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Normung und Technik

Novellierung DIN 18008: Einsprüche eingegangen, was nun?

Frank Koos, Geschäftsführer für Normung, Technik und internationale Aktivitäten des VFF auf der Fachtagung Ende Juni - Daniel Mund / GLASWELT - © Daniel Mund / GLASWELT
Frank Koos, Geschäftsführer für Normung, Technik und internationale Aktivitäten des VFF auf der Fachtagung Ende Juni - Daniel Mund / GLASWELT
Ende Juni nahm Frank Koos, Geschäftsführer für Normung, Technik und internationale Aktivitäten des VFF, die Fachtagung Normung und Technik zum Anlass, wichtige Klarstellungen bezüglich der DIN 18008 vorzunehmen: Die Neufassung der Norm werde mit dem Erscheinen nicht automatisch verbindlich. Bis zu einer bauaufsichtlichen Einführung können Jahre vergehen, so der Experte. Deshalb rät er - wenn es soweit ist -, dass Fensterbauer bei der Auftragsabgabe darauf hinweisen sollten, dass eine neuere Fassung existiert. Man sollte verbindlich klären, welche Ausführung der Auftraggeber wünscht.

Zum Zeitplan

Es liegt ein Vorentwurf zur DIN 18008-1 und -2 (2018) vor und es sind bereits zahlreiche Einsprüche eingegangen. Auf einer Einspruchssitzung am 11./12. Juli werden die eingegangenen Einsprüche verhandelt; die Norm werde dann wohl frühestens Ende 2018 veröffentlicht werden. Koos: "Mit der bauaufsichtlichen Einführung kann man vermutlich 2019 und in den Ländern ab 2020 rechnen."

Aber schon jetzt gilt für eine Angebotsabgabe für Projekte im nächsten Jahr: Fensterbauer sollten sich absichern, damit man bei einer tatsächlichen Novellierung nicht auf zusätzliche Kosten sitzen bleibt. 

Das sagt der BF

BF-Geschäftsführer Jochen Grönegräs auf der VFF-Tagung Normung und Technik Ende Juni 2018 - Daniel Mund / GLASWELT - © Daniel Mund / GLASWELT
BF-Geschäftsführer Jochen Grönegräs auf der VFF-Tagung Normung und Technik Ende Juni 2018 - Daniel Mund / GLASWELT
Ende Juni hat der Bundesverband Flachglas in einer Sonderausgabe seines Newsletters noch einmal über die Beweggründe für eine Novellierung der DIN 18008 informiert: 

"Der BF hat den Vorschlag für eine solche Regelung in den Normenausschuss eingebracht, weil schon im Leitbild des Verbandes steht: „Der BF setzt sich für ein Normungswesen ein, das durch entsprechende Kriterienfestlegung die Anwendung der Produkte der Unternehmen der Flachglasbranche auf einem sicheren Niveau erlaubt.“ 

Das sei im Interesse der BF-Mitgliedsunternehmen, aber auch nachgelagerter Stufen der Wertschöpfungskette (Verarbeiter, Händler, Fensterbauer, Monteure). 

Argumente und Gegenargumente

In dem letzten BF-Newsletter geht der Verband auf die unterschiedlichen Argumente der Einspruchsführer ein  - hier vier ausgewählte Punkte, die der Verband darin thematisiert:

  1. Höhere Glasgewichte haben Folgen wie schwierigere Montage, höhere Belastung der Beschläge etc.

    1. Antwort des BF: Lösungsmöglichkeiten bei der Montage geeignete Hebezeuge und Hilfsgeräte. Rahmen und Beschläge, die höhere Gewichte von Verglasungen aufnehmen können, die aus anderen Gründen (Einbruchschutz, Schalldämmung) mit VSG ausgestattet werden, sind verfügbar. ESG ist im Übrigen nicht schwerer als normal brechendes Glas.

  2. Lichttransmission und g-Wert sinken.

    1. Antwort des BF:… nur bei (dickem) VSG und nur um wenige Prozentpunkte. Das ist genauso hinzunehmen wie bislang schon bei anderen Anwendungen mit VSG.

  3. Erhöhte Preise passen nicht in die politische Landschaft, in der diskutiert wird, dass immer mehr, z. B. energetische, Vorschriften das Bauen ständig weiter verteuern.

    1. Antwort des BF: Eines der kuriosesten Argumente. Dass das Bauen am meisten durch die EnEV verteuert würde, ist durch mehrere Studien widerlegt. Wer z. B. Interviews mit großen Fensterherstellern oder Systempartnern in der Fachpresse liest, bekommt nicht den Eindruck, dass zu hohe Preise das Problem der Fensterbranche wären, eher im Gegenteil. Wir sollten es gemeinsam als unsere Aufgabe ansehen, offensiv für sichere Produkte einzutreten.

  4. Durch die Vorschrift werden die (ausländischen) Anbieter bevorteilt, die sich nicht daran halten.

    1. Antwort des BF: Unzulässiges Argument. Wer an der roten Ampel nicht hält, kommt auch schneller ans Ziel; trotzdem ist es Vorschrift. Die implizite Unterstellung an ausländische Anbieter ist außerdem unangebracht.

Erste Leserreaktion eines "Einsprechers"

Georg Mutert ist geschäftsführender Gesellschafter des Fensterfertigungsbetriebes Backmann Kunststoff-Bauelemente GmbH & Co. KG. Er schreibt an die GLASWELT: 

"Ich möchte mich als einer der Einsprecher zum Normentwurf einmal zu diesem Thema melden. Auf der Fachtagung Normung und Technik wurde die Menge der Einsprüche zur DIN 18008 Teil 1 Abschnitt 5.1.4 mit 177 Stück und zusätzlich mit 101 Kommentaren benannt. An dieser sehr hohen Zahl ist deutlich zu erkennen, dass der o.g. Absatz von sehr vielen Verarbeitern und Praktikern nicht mitgetragen wird. Ich vermisse derzeit in der Fachpresse einen offenen Umgang mit diesen Einsprüchen.

Im Zusammenhang mit der pauschalen Forderung dass zugängliche Vertikalverglasungen mit bruchsicherem Glas ausgeführt werden sollen, wird immer das Sicherheitsthema vorgeschoben. Hierzu stelle ich fest, dass es derzeit keine verlässlichen Zahlen zu dem Gefährdungspotential von Floatverglasungen gibt. Nach intensiver Recherche zu diesem Thema habe ich keine belastbaren Zahlen bekommen (trotz diverser Anfragen, unter anderem beim Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft und der Bundesarbeitsgemeinschaft “Mehr Sicherheit für Kinder”). In den Publikationen in Verbindung mit Sturzunfällen wird deutlich darauf hingewiesen, dass tödliche Unfälle durch das Herabstürzen aus geöffneten Fenstern vorliegen (dieses wird durch Sicherheitsglas nicht verbessert). Die Deutsche Gesetzliche UV gibt für 2016 an, dass nur 1,7 % der meldepflichtigen Unfälle in Verbindung mit Türen stehen. Genauere Klassifizierungen zu dieser Unfallart werden jedoch nicht gegeben. 
Diesen Punkten stehen die Bandscheibenvorfälle und die damit verbundenen Kosten gegenüber. Allein in unserer Firma liegen in diesem Jahr bereits zwei Bandscheibenvorfälle von Monteuren vor.
Der Argumentation des BF, dass die höheren Gewichte durch geeignete Hilfsmittel aus der Welt zu schaffen sind, ist nicht ganz korrekt. Dieses mag den Neubau betreffen, nicht jedoch den Altbau, bei dem oft kein Platzangebot für derartige Hilfsmittel vorhanden ist und die Elemente durch Treppenhäuser zu führen sind.  Auch der Hinweis auf dünnere ESG Verglasungen zieht nur begrenzt, da beschichtetes ESG in 4 mm nur bis zu einer Höhe von 2,00 m zu verwenden ist. Danach ist wieder 5 oder 6 mm ESG zu verwenden. Mit der stärkeren Verglasung sind im Kunststofffensterbereich auch gleichzeitig die Armierungsstärken anzuheben, was wiederum zu einer Gewichtserhöhung führt. Diese Gewichtserhöhung führt in der Handhabung der Fenster zu deutlichen Beeinträchtigungen und zusätzlichen Wartungen. 
Die pauschale Forderung nach bruchsicherem Glas im privaten Bereich (für allen anderen liegen bereits ausreichende Regelungen vor (GUV, Arbeitsstättenregelung usw.)) sehe ich als überzogen an. Eine Win-Win Situation ist für mich bei einer derart starren Regelung für Kunden, Verarbeiter und Monteure nicht zu erkennen. Der Nutzen für die Glasindustrie ist hingegen deutlicher sichtbar. Im letzten Jahr ist die Abnahme von VSG in Deutschland um über 3 % gestiegen. Dieser Anteil wird in den nächsten Jahren aufgrund der gestiegenen Sicherheitsbedürfnisse auch weiterhin ansteigen. Aus derartigen Anforderungen des Marktes sehen wir eher die Möglichkeit einer Win-Win Situation."   

© GLASWELT
Eine Beitrag von Chefredakteur Daniel Mund.

Mein Tipp: Lesen Sie auch das Interview meines Kollegen Matthias Rehberger mit Joachim Oberrauch (Finstral) und Ingo Ganzberger (actual) über ihre Erfahrungen im Umgang mit Isolierglas aus oder mit ESG bzw. VSG.