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Im Interview mit Heinz Willi Wittmann

Befindet sich das reine Holzfenster auf dem “absteigenden Ast“?

Glaswelt – Was hat den Bundesverband ProHolzfenster dazu bewogen, diese Beratung einzurichten?

Heinz Willi Wittmann – Im Markt – das heißt bei den Entscheidern, bei Planern, Architekten und den Bauherrschaften – sind die „hölzernen“ Fensterproduzenten nahezu ausschließlich nur dann in Kontakt mit dieser Entscheidungsebene, wenn ein Auftrag zu vergeben war oder ist. Ein historisches Defizit der Holzbranche! Aufgrund der Komplexität der Materie, Holz als Rahmenmaterial einzusetzen, ist es unverzichtbar, bereits in der ersten Entscheidungsebene Planer und Architekten zu beraten und zu unterstützen. Fensterkonstruktionen aus dem natürlichen Werkstoff Holz sollten objektspezifisch differenziert betrachtet, bewertet und diese Kriterien in die Ausschreibung eingefügt werden.

Glaswelt – Ist die Nachhaltigkeit des Werkstoffs ein Thema bei Ihrem Beratungsangebot?

Wittmann – Die Themen Nachhaltigkeit, Ressourceneffizienz, Herkunft, CO2-Bilanz haben einen zunehmend stärkeren Einfluss auf die Materialentscheidung. Das Bewusstsein der Bauherrschaft, speziell in dem Marktsegment, in dem Produkte wie Holz und Holz-Alu Fensterelemente verlangt werden und in dem auch ein höheres Preisniveau akzeptiert wird, verändert sich nachhaltig und nachdrücklich.

Glaswelt – Lassen sich die Anrufer charakterisieren?

Wittmann – Der Zielmarkt für „nachhaltige“ Fensterelemente ist die Premium-Bauherrschaft. Diese Klientel, auf der Suche nach den verfügbar besten Baumaterialien, ist bereit, höhere Preise zu akzeptieren. Sie hat jedoch einen ausgeprägt hohen Qualitäts- und Betreuungsanspruch. Dieser Kundenkreis beschäftigt vielfach eine planende und bauleitende Instanz. Im zunehmenden Maße etablieren sich auch Generalunternehmer, die die gesamte Beratung, Planung, Ausführung und Überwachung, bis zur schlüsselfertigen Übergabe des Objekts, in Eigenverantwortung übernehmen. Innerhalb dieses Marktsegmentes sind hohe Wertschöpfungspotenziale generierbar; vorausgesetzt wird jedoch, dass die Markteilnehmer diesem Anspruch gerecht werden. Hier ist der strategische Ansatz der „BPH - HolzfensterBeratung“zu sehen.

Glaswelt – Neue Konstruktionsideen erobern den Markt und Holz- und Holz-Alu-Fenster überzeugen durch schlanke Ansichten, effizientere Konstruktionen und einer Oberfläche mit Langzeitwirkung. Sind das die Entwicklungen, die die Branche weiter nach vorne bringt?

Wittmann – Eine wesentliche und spürbare Veränderung auf der konstruktiven Ebene sehe ich nicht. Wenn überhaupt, findet diese nur im marginalen Maße statt. Die sogenannte Innovation konzentrierte sich nahezu ausschließlich darauf, Platz für die dritte Glasscheibe innerhalb der Fensterkonstruktion zu schaffen. Im zunehmenden Maße wird aber auch die Frage gestellt, ist ein „dickes Fenster“ besser als ein „dünneres Fenster“? Physikalisch formuliert: Welchen seriös nachvollziehbaren Energieeinspareffekt bringt eine Fensterkonstruktion mit einem Uw-Wert von 0,85 im Vergleich zu einem Wert von 0,95 W/m²K?

Schlanke Fensterkonstruktionen mit den hohen Glasgewichten bei immer größeren Formaten in Einklang zu bringen, ist eine technische, physikalische und energetische Herausforderung, die nicht in jedem Fall zu idealen Lösungskonzepten führt. Möglicherweise stellt eine Fensterkonstruktion mit einer leistungsfähigen 2-fach-Verglasung und einen Uw-Wert von „nur“ 0,95 auch eine zufriedenstellende energetische Lösung dar.

Auch die qualitative Weiterentwicklung der Oberflächenbeschichtung ist von einer gewissen Stagnation gezeichnet. Nachdem es durch die vor ca. 25 Jahren vom Gesetzgeber vorgeschriebene Umstellung von lösungsmittelhaltigen auf wasserlösliche Beschichtungsmaterialien zu einem länger andauernden Haltbarkeitsproblem mit den verfügbaren Materialien kam und somit für das Image des Holzfensters nachhaltig abträglich war, ist es aktuell der seit Jahren andauernde Qualitätsverlust bei den zum Einsatz kommenden Fensterhölzern. Verfügbare Beschichtungsmaterialien sind nur begrenzt in der Lage, das Qualitäts- und Haltbarkeitsniveau des Holzfensters zu steigern, d. h. den Standzeitverlust minderwertiger Holzqualitäten zu kompensieren.

Glaswelt – Bestätigen Sie den Eindruck, dass es Holz-Fensterproduzenten gibt, die lieber in eigene Fertigungsanlagen investieren, als in qualitätssichernde Maßnahmen oder Vertriebs- oder Marketingstrukturen zu investieren?

Wittmann – Bedauerlicherweise ist dieser Eindruck richtig. Speziell die handwerklich strukturierte Klientel innerhalb der Holzfensterproduzenten ist stark auf die Fertigung, auf Maschinen und Werkzeugtechnologie fokussiert. Traditionell ist die Mehrzahl der Schreiner / Tischler weder emotional noch über die Ausbildung auf das „Verkaufen“ eingestellt und trainiert worden. Vielfach denkt man in dieser Klientel: „In der Region bin ich bekannt. Ernsthafte Interessenten werden den Weg zu mir suchen und finden.“ Diese Einstellung ist ein ernsthaftes Handicap, weil der Zeitgeist innerhalb unserer Internet dominierten Gesellschaft anders tickt. Im Gegensatz hierzu sind die sogenannten Vollsortimenter vielfach besser organisiert und strukturiert.

Glaswelt – Welche Hausaufgaben muss die Branche erledigen, wenn sie weiter erfolgreich sein will auf dem Markt?

Wittmann – Speziell die handwerklich strukturierten Betriebe müssen lernen, Marktpotenziale, Wettbewerbsaktivitäten und Wertschöpfungsmöglichkeiten einzuschätzen und deren Einflüsse auf die eigene Firmenperspektive einkalkulieren. Die möglichen Dienstleistungsvolumina rund um die Fensterelemente sind vorhanden, werden häufig jedoch nicht erkannt und genutzt: Beispielsweise beim Insektenschutz, aber auch mit Beschattungskonzepten sind weitere Umsätze generierbar. Immer seltener wird vom Kunden die Frage gestellt, ob das Produkt aus eigener Produktion stammt. Damit ist die Antwort auch immer seltener ein Argument für eine Kaufentscheidung. Die verantwortlichen „Holz“-Entscheidungsebenen müssen sich die Frage stellen: Aus welchen Gründen haben wir in den zurückliegenden vierzig Jahren mehr als 50 Prozent Holzfenster-Marktanteile eingebüßt?

Glaswelt – Auf der Baustelle wird das schönste Holzfenster immer wieder verdreckt. Eine hochwertige Holzoberfläche kann dann beschädigt sein. Haben Sie hier einen Vorschlag für die Problemlösung?

Wittmann – Leider werden Fensterelemente bereits dann eingebaut, wenn zeitgleich auf einer höher gelegenen Etage die Betondecke gegossen wird. Die bei diesem Bauprozess zwangsläufig entstehenden Schadenspotenziale durch extreme Feuchtebelastung, aber auch durch mechanische Beschädigungen, werden aufgrund einer nicht vorhandenen oder nicht wirksamen Bauüberwachung nicht registriert und nicht bemängelt. Die Verursacher sind häufig nicht festzustellen und eine fehlerfreie Endabnahme der Fensterelemente ist oft mit umfangreichen „Instandsetzungsarbeiten“ verbunden. Eine Problemlösung dieser Kernproblematik ist seit vielen Jahren überfällig. Konkurrierende Rahmenmaterialien sind gegen Feuchtebelastung resistent. Die Sichtflächen werden durch Schutzfolien in gewissem Maße gegen mechanische Beschädigungen geschützt.

Die einzige, effektiv wirksame Technologie steht mit einer Fenster-Montagezarge zur Verfügung. Diese Zargentechnologie verändert den problematischen Bauprozess – das Platzieren der Zarge wird zur Bauleistung. Die Zargenöffnungen werden mit einer Baufolie geschlossen. Die Bauhülle ist somit vor Wettereinflüssen geschützt und alle Fremdgewerke können uneingeschränkt fortschreiten. Die spätere Montage der Fensterelemente ist aufgrund der geringen Maßtoleranzen schneller, qualitativ besser und kalkulierbarer. Die Platzierung erfolgt erst dann, wenn alle Ausbaugewerke abgeschlossen sind. Ungewöhnlich oder revolutionär ist diese beschriebene Vorgehensweise nicht: Seit jeher wird die Haustür nicht nach Fertigstellung des Rohbaus platziert. Die damit verbundene Argumentation des Schutzes vor irreparablen Schäden ist hier absolut akzeptiert.

Glaswelt – Wenn neue Fenster eingebaut werden, ist häufig ein Lüftungskonzept mit abzugeben. Können Sie hier für Ihre Verbandsmitglieder unterstützend einspringen?

Wittmann – Bei der Verwendung des nachhaltigen Baustoffs Holz hat der Mindestluftwechsel eine besondere Bedeutung: Holz besetzt nahezu alle ökologischen Merkmale, ist jedoch sensibler als andere Baumaterialien bezüglich möglicher Feuchteschäden durch Baumängel, Belastungsfaktoren im Verlauf der Ausbauphase sowie bei zu geringer Luftwechselrate und der hieraus resultierenden Überfeuchtung der Bausubstanz. Die Versuche, über die „Fensterlüftung“ einen Mindestluftwechsel sicherzustellen, wird von mehreren Einflussgrößen behindert: Beispielsweise tendiert die Akzeptanzquote des Nutzers für das mehrmalige Stoßlüften gegen null. Nur die Klagequote gegen diese Auflage steigt! Wie der Anstieg der Gerichtsprozesse wegen „falschen Nutzerverhaltens“ belegt. Aktuelle Untersuchungen zeigen, dass mit der manuellen, besser formuliert „Gefühls-gesteuerten Fensterlüftung“ Lüftungswärmeverluste von bis zu 50 Prozent auftreten.

Bei der zuzumessenden Bedeutung, die für die Verwendung der Fenster-Montagezarge spricht, ist ein weiterer wichtiger Entscheidungsfaktor zu beachten: Motorische Lüftungstechnik, mit hoher Wärmerückgewinnung und einer Filtereinheit, ist integraler Bestandteil dieser Fenster-Montagezarge. Diese dezentral einsetzbare Technik kann in jede Zarge und in jeden Raum integriert werden. Auch der hierfür notwendige Stromanschluss ist Bestandteil der Planung und somit vorhanden, ohne dass weitere Fremdgewerke tätig werden müssen. Die BPH-HolzfensterBeratung orientiert sich vorrangig in Richtung der „ersten Entscheidungsebene“, den Bauherrn, Planern und Architekten. In der Folge kann davon ausgegangen werden, dass eine präzise und realistisch umsetzbare Formulierung der Ausschreibungsinhalte, die Situation der produzierenden Verbandsmitglieder dadurch verbessert, dass sich die Anzahl der Kollateralschäden reduzieren lässt und in der Folge Image und Akzeptanz des Holzfensters verbessert und gesteigert werden.

Glaswelt – Das Holz-Alu-Fenster hat in den letzten Jahren immer mehr zugelegt, das reine Holzfenster wird dagegen immer weniger nachgefragt. Sollte man sich jetzt als Anbieter eher auf diese Werkstoff-Kombination konzentrieren? Befindet sich das Holzfenster auf dem „absteigenden Ast“?

Wittmann – Wie vorher schon beschrieben: Holz- und Holz-Alu-Fenster sind Produkte für den Premiumkunden. Die Beachtung weiterer Einflussgrößen rundet das Bild ab, welche Holzfenstervariante sich „auf dem absteigenden Ast befindet“, wie ein Teil der Fragestellung insistiert. Zum einen, ist es der Zeitgeist innerhalb der Gesellschaft, die nicht bereit ist, Wartungs- und Pflegeauflagen zu akzeptieren. Zum anderen ist die modere Bauweise bei der Beantwortung dieser Frage zu beachten. Wir bauen mehr denn je ohne jeden konstruktiven Holzschutz, d. h. keine schützenden Dachüberstände und ein nahezu fassadenbündiger Einbau der Fensterelemente. Diese Einflussgrößen sprechen gegen Fensterelemente aus lasurbeschichtetem Nadelholz. Diese Fenstervariante – fälschlicherweise als „Naturholzfenster“ bezeichnet – bedürfen der intensiven Pflege und Wartung und können auch als „Pflegefall“ bezeichnet werden. Qualitativ hochwertige Holzfensterkonstruktionen aus resistenten Holzarten und besten Qualitäten sind, bei Einbeziehung aller Kalkulationsfaktoren, nahezu preisgleich mit vergleichbaren Holz-Alu-Konstruktionen. Der Werkstoffmix ist die nachhaltigste verfügbare Fensterkonstruktionsvariante, die sich durch eine nahezu unbegrenzte Haltbarkeit bei geringstem Pflege- und Wartungsanspruch auszeichnet. Mit diesen Materialeigenschaften sind die Erwartungshaltungen uneingeschränkt zu befriedigen.

Glaswelt – Geben Sie in der Beratung Produkt-Empfehlungen?

Wittmann – Das Leistungsspektrum der BPH-HolzfensterBeratung basiert auf konkreten Vorgaben bezüglich aller infrage kommender Konstruktionsdetails. Des weiteren werden Holzarten und Holzqualitäten definiert. Auch die dazugehörige Oberflächenbeschichtung, der bei reinen Holzfenstervarianten eine hohe Bedeutung zukommt, wird vorgegeben. Die Beratung kann als neutral und objektiv bezeichnet werden, weil keine kommerziellen Ziele, keine Auftragserteilung, im Fokus der Beratung stehen und das Ergebnis möglicherweise beeinflussen. Beratungsziel ist ausschließlich eine objektspezifisch differenzierte, idealisierte Ausführungsempfehlung. Gezielte firmenspezifische Produktempfehlungen werden nicht formuliert.

Glaswelt – Was halten Sie von modifizierten Holzarten für das Fenster?

Wittmann – Um die Schadensquote bei Holzfensterelementen nachhaltig zu reduzieren, sind hochwertige Holzqualitäten in hohen Resistenzklassen unverzichtbar. Bei der zuvor beschriebenen Entwicklung, die Holz-Alu-Anteile zu erhöhen, reduziert sich die Notwendigkeit, Tropen-, Plantagen- und vergütete Holzarten zu verwenden. Aus rein ökologischer Sicht sind natürlich gewachsene heimische Holzarten und Qualitäten ausreichend für Holz-Alu-Konstruktionen. Und dazu ein Beitrag, um dem stärker werdenden Umweltbewusstsein gerecht zu werden.

Glaswelt – Die Holzfenster-Beratung des Verbandes soll erweitert werden mit weiteren Komponenten. Können Sie hier Details verraten? Gibt es auch Unternehmen, die Sie in diesen Beratungskomponenten mit einbinden?

Wittmann – Eine sinnvolle Erweiterung der BPH-HolzfensterBeratung, die sich vorrangig auf die Realisierung von Fensterkonstruktionen aus Holz konzentriert, ergibt sich durch eine Kooperation mit weiteren Partnern. Die Ursache für die Entstehung umfangreicher Schäden an den Fensterelementen, die Problembereiche Baustelle und die Mindestluftwechselproblematik gemäß DIN 1946/6, wird auf Basis der Planungsvorgabe, eine Fenster-Montagezarge mit integrierter motorischer Lüftungstechnologie einzusetzen, nachhaltig verbessert. Ein starker Marktteilnehmer stellt diese Fenster-Montagezargen-Technologie zur Verfügung. Bezüglich einer qualitativ hochwertigen Montageleistung der Fensterelemente wird eine Zusammenarbeit mit dem ift in Rosenheim praktiziert. Hiermit werden die RAL-Montagerichtlinien als Vorgabe deklariert. Zur Umsetzung der RAL-Montagerichtlinie steht ein weiterer Kooperationspartner, der im Bereich Fenstermontage die zuständigen Montage-Partnerfirmen mit einem umfassenden Montagematerialprogramm versorgt, zur Verfügung. Durch das Angebot eines intensiven Schulungsprogramms kann die Einführung neuer Prozesse und Bauabläufe sowie der dazu erforderlichen Materialien eingeführt, sichergestellt und stabilisiert werden. Weitere Leistungen dieser kooperativen Zusammenarbeit, ist das Angebot, bauphysikalische Berechnungen bezüglich der Positionierung der Fensterelemente zu erstellen. Auch in Brandschutzfragen ist eine professionelle Planungsunterstützung gewährleistet. —

Herr Wittmann, vielen Dank für das Gespräch.

Die Fragen stellte Daniel Mund.

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