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So erleichtert BIM den Einsatz von Solarfassaden

Bau und Solar – zwei Welten vereint

_ Einem Planer, der eine Fassade sucht, soll über Building Information Modeling (BIM) die Option „Solarfassade“ künftig ähnlich einfach zur Verfügung stehen, wie herkömmliche Fassadentypen. Im aktuellen EU-Projekt Construct-PV bekommen Planer zusätzlich mehrere Webtools angeboten, mit denen sie die gewünschten PV-Module vorplanen können.

Im Zeichen von Energiewende und Verbilligung der Photovoltaik liegt es nahe, Gebäude und Fassaden auch als potenzielle Kraftwerke zu sehen. Die Dachflächen werden oft heute schon genutzt, doch Fassaden nur selten. Dabei ist das Potenzial beachtlich: In Deutschland sind die für PV geeigneten Flächen an Fassaden nach einer Studie des Karlsruher Instituts für Technologie KIT und des Fraunhofer ISE zusammengerechnet so groß wie 10 % der nutzbaren Dachflächen.

Um dieses Potenzial zu erschließen, muss der Einsatz von Solarenergie für Planer viel einfacher werden. Ein Schlüssel dazu ist BIM: In einem digitalen 3D-Gebäudemodell werden durch wissensbasierte intelligente Systeme den Bau- und Planungsbeteiligten alle relevanten Informationen zum Gebäude oder Bauprozess immer aktualisiert zur Verfügung gestellt. Mit dieser Technik können so alle Kenngrößen und Schnittstellen energieaktiver Bauteile einfach in die Planung integriert werden.

Genau das verfolgt SolConPro (www.solconpro.de), ein vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie gefördertes Projekt. Aufgabe des Instituts ist die ganzheitliche Integration von BIM-Modulen für thermische und photovoltaische Fassadenelemente in existierende Planungsumgebungen.

Vom PV-Modul zum Fassaden-Bauteil

Wie wird aus einem PV-Modul ein Fassadenelement? Ganz einfach: genauso, wie aus einer Verbundglasscheibe ein Fassadenelement wird. Die Solarbranche kennt viele Modultypen, am bekanntesten sind Glas/Folie-Module. Zumindest für die Annäherungsphase zwischen Bau- und Solarwelt macht es Sinn, sich auf Glas/Glas-PV-Module zu beschränken. Sie können mit Anpassungen als „Bauprodukt“ einer Verbundglasscheibe entsprechen, die marktgängig und auf dem Bau bekannt ist. Zu den Glas-Folien-Modulen gibt es derzeit kein Pendant in der Bauindustrie.

Eine wahre Fundgrube für sehr konkrete Informationen zu Photovoltaik als Bauelement ist das EU-Projekt Construct-PV. Diese hat das Ziel, eziente und kostengünstige gebäudeintegrierte Photovoltaik (BIPV) für opake Flächen in der Gebäudehülle zu entwickeln und deren Marktreife zu demonstrieren. So gibt es unter www.constructpv.eu/webtool ein web-basiertes Werkzeug, das Planern in einer frühen Konzeptphase beim Design kundenspezifischer BIPV-Elemente auf der Basis kristalliner Solarzellen unterstützt.

Für die Verarbeitung von PV-Modulen zu Fassadenelementen hat die TU Dresden zusammen mit anderen Projektpartnern im Rahmen von Construct-PV ww.ise.fraunhofer.de/constructpv-bipv-requirements eine umfangreiche Zusammenstellung erarbeitet, die für ganz Europa zeigt, was in welchem Land für Fassadenbauteile gefordert wird.

Sie gibt potenziellen BIPV-Herstellern einen Überblick, was alles zu beachten ist, wenn sie für das jeweilige Land ein Produkt entwickeln wollen. Bei jedem Unterpunkt wird auf alle zugehörigen Bau- und Solar-Normen verwiesen.

Die Tabelle in Kapitel 5 der Zusammenstellung enthält die jeweiligen rechtlichen Vorschriften für fünf Kategorien von Fassadenelementen: Geneigtes Dach mit und ohne Zugang von innen, transparente Warmfassade aus Silicium-Glas/Glas-Modulen mit und ohne Zugang von innen, Kaltfassade aus Silicium-Glas/Glas-Modulen vor einer opaken Wand.

Berücksichtigt sind alle relevanten EU-Normen sowie die nationalen Normen von Deutschland, Frankreich, Griechenland, Italien, Niederlande, Österreich, Spanien und der Schweiz.

Die Tabelle ist nach den Kriterien der Bauartzulassung – z. B. elektrische Sicherheit, Brandschutz, Wasser- und Winddichtigkeit – geordnet.

Preisgekröntes Beispiel für BIPV

Der Geschäftsführer der Solar Agentur Schweiz, Gallus Cadonau und das Büro Fent Solare Architektur haben in einem Leuchtturmprojekt aus einem Altbau mitten in der Züricher Altstadt ein Plusenergiehaus gemacht.

Dem Projekt wurde von der Schweizer Solarpreis-Jury das PEB-Diplom (PlusEnergieBau) verliehen, da es mehr Energie erzeugt als verbraucht. Eine Solarfassade war ein wichtiger Baustein in diesem Konzept, an dem man auch gut die Besonderheiten der Photovoltaik aufzeigen kann.

Die BIPV nutzt jeden Winkel des Gebäudes aus, um auf 14 000 kWh Jahresertrag zu kommen. 198 PV-Module mit 112 unterschiedlichen, an die Gebäudeform angepassten Modulformaten und 19 unterschiedliche Ausrichtungen ergaben eine installierte Leistung von 27,9 kWp.

Zum Einsatz kamen Glas-Glas-Module von ertex solartechnik mit Solarzellen von SunPower Corp. Je nach Zellanzahl (5 bis 160 Zellen pro PV-Modul) sind die elektrischen Werte der PV-Module unterschiedlich. Der Einbau der Module erlaubt sowohl auf dem Dach als auch in der Fassade eine mäßige Hinterlüftung durch Luftzirkulation.

Die wichtigsten Fragen waren: Wie muss vorgegangen werden, um aus der installierten Nennleistung den gewünschten Jahresertrag zu erzielen? Wie sollen die Module elektrisch verschaltet werden, wo sollen die Kabelverläufe realisiert werden? Um das zuverlässig zu beantworten, gibt es zur detaillierten Wiedergabe des Verhaltens der einzelnen Module in einer Simulation keine Alternative. Eine am Fraunhofer ISE entwickelte Software kann das elektrische Zell-, Modul- und Systemverhalten beliebiger BIPV-Anlagen berechnen. Sie verwendet die geometrischen CAD-Inhalte des Gebäudes und der Umgebung objektorientiert und adressiert die einzelnen Zellpositionen in jedem Modul. So können Veränderungen der Geometrie, wie sie im Bauprozess vorkommen, automatisiert übernommen werden.

Das Fazit des Autors

Bauwelt und Solarwelt können mit den Erkenntnissen aus den beiden Forschungsprojekten gut vereint werden. Das gilt vor allem für die Vorplanung. Für die elektrische Anlagenauslegung ist eine detaillierte Wiedergabe des Anlagenverhaltens in der Simulation unerlässlich, sobald mehrere Modulausrichtungen oder Teilverschattung auftreten. Am Ende könnte es sein, dass Solarenergie wie die Lüftung von einem Fachplaner geplant wird. Für den Architekten wird es also ganz einfach, im Detail ist solares Fachwissen nötig. Oder um mit Einstein zu sprechen: „Man sollte die Dinge so einfach wie möglich machen – aber nicht einfacher“. —

www.solconpro.de

Autor

Dr. Tilmann E. Kuhn ist Physiker, seit 1996 mit Solarenergie befasst und derzeit Leiter der Gruppe „Solarfassaden“ am Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE in Freiburg.

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