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Vakuumglas ermöglicht neue Konstruktionslösungen

Das Fenster neu gedacht

_ Das Thema Energieeffizienz im Fensterbau ist in den letzten Jahren bedeutsam gewesen und wird weiter an Bedeutung gewinnen. Neue Glasprodukte, wie zum Beispiel Vakuumglas, sind als mögliche Optimierungen in aller Munde. Während über die zukünftige Verfügbarkeit und die gute thermische Performance des Glases bei den verschiedenen Stakeholdern kaum Zweifel bestehen, sind andere Fragen diesbezüglich nach wie vor offen.

Das betrifft auf der einen Seite die Dauerhaftigkeit des Glases (bedenkt man, dass auch gute Isoliergläser mit der Zeit langsam ihre Füllgaskonzentrationen verlieren, würden solche Undichtheiten beim Vakuumglas eine rapide Performanceverschlechterung bedeuten), auf der anderen Seite die für einen vernünftigen Einsatz des Vakuumglases erforderlichen Fensterkonstruktionen.

Neue Fensterlösungen im Visier

Betreffend der letzten Frage ist sich die Branche heute weitgehend einig, dass die für (3-fach-)Isolierglas optimierten Fensterkonstruktionen wohl nicht des Rätsels Lösung sein können. Um hier einen strukturierten Zugang zu finden, hat die Holzforschung Austria gemeinsam mit der TU-Wien (Abteilung Bauphysik und Bauökologie) sowie mit Partnern aus der Wirtschaft an innovativen Fensterlösungen gearbeitet.

Im Zuge des Sondierungsprojektes „Motive“ (Förderprogramm „Stadt der Zukunft“ des Bundesministeriums für Verkehr, Innovation und Technologie (bmvit) bzw. der österreichischen Forschungsförderungsgesellschaft (FFG)) wurden erste Lösungsansätze für die technische Integration von Vakuumglas-Elementen in neue Holz-/Holzalufenster erforscht.

Als erster Schritt wurden – aufbauend auf einer breiten Wissensbasis betreffend Vakuumgläser, Öffnungsmechanik sowie Materialität und Verfügbarkeit von Gläsern und Rahmenmaterialien – Konzepte für zukünftige Vakuumglasfenster entwickelt. Jede dieser frühen konzeptionellen Annäherungen wurde im Projektteam einer kritischen Diskussion und analytischen Optimierung unterworfen. Auf diese Weise entstanden in dieser Phase eine Vielzahl an – nicht unbedingt auf technisch-wirtschaftliche Machbarkeit getrimmte – Designideen, welche zum Teil auch von sehr ausgefallenem Charakter waren.

Ausgewählte Konzeptideen aus diesem Pool wurden anschließend einer eingehenden baukonstruktiv-hochbautechnischen Analyse unterzogen, um daraus Entwurfskonzepte abzuleiten. Dabei spielten Aspekte wie Handhabbarkeit, mögliche Probleme bei Planung, Bau, Einbau, Nutzung, Reinigung oder Wartung bereits eine wesentliche Rolle.

Die vielversprechendsten Entwurfskonzepte wurden im Projektteam eingehend überprüft und zur Erstellung von physischen Handmustern herangezogen, die naturgemäß die berücksichtigen Aspekte um Materialität, Benutzbarkeit/Bedienbarkeit und letztlich auch Dichtheit und Montage erweiterten. Anhand der Handmuster konnten rudimentär Aspekte der späteren Optik des fertigen, eingebauten Fensters, wie auch Studien betreffend der Akzeptanz am österreichischen und internationalen Markt betreffend Öffnungsrichtung und Bedienbarkeit nachvollzogen werden.

Im Folgeschritt erstellte das Projektteam aus den Handmustern funktionsfähige Prototypen, die zum vertiefenden Modellstudium der verschiedenen Designs dienten.

In der abschließenden Phase wurde ein 1:1 Mock-Up mit Vakuumglas realisiert. Bei diesem musste auf die Verfügbarkeit von entsprechenden Beschlagkomponenten Rücksicht genommen werden, bzw. teilweise improvisiert werden.

Das Mock-Up wurde anschließend ausgiebig auf Herz und Nieren geprüft. Abbildung 1 zeigt schematisch den Projektablauf.

Konkret wurden sieben unterschiedliche Typen entwickelt und in Form von Handmustern und/oder Prototypen sowie einem voll funktionstüchtigen Mock-up umgesetzt.

  • Typ A, (nach) innen öffnendes Fenster
  • Typ B, (nach) außen öffnendes Fenster (siehe Abbildung 4)
  • Typ C, Schwing-Klappfenster (siehe Abbildung 2)
  • Typ D, Vertikal-Schiebefenster (siehe Abbildung 3)
  • Typ E, seitliches Dreh-Schwenkfenster (siehe Abbildung 5)
  • Typ F, Magnetdichtungsfenster
  • Typ G, variables 4-seitig Abstell-Fenster

Jedes der entwickelten Fenster verfügt über spezifische Eigenschaften, die mithilfe einer SWOT-Analyse (Stärken/Schwächen, Chancen/Risiken) bewertet wurden. Die Ergebnisse aus diesem Sondierungsprojekt zeigen, dass die Spezifika von Vakuumglas wie z. B. Ug-Werte von 0,5 W/(m2K) bei extrem dünner Gesamtglasdicke (in der Regel 8 bis 10 mm), das damit verbundene geringe Gewicht und der in Folge des thermischen Schwachpunktes „Randverbund“ erforderlich große Glaseinstand, eine spezielle konstruktive Gestaltung und Detailierung erforderlich machen.

Neue Öffnungsarten, andere Bedienkonzepte

Gerade diese Notwendigkeit und die damit verbundenen Herausforderungen eröffnen aber gleichzeitig auch die Möglichkeit, neue Zugänge zum Thema Fenster zu finden. So konnten mutige Öffnungsarten realisiert, geänderte Bedienkonzepte entwickelt, extrem schlanke Profilquerschnitte umgesetzt und Fenster bei denen die Lichte der Innenlaibung jener der Stock-, Flügel- und Glaslichte entspricht, entwickelt werden.

Solche Entwicklungen werden sowohl bei Endnutzern, wie auch bei Planern entsprechende Akzeptanz finden. Betrachtet man parallel die immer strenger werdenden thermischen Vorgaben für Gebäudehüllen so ergibt sich eine zweifache Win-Win-Situation durch die beschriebenen Entwicklungen.

Basierend auf den Resultaten dieser Sondierungsstudie kann zusammenfassend folgendes festgehalten werden:

  • Mit den Vakuumgläsern können sehr schlanke Konstruktionen mit guter Gesamtenergieperformance (Passivhausstandard) erstellt werden. Der Hauptknackpunkt besteht darin, die Wärmelängsleitung im Glas und die damit verbundene Wärmebrückenwirkung durch entsprechende Rahmenkonstruktionen und große Glaseinstände abzufangen. Die gezeigten Entwürfe weisen hier gute Ergebnisse auf und können als Design-Guideline für weitere Entwicklungen dienen.
  • Die Schlankheit der Profile lässt sich bis auf Profilquerschnitte von alten Kastenfenstern reduzieren, wobei dabei immer noch die statischen und thermischen Anforderungen, unterstützt durch das dünne und tragfähige Vakuumglas, erfüllt werden können.
  • Die deutlich schlankeren Fenster ergeben bei gleichem Stockaußenmaß eine größere Glaslichte und damit auch einen höheren Licht- und Energieeintrag. Außerdem ergibt sich durch die Schlankheit der Bauteile eine größere Bewegungsfreiheit architektonischer Planungen im Bereich der Fensternische. Dem Thema Beschattung ist weiterhin besonderes Augenmerk zu schenken.
  • Technologieentwicklung im Bereich Verschlussmechanismen, Beschläge und Dichtungen sowie Motorisierung und Steuerungstechnik sind nicht nur wünschenswert, sondern auch erforderlich, will man konsequent einen neuen Weg in der Fensterentwicklung gehen.
  • Öffnungs- und Bewegungsrichtungen, die von dem gewohnten mitteleuropäischen Fenster abweichen, sind hinsichtlich Innovationsgrad oftmals etwas bereits Dagewesenes, was sich aus verschiedenen (technischen) Gründen nicht durchgesetzt hat. Die Vakuumglastechnologie bietet aber Chancen (dünne Glasdicken, geringes Gewicht, gute thermische Performance), um hier solche Ideen neu zu etablieren. —

Tipp der Redaktion: Weitere Informationen zu diesem Projekt werden im Rahmen des Fenster-Türen-Treff 2018 in Alpbach (Tirol) vom 8. bis 9. März 2018 vorgestellt.

Im Interview mit Peter Schober

Zur Frage nach künftigen Fensterkonstruktionen und der Verfügbarkeit von Vakuumisolierglas – auch in der Zukunft – haben wir Peter Schober zum Interview gebeten:

GLASWELT – Herr Schober, halten Sie tatsächlich Fensterkonstruktionen mit 3-fach-Iso für eine Übergangstechnologie und eine Fensterkonstruktion mit implizierten Schwächen?

Peter Schober – Nein, da haben Sie mich missverstanden. Unsere klassischen Fensterkonstruktionen wurden in ihren Grundzügen in den 60er-Jahren entwickelt und laufend optimiert, sodass uns heute ein exzellentes Fenster zur Verfügung steht. Revolutionäre Neuentwicklungen sind in diesem Zusammenhang aus meiner Sicht aber nicht zu erwarten. Für die nächste Fenstergeneration braucht es grundlegend neue Ansätze, auch was beispielsweise die Bedienbarkeit, Konstruktion oder Verglasung betrifft. Vakuumglas, was leichter und dünner bei sehr guten U-Werten ist, stellt dazu einen möglichen Lösungsansatz dar, aber sicher nicht der einzige.

GLASWELT – Um das Thema Vakuumglas ist es generell etwas ruhiger geworden. Es gab vor 10 Jahren ein Forschungsprojekt und in der Branche wurde immer wieder die Umsetzung zu einem machbaren Fertigprodukt versprochen. Glauben Sie noch an die Realisierung eines VG im größeren Stil?

Schober – Die aktuellen Entwicklungen von Vakuumglas zeigen unterschiedliche Lösungsansätze, wobei derzeit die Entwicklungen im asiatischen Raum die Nase vorn haben dürften. Diese Produkte werden großtechnisch hergestellt und sind jederzeit lieferbar. Was uns in diesem Zusammenhang fehlt, sind Produktionen im europäischen Raum.

GLASWELT – Stützen sich die in dem Projekt entwickelten innovativen Fensterlösungen auf die VG-Entwicklungen aus Fernost, bei denen die VG-Einheit über eine Lochbohrung und ein Ventil verfügt?

Schober – Unsere Machbarkeitsstudien stützen sich auf den Einsatz von Vakuumglas, egal welcher Provenienz. Entscheidend für unsere Lösungsansätze war neben der thermischen Performance die extreme Schlankheit der Verglasungseinheit von in der Regel 8 bis 10 mm und das geringere Gewicht.

Vielen Dank für die Auskünfte! Die Fragen stellte Daniel Mund.

Die Autoren

Peter Schober, Leiter des Fachbereichs „Fassaden, Fenster, Türen und Beschläge“ an der Holzforschung Austria (HFA)Kontakt: p.schober@holzforschung.at

Ulrich Pont (TU Wien, Abteilung Bauphysik und Bauökologie)

Kontakt: ulrich.pont@tuwien.ac.at

Projektbeteiligte Firmen: Internorm, Katzbeck, Svoboda, Wicknorm

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