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Gläser für Intelligente Fassaden, Teil 2

Die Smart Glas Trends bis 2050

_ Die Fassade im Jahr 2050 wird eine anpassbare Gebäudehülle sein, die energetisch autark ist und aktive und passive Funktionen für den Innen- und Außenbereich umfasst.

Die Fassade der Zukunft hat ein mehrschichtiges Design, ist multifunktional, intelligent und steuert sich selbstlernend. Sie erzeugt, speichert und verteilt Energie, hat natürliche Belüftungssysteme und ist hocheffizient in Bezug auf Energieverbrauch und Ressourcennutzung. Damit ist sie auch nachhaltig.

Ein weiterer wichtiger Faktor für künftige Fassadenkonstruktionen sind die steigenden Tageslichtanforderungen gemäß neuester Forschungsergebnisse (siehe www.initiative-tageslicht.de). Aktuell sind hierzu bereits neue Normen in der Diskussion.

Die Nutzung von Sonnen- und Tageslicht (48 % der Sonnenenergie) wird wichtiger. Dabei gilt es, eine minimale Aufheizung im Sommer und gleichzeitig eine höhere Helligkeit und bessere Raumausleuchtung durch Lichtlenkung zu gewährleisten. Blendung ist selektiv zu vermeiden. Die Berücksichtigung der biologisch wirksamen Lichtversorgung, u. a. des Schlaf-Wach-Rhythmus, der Hormonsteuerung, der Vitamin-D-Bildung usw. ist dabei wichtige Zusatzaufgabe, ebenso die Senkung der elektrischen Beleuchtungsenergie (entspricht 19 % des weltweiten Stromverbrauchs).

Erschwerend ist, dass Jahres- und Tageszeit und die Nutzergewohnheiten stark veränderliche Anforderungen stellen. Letztere werden mangels Erfassung viel zu wenig berücksichtigt.

Smarte Lösungen erfordern partizipative Zusammenarbeit und Forschung. Bisher gab es keine ganzheitliche Herangehensweise in der gewerkeorientierten Bauindustrie. Deshalb wurden weitgehend Einzelkomponenten entwickelt, die in der Summe kein Optimum erzielen. Zudem fehlte es an geeigneten Steuerungssystemen, die die Nutzerbedürfnisse und Umgebungsbedingungen erfassten und berücksichtigen.

Das müssen Gläser in Zukunft leisten

Künftige Gläser werden ein Gesamtoptimum herbeiführen in Abhängigkeit von Standort, Größe und Ausrichtung, von Jahres- und Tageszeit sowie Wetter und Verwendungsweise und -zweck. Der Nutzerkomfort und die Gesundheit werden künftig selbstlernend erfass- und steuerbar.

Die beste Lösung ist ein transparentes Bauteil, dessen Eigenschaften variabel anpassbar sind: für jedes Klima, für verschiedene Nutzer und für verschiedenste Bauformen und -orientierungen. Das Optimum stellen sensor-gesteuerte und responsive sowie selbstlernende Gläser dar.

Der konkrete Entwicklungsbedarf aktiver Systeme umfasst u. a. die Senkung der Produktkosten durch Technologie- und Materialentwicklung, den Einsatz von Dünngläsern, die Fertigung größerer Formate, die neutrale Ansicht bzw. verschiedene Farben, die Verbesserung des Selektivitätsindex TL/TE und erhöhten Sonnenschutz (g-Wert). Systeme für verschiedene Klimazonen und Anwendungen sowie ein neues Konzept der Steuerung und Kommunikation, nicht nur die Integration in Gebäudesteuerungen, werden benötigt, vor allem auch die Erfassung des Nutzerkomforts.

Wir dürfen nicht vergessen: Der Hauptzweck eines Gebäudes liegt darin, dass Menschen sich darin wohlfühlen, und nicht, dass es energieeffizient ist. Die Möglichkeiten der Nutzer einzuschränken ist kein geeigneter Weg, auch nicht für die Marktgewinnung. „Weiß“ das Gebäude, wie die Menschen es nutzen und welche Vorlieben sie im Hinblick auf das Raumklima haben, kann es darauf reagieren. Es gilt also, durch geeignete Erfassungssysteme und nicht überbordende Gebäudeautomation den Komfort zu steigern und trotzdem Energie zu sparen. Dabei sind Blendschutz und Tageslichtnutzung wesentliche Bestandteile des Wohlfühlens.

Das müssen Fassaden in Zukunft leisten

Bisher waren allein die bauphysikalischen Anforderungen schwer aufeinander abstimmbar. Der kompliziertere Aspekt ist aber der Nutzer. Entscheidend ist nicht die Produktleistung als solche, sondern es sind vor allem die einfachen Steuerungssysteme (am besten adaptiv und selbstlernend), die im Kontext aller bauphysikalischen Anforderungen in Gebäuden die veränderlichen Anforderungen der Nutzer erfassen und wenig Regelbedarf haben.

Im Zentrum der Forschung stehen anpassungsfähige Systeme, die mit ihren Nutzern und ihrer Umwelt gezielt interagieren. Die Bauten von morgen werden sich durch ihre interaktiven Räume und anpassungsfähigen Hüllen erheblich von den heutigen starren und passiven Bauweisen unterscheiden.

Dabei müssen aktive Systeme deutlich kostengünstiger werden sowie eine hohe gestalterische Freiheit und Integrationsfähigkeit aufweisen.

Für EC-Gläser war dies bislang nur teilweise möglich und deshalb ein Wachstum im Markt begrenzt. Die heute neu im Markt erhältlichen flüssigkristall-basierten Systeme bieten neue Chancen, da sie keine prinzipiellen technischen Einschränkungen bezüglich Farbe, Größe und Design aufweisen. Wichtigste Aufgabe hierbei ist eine deutliche Reduktion der Herstellkosten.

Die Entwicklung ist in einer spannenden Phase, da erstmals verbesserte Systeme und neue Technologien zum Einsatz kommen und die Chancen, einen Marktanteil am Gesamtweltmarkt von bis zu 10 % zu gewinnen, in den nächsten Jahren besteht. Grund genug, sich mit dem Thema ausführlich zu beschäftigen und seine Produktpalette und Investitionen danach auszurichten. Anwendungen sind nicht nur im Bereich Bau, sondern auch für Bahnen, Automobile, Flugzeuge, Kreuzfahrtschiffe sowie Kühlgeräte interessant.

Ökonomische Bedeutung

Voraussetzungen für eine intensive Marktdurchdringung sind: Alle wichtigen Anwendungen von heutigen Isolierglas-Lösungen sind möglich und nahezu jede benötigte Variabilität hinsichtlich Licht- und Energietransmission, Blendschutz, Raumausleuchtung und Licht-Komfort ist darstellbar. Preise sollten annähernd vergleichbar mit heutigen Kombi-Lösungen – d. h. ISG plus Außenbeschattung/externer Sonnenschutz plus Mehrnutzen sein.

Der Kunde kauft kein Produkt, er kauft eine Lösung für seine Probleme/Bedürfnisse, er kauft Vorteile für die Nutzung, spart Energiekosten und trägt zum Umweltschutz bei. Es ist keine Frage, dass smarte Gläser das komplette Feld der statischen Verglasungen ablösen können. Dies ist der Fall, wenn sie einerseits generell anwendbar sind und eine Vielfalt von architektonischen Lösungen erlauben sowie andererseits einen attraktiven Preis haben.

Wie sieht die Preissituation aus?

Internationale Studien zeigen, dass bei einem Preisniveau von 300 €/m² ein erster massiver Marktdurchbruch möglich ist. Bei 200 €/m² ist ein Einsatz auch im Privatbereich in weitem Rahmen denkbar. Die Mehrkosten werden durch den Beitrag an Komfort und Energieeinsparung gerechtfertigt. Bei klar erkennbaren Vorteilen im Nutzerkomfort sind so höhere Preise denkbar.

Da adaptive Systeme im Glasaufbau eher dazu beitragen erneut mehr Material und Gewicht einzubringen, ist nur mit Hilfe von vorgespannten Vakuum- und auch Dünngläsern, die extrem schlank und leicht sind und bessere U-Werte bei höherem Schallschutz ermöglichen, eine Produktkombination vorstellbar, die wesentlich leichtere und schlankere Rahmenkonstruktionen zulässt. Hier darf auf Forschungsprojekte, zuletzt FIVA, der HFA mit der Universität Wien im Bereich Architektur im Rahmen der Stadt der Zukunft hingewiesen werden, bei dem der Autor als Spezialist für Vakuum-Glas mitwirkt. https://nachhaltigwirtschaften.at/de/sdz/projekte/fiva.php

Weltweit liegt der Jahresbedarf Isolierglas deutlich über 1 Mrd. m². Bei einem Verkaufspreis von angenommenen 200 €/m² würden 10 % des Marktes, 20 Mrd. € Umsatz, für die Glashersteller bedeuten. Neue schlanke aktive Fenstersysteme mit alternativen Öffnungsarten mit den notwendigen, selbstlernenden, intelligenten Steuerungssystemen stellen das derzeit größte Marktpotenzial für die Branche dar. Es gilt, Projekte zur Ermittlung der Gebrauchstauglichkeit verstärkt gemeinsam anzugehen. Die Glas-Fenster-Fassaden-Branche muss vertikal und horizontal zusammenarbeiten.

Ein passender Weg für die Branche

Wenn man berücksichtigt, dass weltweit die Menschen in Mega-Citys umsiedeln, die globale Klimaerwärmung mehr Kühlung erfordert und die Bevölkerung ständig wächst, besonders in warmen Klimazonen, ist das energetische Einsparungspotenzial hoch und sollte die Regierungen dazu ermuntern, mehr für die Forschung und Entwicklung adaptiver Fassaden und der zugehörigen smarten Gläser in schlanken Fenstern zu investieren. —

Der Autor

Dr. Helmut Hohenstein ist Internationaler Berater für Geschäftsentwicklungen, innovative Technologien und energieeffiziente, nachhaltige Gebäudesysteme mit Schwerpunkt auf transparenten Gebäudehüllen.

helmut.hohenstein@hohenstein.biz

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