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Markisen aus dem Internet

Technisches k.o. in der 3. Runde

Eigentlich sollte mehr als sechs Jahre nach Einführung der europäischen Normen und der damit verbundenen CE-Kennzeichnung alles klar sein, wenn es um das Thema Markisen geht. Gerade bei Bestellungen aus dem Internet sollte sich der Verbraucher darauf verlassen können, dass die bestellte Ware den „allgemein anerkannten Regeln der Technik“ entspricht – denn er kennt sie in der Regel nicht. Vollmundige Versprechungen und der immer wieder deutliche Verweis auf „Made in Germany“ stehen bei Internetversendern aber immer wieder höher im Kurs, als detaillierte Auskünfte zu den Produkten.

Dazu kommt eine fadenscheinige und aggressive Preisgestaltung auf den Webseiten, die sich kein Fachhändler leisten könnte. Jüngst wurden Media Markt & Co für ein solches Verhalten bei Vorher/Nachher Preisen abgemahnt. Es ist also an der Zeit nachzufassen und zu prüfen, was den Verbraucher beim Bestellen so erwartet.

Um es vorwegzunehmen, alle Bestellschritte ­ wurden in der Zeitachse genauestens dokumentiert, alle Anweisungen (E-Mails, PDFs) befolgt. Auch der Hinweis auf der Rechnung, die „Gebrauchsanweisung“ unter der angegebenen Adresse downzuloaden. Und da sind wir bereits mitten im Thema: Denn erschließt sich aus dem Bestellvorgang überhaupt nichts zu der Windwiderstandsklasse der Markise, so sind wir beim Studium der 50-seitigen Gebrauchsanweisung sehr schnell fündig geworden. Eine Konformitätserklärung der Markise und der Text in der Anleitung weisen ausdrücklich die Windwiderstandsklasse 2 aus – und bilden damit die Grundlage für die Überprüfung der Markise mit dem CE-Zeichen. Das die EN 13561 explizit das physische Vorhandensein einer Gebrauchsanweisung bei einer Markise vorschreibt, kann mit einem Download nicht erfüllt werden. Der Endverbraucher darf aber mit Sicherheit die mit dem Downloadhinweis verbundenen Informationen als zugesicherte Produkteigenschaften werten: also Windwiderstandsklasse 2.

Unzureichende Montagehinweise

Gut gemeinte Hinweise in einer Montageanleitung sind generell eine feine Sache, wie der Käufer aber mit den Angaben „Krafteinwirkung bei Wandmontage bis zu 6,1 KN und bei einer Deckenmontage bis zu 10,5 KN auf jede Schraube“ umzugehen hat, erschließt sich nicht genau. Der lapidare Hinweis bei unsicheren Untergründen einen Fachmann zurate zu ziehen, erfolgt viel zu spät. Diese Punkte müssen nicht bei der Montage, sondern vor der Montage geklärt werden. Das nur „Klebe-Verbund-Verankerungen mit den dazugehörigen Schrauben“ zur Montage geeignet sind, steht bei einer maximalen Punktbelastung von 1 KN im klaren Widerspruch zu den vorher gemachten Angaben – wenn nicht gleichzeitig der Hinweis auf die Verwendung von mehreren Montagekonsolen kommt. Dass dann Randabstände, Lochabstände und vorhandenes Mauerwerk beachtet und beurteilt werden müssen, macht die Montage für den normalen Verbraucher schwierig.

Warum an vielen Stellen auf einen eigenen Youtube Kanal hingewiesen wird, gibt zu denken. Videos zum Markisenarm- oder Motorenaustausch sollten eindeutig nicht vom Laien durchgeführt werden, und machen bei den zugesicherten Garantiezeiten von 10 Jahren bei der Markise bzw. sechs Jahren beim Motor erst in vielen Jahren Sinn. Es sei denn der Kunde muss die Teile im Garantiefall selbst austauschen. Das in den Montagehinweisen immer noch der Hinweis auf den dann wohl verschnupften Fachhändler um die Ecke erwähnt wird, und für eine fachgerechte Montage auf myhammer.de verwiesen wird, mag da nur eine Randerscheinung sein.

Überprüfbarkeit

Ein großer Vorteil der Normung ist die Überprüfbarkeit von Produkten nach gestellten Anforderungen – im Falle der Markisen die Windwiderstandsklasse. Um den Test überhaupt durchführen zu können, mussten bei der Montage separate Montageplatten verwendet werden, die die entstehenden Kräfte aufgrund der mitgelieferten Montagekonsolenzahl (wie hätte es ein Endverbraucher gelöst?) sicher ins Mauerwerk abgeleitet haben.

Die Prüfschritte und die Belastungsgrößen sind eindeutig über Normung definiert, und wurden mittels speziell vorbereiteter Wasserbehälter mit den entsprechenden Gewichten für die einzelnen Prüfschritte vorgenommen. Im Vergleich zu anderen Markisentests in der Vergangenheit waren die Trainingsvorbereitungen des Internetanbieters diesmal besser, denn im Gegensatz zum letzten Test erfolgte der technische k.o. diesmal nicht in der ersten, sondern in der dritten Runde. Sollbruchstellen wie die Beleuchtung im Arm wurden zwar entfernt, aber bei der Auswahl von Materialien im Bereich Oberarmgelenk und Markisenarm nicht ausreichend dimensioniert und geprüft.

Im Resultat hat die gelieferte Markise versagt, der Bruch des Oberarmgelenk und die daraus resultierende Verformung des Markisenarms sprechen eine allzu deutliche Sprache.

Und: Auch das linke Oberarmgelenk zeigte bereits eine beginnende Rissbildung im oberen Bolzenbereich. Verhindert hätte das Versagen der einzelnen Bauteile nur die Montage der Markise mit den gelieferten Montagekonsolen – so wie es durch einen Endverbraucher nach „Gebrauchsanleitung“ durchgeführt worden wäre. In diesem Fall wäre es allerdings zum kompletten Absturz der Markise gekommen, weil die empfohlene Dübel-Schrauben-Kombination in der viel zu geringen Anzahl bereits rechnerisch nicht in der Lage gewesen wäre, die beim Test auftretenden Lasten zu tragen. Summa summarum ein sehr unbefriedigender Zustand.

Etikettenschwindel: TÜV-Stempel und „Made in Germany“

Antriebsmotoren sind schön verdeckt in die Markisen eingebaut, das Innenleben eines Motors durch eine stählerne Hülle geschützt. Was aber nicht davon abhalten kann, nach der Prüfung alles in seine Einzelteile zu zerlegen und nach der Herkunft von Teilen zu forschen. Und egal was auf dem Etikett steht: Allein auf den Inhalt kommt es an, und der kommt beim Motor mit einem Ningbo Riye electrical appliance Co. Ltd. Antrieb nach wie vor aus China. Auch die fast schon obligatorische Nachfrage beim TÜV Rheinland führte zu der Mitteilung, dass die TÜV Zertifizierung auf dem Typenschild nachweislich nicht vom TÜV freigegeben ist. Auszug aus dem Mailverkehr mit dem TÜV Rheinland: „Gerne haben wir die von Ihnen vorgelegten Daten überprüft und teilen Ihnen hiermit mit, dass wir Bezug nehmend auf unsere Datenbank kein Zertifikat zuordnen können.“ Hier muss also nach wie vor von Etikettenschwindel und damit auch Täuschung des Verbrauchers gesprochen werden. Gerade wo auf der Homepage sehr genau auf Formulierungen „hergestellt in der EU, Made in Germany, nicht aus China, et cetera“ geachtet wird, ist es doch interessant wie gerade im Bereich der Antriebe der eigene Grundsatz „keine China-Importware, Made in Europe!“ unterlaufen wird.

Nebenleistungen

Forscht man in den Webseiten der Onlineanbieter, so stellt man immer wieder fest, dass viel mit Effekthascherei gearbeitet wird. Geschickt platzierte Bewertungen von Dritten, TÜV Siegel in Verbindung mit Begriffen wie Qualität und Sicherheit schaffen ein vermeindliches Wohlfühlambiente für den Besteller – auch wenn es eigentlich nur um die Beurteilung des Onlineshops geht. Knallhart wird das Ganze dann, wenn es um die Nebenleistungen geht, also genau die Dinge, die bei der Bestellung einer Montage über die Homepage nicht geklärt werden konnten. Dann sind stolze 69 Euro je Arbeitsstunde fällig – Preise weit entfernt von den durchschnittlichen Angaben zu Preisen von Handwerkerstunden, wenn man die jeweils zuständige Handwerkskammer fragt.

Sicher kommt auch der Fachhandwerker vor Ort in Situationen, die eine eventuelle Nachberechnung von Leistungen erforderlich machen ­können. Aber mit einer guten Beratung und der entsprechenden Besichtigung vor Ort lassen sich diese Risiken deutlich auf ein Minimum ­reduzieren.

Fazit

Dazugelernt haben die Onlineanbieter, auslernen können sie nicht, denn aus der Praxis betrachtet haben sie ein Manko: Es liegen keine Kenntnisse der Situation vor Ort vor. Das kann bei einer Online-Bestellung nicht geleistet werden. So verlockend und zeitsparend es sein kann, von der Couch aus seine Markise zu bestellen – die Fachberatung vor Ort und eine einwandfreie Montage kann dieses Verfahren nicht bieten. Es gibt zu viele Faktoren, die vor einer Bestellung zu klären sind – inklusive der Berechnung von Verschattungsgraden und dem Gefühl, das richtige Produkt am richtigen Ort einzusetzen. Bei einer Investition für eine Zeitdauer von deutlich mehr als 10 Jahren sollte der Verbraucher sich hier bei der Bestellung die entsprechende Zeit nehmen. Ist es beim Thema Auto eine Selbstverständlichkeit, sich vorher eingehend über das Produkt zu informieren, so werden mit Blick auf Aktionspreise und Rabatte zu oft alle Bedenken über Bord geworfen.

Die hohe Anzahl von Anfragen beim Fachhandel, wenn es um Reparaturen von Markisen aus dem Internet geht, spricht eine allzu deutliche Sprache. Aber wie gesagt: Dafür gibt es ja nette Filmchen auf Youtube (böse Zungen würden jetzt fragen, ob die Anzahl der Filmabrufe für die Menge der Probleme steht).

Aber kein Grund jetzt zu frohlocken, dass der Fachhändler vor Ort mit der „Sonntagsbestellung“ keinerlei Berührungspunkte mit dem Internethändler hat. Denn er kommt nicht zu spät, sondern wird erst gar nicht mehr gefragt. Aber das kann man ja ändern!

Nicht nur im Bereich der Markisen muss sich der Fachhandel ernsthaft mit dem Thema Internet auseinandersetzen, um überhaupt in den Dialog mit dem möglichen Neukunden eintreten zu können, der sich gleichzeitig im Internet informiert. Zu oft schon ist das Geschäft ohne den Fachhändler, online sonntagnachmittags auf der Couch zum Abschluss gekommen. —

Mehr Bilder vom Markisentest können Sie online ­abrufen: Geben Sie einfach auf https://www.glaswelt.de/ im Suchfeld den Webcode 1126 ein.

Der Autor

Der Sachverständige und Fachjournalist Olaf Vögele befasst sich seit 1986 mit dem Themen Rollladen, Tore, Sonnenschutz und dem Zusammenspiel mit Glas, Fenster und Fassaden. Mit seiner langjährigen Erfahrung als Betriebsleiter bei einem mittelständischen R+S-Unternehmen und den praktischen Erfahrungen eines Sachverständigen setzt sich der Autor mit den Branchenthemen intensiv auseinander. Die Praxiserfahrungen sind ein geschätzes Wissen in den Fachgremien von Verbänden und bei der Erstellung von Richtlinien.

Auch als Mitautor beim Teil C der VOB (DIN 18358 Rollladenarbeiten), der aktuell überarbeitet wird, fließen diese Erfahrungen mit ein. Olaf Vögele wird künftig die GLASWELT als Autor für die Themen Rollladen, Tore und ­Sonnenschutz unterstützen.

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