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Licht zu lenken ist der entscheidende Faktor

Transparenz alleine reicht nicht aus

_ In den letzten Jahren haben sich Humanbiologen, Allgemeinmediziner und Psychologen zunehmend mit den Wirkungen von Licht auf den Organismus und die Psyche des Menschen befasst. Im Rahmen des vom FVLR initiierten Projektes „Tageslicht nutzen“ wurde bewiesen, dass die menschliche Gesundheit weit über das vorher bekannte und vermutete Maß hinaus von Licht beeinflusst wird, denn Licht ist und bleibt ein Lebenselixier.

Es geht ums Wohlbefinden

So ist die künstliche Beleuchtung von Arbeitsstätten eine der wichtigsten Ursachen des sogenannten „Sick Building Syndroms“ (SBS), während die Beleuchtung durch natürliches Tageslicht die Gesundheit selbst dann noch positiv beeinflusst, wenn Störungen auftauchen (z. B. Wärmeeintritt oder Blendung aufgrund falscher Planung). Menschen, die unter ungünstigen Lichtverhältnissen arbeiten, fühlen sich schneller ermüdet, haben mehr Kopfschmerzen oder leiden häufiger unter Konzentrationsschwäche. Je weiter der Arbeitsplatz im Rauminnern und damit von Fenstern entfernt liegt, desto stärker fallen diese Beschwerden aus. Doch nicht nur die niedrigere Beleuchtungsstärke wirkt sich negativ auf den Menschen aus, auch die andere spektrale Zusammensetzung des abgestrahlten Kunstlichts wirkt auf den Menschen anders als natürliches Tageslicht. Die Lampen- und Leuchtenindustrie versucht dem durch sogenannte „Vollspektrumlampen“ zu begegnen. Winterdepressionen, oder auch „Seasonal Affective Disorder“ (SAD) genannt, entstehen ebenso infolge Lichtmangels. Diese Erkrankung ist keine Ausnahmeerscheinung. Betroffen sind schätzungsweise etwa ein Viertel der Bevölkerung Mittel- und Nordeuropas. Winterdepressionen lassen sich einfach und sehr erfolgreich allein mit natürlichem Lichttherapieren behandeln. Im Umkehrschluss ist festzustellen, dass fehlende Einwirkungen des natürlichen Lichts auf den menschlichen Körper zu Erkrankungen führen. Eine Auswirkung betrifft die Melatoninproduktion des Körpers, die durch Licht wesentlich beeinflusst wird. Das Hormon Melatonin steuert den Wach-Schlaf-Rhythmus des Menschen (circadianen Rhythmus).

Künstliche Beleuchtung behindert z. B. die natürliche Melatoninproduktion, wenn sie in den Dunkelstunden genutzt wird. Die Steuerung des circadianen Rhythmuses wird hauptsächlich durch das Tageslicht vorgenommen. Tagtäglich sorgt es für einen Reset unserer inneren Uhr.

Bessere Ausbildungsbedingungen

Ausreichendes natürliches Tageslicht verbessert das Betragen von Schulkindern, sowohl durch Erhöhung der Konzentration als auch des Sozialverhaltens. Es wird berichtet, dass Kinder mit Aufmerksamkeitsstörungen (Attention Deficit Disorder = ADD ) unter Tageslicht mehr leisten als unter Neonlicht. Dies belegt eine Studie, die durch Messung des Kortisolspiegels (ein Stresshormon) das Verhalten von Schulkindern in tageslichtversorgten Klassenräumen in Schweden beobachtet hat. Die Ergebnisse weisen darauf hin, dass Arbeiten in Klassenräumen ohne Tageslicht das grundsätzliche Hormonmuster umwirft, und das wiederum beeinflusst die Fähigkeit der Schüler zu Konzentration und Kooperation.

Ausreichendes natürliches Tageslicht, insbesondere von oben durch Dachoberlichter in die Räume geleitet, verbessert nach mehreren amerikanischen Studien erheblich die Lernleistung von Kindern in der schulischen Ausbildung.

Tageslicht steigert Produktivität

Auch eingehende Studien aus dem Arbeitsleben zeigen, dass sich an besser beleuchteten Arbeitsplätzen weniger Ermüdung einstellt und dementsprechend die Fehlerquote rapide sinkt, während die Kurve der Arbeitsleistung steil nach oben steigt. Die TU Ilmenau untersuchte die Leistungsabhängigkeit von der Beleuchtungsstärke an typischen Industriearbeitsplätzen mit neun bis zwölf Versuchspersonen. Das Ergebnis: Für schwierige Sehaufgaben, wie das Zuschneiden von Werkstücken, erzeugen höhere Beleuchtungsstärken eine deutliche Steigerung der Leistung. Diese erreicht beim Zuschneiden Werte über 150 Prozent, wenn 600 Lux statt der vorgeschriebenen Nennbeleuchtungsstärke von 300 bis 500 Lux realisiert werden. Eine richtige Beleuchtung erleichtert also nicht nur den Arbeitstag, sondern hilft auch, mit weniger Fehlern mehr zu schaffen – ein wichtiger ökonomischer Gesichtspunkt.

Das Tageslicht verbessert die Sehleistung, wobei die Sehleistung eine nicht hinreichend genau festgelegte Größe ist. In der Lichttechnik wird darunter in der Regel das Erkennen von Formen bzw. Kontrasten verstanden. Das Sehsystem des Auges wird dabei hinsichtlich der Sehschärfe, der Unterschieds- und Formempfindlichkeit sowie der Wahrnehmungs- und Anpassungsgeschwindigkeit an die Entfernung beansprucht. Dabei hängt die Leistung des Auges erheblich vom Leuchtdichtenniveau ab, das durch die „Intensität“ der Beleuchtung auf das Sehobjekt bestimmt wird. Aus diesem Grund beruhen die meisten lichttechnischen Vorgaben auf der Beleuchtungsstärke. Dies spiegelt sich auch in den Bestimmungen der Normen wider. Allerdings hat dieses Vorgehen mehrere Nachteile: Die Beleuchtungsstärke als integrale Größe bestimmt die Leuchtdichte des beleuchteten Objektes nur dann, wenn es eben und vollkommen matt ist. Dies ist aber in der Lebens- und Arbeitsumwelt nicht der Normalfall. Wenn ein Sehobjekt keine matte Oberfläche hat, kann das Licht aus einer bestimmten Richtung die Wirkung des Lichtes aus einer anderen Richtung mindern oder sogar zunichte machen.

Für die Berechnung der Beleuchtungsstärke ist es unerheblich, ob das Licht aus einer großen Fläche mit einer relativ geringen Leuchtdichte (z. B. Oberlichtöffnung) einfällt oder aus einer kleinen Fläche mit hoher Leuchtdichte (z. B. künstliche Beleuchtung mit energieeffizienten Lampen). Die Auswirkungen auf den Sehvorgang stellen sich aber gravierend dar: Die Gefahr einer Direkt- oder einer Reflexblendung auf beleuchtete Objekte ist bei kleinen Lichtquellen hoher Leuchtdichte ungleich größer.

Auch Farbe spielt eine Rolle

Was also landläufig als Sehleistung bezeichnet wird, stellt somit die Unterstützung einiger elementarer Funktionen des Auges dar, die teilweise zulasten anderer wichtiger Funktionen wie beispielsweise des Farberkennens geht. Will man eine Tageslicht- mit einer Kunstlichtinstallation üblicher Art realistisch vergleichen, muss man allein wegen der Berücksichtigung der Farbwiedergabeeigenschaften die Kosten für das Kunstlicht um etwa 60 Prozent höher ansetzen. Wenn man Dachoberlichter mit künstlicher Beleuchtung im Sinne der gesamten Leistungsfähigkeit des Auges einschließlich dem Erkennen von Formen und der Reflexblendung vergleichen will, muss man in etwa ein Lux Tageslicht mit dem Aufwand für zwei Lux künstliches Licht gleichsetzen. Überschläglich gerechnet erreicht man also bei Tageslicht die gleiche Sehleistung mit der Hälfte der Beleuchtungsstärke.

Die richtige Tageslichttechnik

Wenn man noch dazu berücksichtigt, dass Licht immer mit einer unvermeidbaren Beigabe von Wärmestrahlung verbunden ist, über die man sich im Winter sicherlich freut, im Sommer aber scheut, dann wird die Wirkung und Überlegenheit von tageslichtlenkenden Systemen immer deutlicher. Das bedeutet, dass die Beleuchtung mit Dachoberlichtern und einem Sonnenschutz mit Tageslichtlenkung allein schon aufgrund der Sehleistung einer üblichen künstlichen Beleuchtung überlegen ist. Gleiches gilt für die Fenster und Fassaden. Da gilt es heute aufzupassen, mit schaltbaren Gläsern nicht wieder in die Denkweise der siebziger Jahren zu verfallen und bei Sonneneintrag nicht wieder gleichförmige Lichtverhältnisse mit hohem Kunstlichtanteil zu schaffen. Hier muss über die Ausleuchtung der Raumtiefe mit Tageslicht nachgedacht werden. Sonnenschutz kann das schon seit über 25 Jahren.—

Olaf Vögele

Fußnoten

Quelle: Fachverband Tageslicht und Rauchschutz e.V.

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