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Erfahrungen eines Sachverständigen

Schimmel im Falz trotz “gutem“ Fenster

_ Was vor 10 Jahren als Rettung galt – nämlich Fenster mit inneren Überschlagsdichtungen und abgedichteten Glashalteleisten, wurde in der Praxis im großen Stil umgesetzt. Heute kommt kaum noch ein Fenster auf den Markt, ohne die innere Überschlagsdichtung zu besitzen. Konnte mit dieser Maßnahme vor ein paar Jahren die Feuchtigkeit vom Falzraum der Fenster abgehalten werden, treten aber nun vereinzelt Feuchteschäden auch bei diesen Fenstern auf.

Wie soll man nun als Kunde und Fensterbauer reagieren, und vor allem, wie lässt sich das Kondensat im Fensterfalz wirksam verhindern?

Die Physik lässt sich nicht überlisten

Kondensat und Schimmelpilz im Fensterfalz wurden erstmals im Jahr 2002 in auffallender Häufigkeit beobachtet. Anfangs wurde das Auftreten des Kondensates auf eine erhöhte Restbaufeuchte, bzw. auf mangelndes Lüftungsverhalten zurückgeführt. Bald stellte man jedoch – in ausnahmslos allen Fällen – einige Gemeinsamkeiten fest:

  • Das Phänomen trat ausschließlich in Niedrigenergie-Häusern auf, deren Blower-Door-Test gut bestanden wurde. Je besser der Blower-Door-Test ausfiel, desto stärker waren die Kondensat-Ausfälle im Fensterfalz.
  • Die Luftfeuchtigkeit im Haus spielte nur eine untergeordnete Rolle. Zwar verstärkt sich die Problematik, je höher die relative Luftfeuchtigkeit ist, aber grundsätzlich ist das Auftreten von Kondensat im Fensterfalz schon bei einer sehr trockenen Raumluft von nur 35 Prozent relative Luftfeuchtigkeit möglich.
  • Aufgrund des Dampfdruckes sind hauptsächlich die oberen Etagen von diesem Phänomen betroffen.
  • Eine weitere Gemeinsamkeit war das Auftreten des Kondensats bei klassischen Holzfenstern, ohne innere Überschlagsdichtung. Ein Fenstertyp, wie er damals weit verbreitet war.

Kunststoff-Fenster mit Anschlagdichtungssystemen waren im Jahr 2002 von diesem Schadensbild – noch – ausgenommen.

In Passiv-Häusern mit entsprechend zertifizierten Fenstern und Lüftungsanlagen waren diese Erscheinungen ebenfalls unbekannt.

Untersuchungen ergaben, dass bei Niedrigenergie-Häusern ein erhöhter Dampfpartialdruck (Wasserdampfsättigungsdruck) vorlag, denn dort ist neben der besonders guten Dämmung die Luftdichtigkeit der Gebäudehülle ein wichtiger Bestandteil beim Hausbau. Der Zimmermann verschließt seine Dämmung im Dach mit einer dampfdichten Folie. Diese Folie wird im Bereich der Sparrenübergänge und der Stöße akribisch abgeklebt. Die Außenwände werden häufig mit Styropor gedämmt, sodass auch über das Mauerwerk keine Fugen mehr vorhanden sind.

Der Fensterbauer ist seit 1998 verpflichtet, die Fugen zwischen Fensterrahmen und Mauerwerk nicht nur zu dämmen, sondern zusätzlich luftdicht zu verschließen. Kurz, das gesamte Niedrigenergie-Haus wird nahezu luftdicht erstellt. Seit der Einführung der Energieeinsparverordnung 2002 (EnEV2002) wurde die Dichtheit einer Gebäudehülle per Gesetz definiert.

Der Vergleich mit dem Schnellkochtopf

Um eine Erhöhung des Dampfpartialdrucks herzustellen sind drei Bedingungen nötig. Diese sind vom Schnellkochtopf bekannt. Dort bewirkt

  • die dichte Hülle des Topfes,
  • die größere Wassermenge im Topf, im Gegensatz zur ihm umgebenden Raumluft
  • sowie eine erhöhte Temperatur innerhalb des Topfes

einen gewaltigen Dampfdruck. Fällt eine dieser drei Bedingungen weg, entsteht kein Druck.

In guten Niedrigenergie-Häusern sind diese drei Bedingungen vorhanden.

  • Eine dichte Gebäudehülle,
  • eine größere Wassermenge in der Raumluft des Hauses gegenüber der Außenluft. (Beispiel: Eine Raumluft mit 50 % relative Luftfeuchtigkeit enthält bei + 20 °C Zimmertemperatur 8,6 g Wasser. Eine Außenluft mit 80 % relative Luftfeuchtigkeit enthält bei – 6 °C. Temperatur gerade mal 2,4 g Wasser.)
  • Die Temperatur im Haus beträgt ca. + 20 °C, während die Außentemperatur deutlich darunter liegt.

Alle drei Bedingungen des Schnellkochtopfes sind in stark abgeschwächter Form im Niedrigenergie-Haus vorhanden.

Dieses Phänomen wird in der DIN 4108 Teil 5 als „Wasserdampfsättigungsdruck“ seit vielen Jahren beschrieben, ohne dass es von der Planungs- und Ausführungsseite bislang beachtet wurde.

Die Folge ist, dass Raumluft durch leichten Überdruck in kleinste Fensterfugen gedrückt wird.

Diese Fugen befinden sich z. B. zwischen Flügelüberschlag und Blendrahmen, bzw. zwischen Glashalteleisten und Glasfalzgrund. Betroffen sind davon in erster Linie Fenster in den oberen Stockwerken. Bei bei einer offener Bauweise gilt: Je höher im Haus eingebaut, desto stärker wirkt sich der Sättigungsdruck aus. Die Folgen sind Kondensat und Schimmelpilzbildung im Dichtungsfalz und Glasfalzgrund.

Um dem Phänomen Herr zu werden, wurden für Standard-Holzfenster Bestandteile der Passiv-Fenster übernommen. Das heißt, die Fenster erhielten ab dem Jahr 2004 / 2005 innere Überschlagdichtungen und teilweise wurden die Glashalteleisten abgedichtet.

Manche Holz-Aluminium-Systeme hatten hier deutliche Vorteile, da diese keine Glashalteleisten auf der Rauminnenseite besitzen.

Durch die flächendeckende Durchführung des Blower-Door-Testes wurden die Häuser immer dichter. Dichtigkeitswerte von n50: 0,6 1/h und weniger sind heute durchaus üblich.

Durch die immer besser werdende Dichtigkeit der Häuser wurde der Dampfpartialdruck immer stärker erhöht, sodass heute selbst Kunststoff-Fenster mit Anschlagdichtungen und Holzfenster mit inneren Überschlagdichtungen von dieser Problematik betroffen sind.

Kleinste konstruktionsbedingte (zulässige) Fugen (Beispielsweise unterläuft die Dreh-Kipp-Schere die Überschlagsdichtung, um in den Falzraum einzudringen. Dort wird die Überschlagsdichtung um ca. 3/10 mm gequetscht) reichen aus, um einen Fensterfalz mit Feuchtigkeit zu „überschwemmen“.

An sehr kalten Tagen kann in den Fälzen sogar Eisbildung möglich sein.

In extremen Fällen kann dieses Eis über Rollladengurt-Öffnungen oder Dampfdruckausgleichsöffnungen bis in den Bereich des Rollladens vordringen und eine Funktionsstörung des Rollladens verursachen.

Damit dieses Problem entsteht, sind keine erhöhten Luftfeuchtigkeitswerte nötig. Eine Raumluft von unter 40 Prozent bei + 21 °C Zimmertemperatur reicht dafür völlig aus. Anders ausgedrückt: Diesem Phänomen ist mit stärkerer Lüftung über die Fensteröffnung nicht beizukommen.

Gegenmaßnahmen

Um dieser Problematik dauerhaft und sicher entgegenzuwirken reichen die bisher eingeleiteten Maßnahmen wie innere Überschlagdichtung und Abdichtung der Glashalteleisten für die Fenster nicht mehr aus.

Aufgrund des erhöhten Aufkommens von Schimmelpilzen in energetisch verbesserten Häusern hat der Gesetzgeber ab Mai 2009 ein Lüftungskonzept für alle Neubauten vorgeschrieben.

Weiter sind bei allen Niedrigenergie-Häusern die den Energiestandard KfW 40 bzw. Energie-Effizienzhaus 55 erfüllen, Lüftungsanlagen vorgeschrieben. Wird ein KfW 60 Haus, bzw. ein Energie-Effizienzhaus 70 (ohne Lüftungsanlage) geplant, aber über erhöhte Dämm-Maßnahmen ein besseres Haus gebaut, so ist unter Umständen – de facto – eine Lüftungsanlage dennoch nötig.

Ist eine Lüftungsanlage vorhanden und tritt dieses Phänomen dennoch auf, ist zu prüfen, ob die Lüftungsanlage mit Überdruck betrieben wird oder ob sie mit zu geringer Leistung eingestellt ist.

Derzeit ist kein Fall bekannt, bei dem bei richtig eingestellter Lüftungsanlage Kondensat im Fensterfalz auftritt. Demgegenüber tritt dieses Problem dann auf, wenn an kalten Wintertagen die Lüftungsanlagen gar nicht und mit zu geringer Leistung betrieben werden.

Bei Altbau-Sanierungen, bei denen mehr als 1/3 aller Fenster erneuert werden, müssen seit Mai 2009 Lüftungskonzepte erstellt und gegebenenfalls Lüftungsanlagen installiert werden.

Altbau-Sanierungen mit erhöhter Energieeffizienz müssen – in der Regel – mit Lüftungsanlagen versehen werden (siehe DIN 1946-6). Laut Gesetzgeber müssen die Lüftungskonzepte vom Planer erstellt werden. Ist kein Planer vorhanden, ist der ausführende Handwerker für das Lüftungskonzept verantwortlich. Als Norm gilt die seit Mai 2009 eingeführte DIN 1946-6, speziell Kapitel 4.2. In dieser Norm finden sich viele Städte in Baden-Württemberg in den windschwachen Regionen wieder, was ebenfalls für eine ventilatorgestützte Lüftung spricht.

Heißluftballon in der Wohnung

Selbst wenn im Erdgeschoss „normal“ gelüftet wird, hat dies keinen Einfluss auf den Überdruck in den oberen Etagen. Dies ist vergleichbar mit einem Heißluftballon. Die warme Luft drückt nach oben. Wird die Flamme am unteren Ende des Ballons ausgeschaltet, entweicht dennoch kein Überdruck aus der Hülle, weil sich der Überdruck nach oben ausbreitet.

Sämtliche Maßnahmen am Fenster sind also reine Symptom-Bekämpfungen. Dieses Phänomen hat nichts mit der Qualität der Fensterkonstruktion zu tun. Besitzen die Fenster bereits funktionierende innere Überschlagsdichtungen, sowie abgedichtete Glashalteleisten, sind die Anforderungen an Niedrigenergie-Häuser erfüllt und die Anforderungen der Fensternorm DIN EN 68121 (Holzfensterprofile) übererfüllt!

Als zusätzliche Maßnahme können die Fenster auf Fugen und Durchdringungen untersucht und wenn technisch möglich abgedichtet werden. Dies sind jedoch Arbeiten, die über die Anforderungen an die Fenster hinausgehen.

Laut eigener Erfahrung, sowie nach aktuellen Untersuchungen der TU-Graz sind die Mängel durch Maßnahmen am Fenster nicht zu beheben. Dem Mangel ist nur dann beizukommen, wenn die Raumluft durch ventilatorgestützte Lüftung abgeführt wird.

Gerade bei Blower-Door-Ergebnissen, die einen Dichtigkeitswert n50 von kleiner 1,0/h aufweisen ist eine höhere Leistung der Lüftungsanlage gefordert. Dichtigkeitswerte n50 von kleiner 0,7/h führen zu Dampfpartialdrücken von 15 – 25 Pascal, die von innen gegen die Außenhülle des Hauses drücken. Je dichte die Außenhülle, desto höher der Druck. Da Fenstern nach den gängigen Normungen ein gewisser Fugendurchlass zugestanden wird, ist mit den gängigen Fenstersystemen diesem Phänomen nicht beizukommen.—

Das wichtigste in Kürze

Die Ursache des Kondensat-Ausfalls im Fenster-Falz ist in erster Linie der nicht abgeführte Dampfpartialdruck innerhalb des Gebäudes. Dieser drückt Raumluft in kleinste Fugen am Fenster, sodass der Taupunkt unterschritten wird und Kondensat entstehen kann. Da Druck in einem offenen Raum immer nach oben wirkt, sind in der Regel Fenster in den oberen Stockwerken stärker betroffen als Fenster in den unteren Etagen.

Der Autor

Jürgen Sieber ist Betriebswirt und Glasermeister, öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger für das Glaser- und Fensterbauer-Handwerk. Zusätzlich unterrichtet er an der Meisterschule für Glaser- und Fensterbauer in Karlsruhe

www.fensterbau-sieber.de