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Der Kommentar

Erfahrung ist gut — Regeln sind es auch

Beginnen wir doch einfach mit dem häufigsten Spruch, wenn es zu Problemen auf der Baustelle kommt und der Sachverständige gerufen wird: „Das machen wir schon 30 Jahre so, das hat immer gehalten und jetzt wollen Sie uns erklären, dass das nicht mehr funktionieren soll“. Der Ton wird meist lauter und die Fronten verhärten sich schnell. Wenn dann noch seitens des Sachverständigen Anforderungen aus einer neuen Norm oder Richtlinie zitiert werden, kann es schnell unsachlich beim Ortstermin werden.

Szenenwechsel: Eine Straße vor einem Kindergarten, auf der bis vor Kurzem ein Tempolimit von 50 km/h galt. Seit Neuestem gibt es ein neues Limit: 30 km/h. Was hat das jetzt mit dem Sachverständigentermin zu tun? Wie im Straßenverkehr, können sich auch im Bauwesen bestehende Regeln ändern. Und in diesen beiden exemplarischen Bereichen können die Regeln überschritten werden, ohne dass unbedingt ein sofortiger Schaden entstehen muss.

Wenn man heute nach 10 Jahren gültiger Markisennorm immer noch auf Montagen trifft, bei denen Kunststoffdübel verwendet werden, entspricht das vergleichbar Fahrzeugführern, die trotz 30 km/h-Schildern mit 50, 70 oder gar 90 km/h am Kindergarten vorbeifahren.

Ein Schaden bzw. ein Unfall trifft in der Regel erst mit einem zweiten Vorkommnis ein, das man selbst nicht kontrollieren kann. Sei es das Kind, das vollkommen unbedarft auf die Straße und damit vor das Auto läuft, oder ein aufkommender Sturm, der die Markise aus den nicht ausreichend ausgeführten Verankerungen reißt.

In beiden Fällen kommt es so zum teilweise unvermeidlichen Schadensfall. Es ist also das Risiko, welches der Fachbetrieb oder der Autofahrer nicht einschätzen können, auch wenn sie meist sehr sicher sind, dass sie es können.

Natürlich ist Erfahrung durch nichts zu ersetzen, aber Routine schafft auch Möglichkeiten für Fehler. Nicht umsonst müssen Flugzeugführer deshalb ihre Manöver nach Checkliste einleiten und werden zur ständigen Weiterbildung verpflichtet. Und da haben wir es, das Zauberwort „Weiterbildung“.

Genau hier differenziert sich das Handwerk unerbittlich. Während die einen die Angebote der Vorlieferanten und Verbände annehmen, um die Mitarbeiter der Fachbetriebe weiter zu qualifizieren und das Wissen dem anerkannten Stand der Technik anzupassen, verweigert sich ein bedeutender Teil von Betrieben diesem Thema völlig und bleibt so auf der Stelle stehen.

Da sich die Technik gleichzeitig rasant weiterentwickelt, verlieren diese Betriebe sogar stetig an Boden. Da hilft auch keine Meisterprüfung, die vor 30 Jahren abgelegt worden ist, wenn man sich nicht immer wieder mit den aktuellen Entwicklungen in der Branche auseinandersetzt.

Das gilt übrigens auch für die Sachverständigen.

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