden. Für Designanforderungen lässt sich Contraflam Structure 30 Vetrogard RC2/RC4 mit Siebdruck veredeln.

www.vetrotech.com

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