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BauPV exklusiv: Feindlich für den Mittelstand!

GLASWELT : Wie setzen Sie als Gruppe die neue Bauproduktenverordnung um?
Dr. Klaus Huntebrinker : Im Hinblick auf die Umsetzung steht die Bauproduktenverordnung in einer konsequenten Reihe mit der bisherigen Bauproduktenrichtlinie und der Einführung der harmonisierten europäischen Produktnormen. Fortgesetzt werden dabei Fehlentwicklungen, die gar nicht ausbleiben können, wenn Gesetze zu weit entfernt von Produkten und Märkten entworfen werden. Umständliche Worthülsen ersetzen verständliche Inhalte. Nach dem Motto „Hoch lebe der Vorgang“ wird das Ableisten von Ritualen mit Bewusstsein für Qualität verwechselt. Dabei sind Rituale in Verbindung mit der ernst zu nehmenden Androhung von Sanktionen in Form der neuen Marktüberwachung ein Szenario, mit dem allenfalls so etwas wie ein formaler Gehorsam erzeugt wird. Die Mitgliedsunternehmen der Isolar Gruppe werden diesen Gehorsam leisten und ihren Kunden die geforderten Leistungserklärungen zur Verfügung stellen. Dennoch: Unsere Betriebe werden ihren Kunden als Partner zur Seite stehen, sie bei der Umsetzung der Anforderungen unterstützen und somit den gemeinsamen Marktauftritt verstärken.

GLASWELT : Bedeutet dies für Sie einen hohen Aufwand?
Huntebrinker : Die Frage nach dem Aufwand steht immer im Zusammenhang mit der Frage nach neuem Nutzen für den Kunden und erzielbarem Ertrag. Weder das Eine noch das Andere sind bei den Glasprodukten für Hersteller und Verarbeiter durch die neue Bauproduktenverordnung erkennbar. Deshalb ist hier jeder Aufwand nicht nur hoch sondern zu hoch.

GLASWELT : Was kommt jetzt auf den „kleinen“ Glasverarbeiter sowie auf Glashändler zu?
Huntebrinker : Was da unter dem Mäntelchen eines besseren Verbraucherschutzes als neue Bauproduktenverordnung daherkommt, ist vor allem zutiefst feindlich für kleine und mittlere Glasverarbeiter. Sie trifft besonders, wenn sie wieder mehr Energie für die Bewältigung bürokratischer Anforderungen aufbringen müssen. Software-Lösungen sind für sie im Verhältnis ungleich kostspieliger als für größere Unternehmen. Flexibles, marktgerechtes Einkaufsverhalten wird für sie mit Hilfe der Bauproduktenverordnung erschwert und nicht erleichtert. Der Druck auf Glashändler wird mit der neuen Bauproduktenverordnung weiter zunehmen. Das System der Leistungserklärungen stellt sie noch dringender vor die Wahl, ihre Quellen offen zu legen. Da fragt der Kunde dann doch lieber gleich beim Hersteller an.
 

GLASWELT : Wo sehen Sie weitere Schwächen?
Dr. Klaus Huntebrinker : Viel zu wenig thematisiert wird die „Auslese“ bei den Prüfstellen, die durch die BauPV ausgelöst wird. Gerade für die kleinen unter ihnen sind die Hürden bei der Akkreditierung so hoch, dass sie die Investitionen dafür lieber gleich in den Aufbau alternativer Geschäftsfelder stecken. Den Schaden davon haben wiederum vor allem die kleineren Glasverarbeiter, denn auf deren spezielle Bedürfnisse haben sich kleinere Prüfstellen besonders gut eingestellt.

GLASWELT : Sehen Sie noch Chancen auf eine Verbesserung der neuen Verordnung?
Dr. Klaus Huntebrinker : Noch scheint bei der Bauproduktenverordnung nicht alles zu spät zu sein. Wie aus „Insiderkreisen“ aktuell zu hören ist, wird in Brüssel nicht nur an „delegierten Rechtsakten“ mit Vorgaben zur Umsetzung einiger Vorschriften der Bauproduktenverordnung gearbeitet sondern auch an einer Revision des Anhangs III mit dem Muster für die Leistungserklärungen. Warum eigentlich ist es nicht möglich, gleich ein ordentliches Gesetz zu machen? Wir alle müssen doch auch beim ersten Mal die verlangte Leistung erbringen. Schlecht gemachte Gesetze wie die BauPV kommen direkt aus Europa zu uns. Bereits für rund 80 % der neuen Verordnungen und Rechtsvorschriften gilt das. Es ist allerhöchste Zeit, dass jeder einzelne von uns seine Einstellung als Bürger zu Europa verändert. Deshalb ist die Europawahl die wichtigste aller Wahlen. Deshalb braucht Deutschland eine erstklassige Vertretung in der EU, die insbesondere die Interessen unserer kleinen und mittleren Unternehmen besser vertritt. Deshalb müssen wir alle mehr für die Vertretung der eigenen Interessen tun.

GLASWELT : Sehen Sie eine verbesserte Produkt-Sicherheit für den Endkunden durch die neue Verordnung?
Huntebrinker : Mit einem Wort: Nein! Das gilt zumindest für die Bauglas-Produkte, nachdem die Leistungserklärungen weiterhin exakt die Produktdaten enthalten werden, die auch bisher schon mit der CE-Kennzeichnung weiter gegeben werden. Deshalb ist die CE-Kennzeichnung für den Verbraucherschutz völlig ausreichend.

Die Fragen stellte Matthias Rehberger, Chefredakteur der GLASWELT
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Tipp der Redaktion: Lesen Sie in unserer Juli-Ausgabe noch weitere Meinungen zur
Bauproduktenverordnung von bekannten Unternehmens-Vertretern aus der Glasbranche.