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Farbglas: Vorsicht mit dem richtigen Farbton

Wenn Weiß nicht gleich Weiß ist

_ Ein Ehepaar will sich eine neue Küche anschaffen. Zunächst werden neue Küchengeräte und Küchenmöbel gekauft und eingebaut. Die Fronten der Küchenmöbel sind weiß lackiert.

Passend dazu wollen die beiden jetzt auch die Wände unterhalb der Hängeschränke durchlaufend mit weißen Glasscheiben ausstatten lassen. Das Ehepaar entscheidet sich einen Glasfachbetrieb aufzusuchen, um solche weißen Gläser in Auftrag zu geben. Dazu nehmen sie eine Schranktür als Farbmuster mit.

Der Fachmann berät das Paar und legt den Eheleuten im Rahmen der Beratung dabei ein 4 mm dickes, rückseitig bedrucktes Handmuster als Farbmuster vor.

Das Weiß der Schranktür und des Musters stimmen weitestgehend überein. So einigt man sich und die Lieferung der benötigten Scheiben wird auf Basis der Bemusterung in Auftrag gegeben.

Kaum sind aber die Scheiben geliefert und eingebaut stellt das Ehepaar enttäuscht fest, dass der Farbton von dem Weiß der Küchenmöbel abweicht und bemängelt dies beim Glasfachbetrieb.

Der Fachbetrieb widerspricht dem Kunden

Dieser widerspricht den Kunden und lehnt die Bemängelung ab. Dies begründet er damit, dass er geliefert habe wie bemustert und dass der Farbeindruck im eingebauten Zustand wegen der abweichenden Lichtverhältnisse vor Ort von dem Farbton anlässlich der Bemusterung abweichen könne.

Das Ehepaar will diese Aussage so jedoch nicht hinnehmen und beantragt über einen Anwalt bei Gericht die Durchführung eines selbstständigen Beweisverfahrens mit der Frage: „Entspricht der Farbton der gelieferten Glasscheiben (ESG 6 mm extra weiß Satinato) den Vorgaben des ihnen bei der Beratung übergebenen Referenzmusters?“

Beim Ortstermin begutachtet der Sachverständige die gelieferten Glasscheiben, die als „Küchenspiegel“ an den Wänden unterhalb der Hängeschränke verklebt sind. (Bild 01). Der Sachverständige stellt beim Ortstermin das Referenzmuster stichprobenweise vor einige der gelieferten und eingebauten Glasscheiben.

Die Beurteilung erfolgt aus verschiedenen Blickwinkeln vor den Bestandsgläsern. Es wird gleich deutlich, dass der Farbton von dem des Referenzmusters abweicht. Insgesamt erscheint der Farbeindruck der gelieferten Glasscheiben gegenüber dem Referenzstück eher ins Graue gehend (Foto 02).

Weiter stellt der Sachverständige fest, dass das Referenzmuster eine Glasdicke von 4 mm besitzt. Die gelieferten Glasscheiben haben hingegen eine Glasdicke von 6 mm. Zwar hat das Referenzglas aufgrund seiner um 2 mm geringeren Glasdicke bei ansonsten gleichen technischen Bedingungen eine um 1 % höhere Lichtdurchlässigkeit (92 % gegenüber 91 %) als die dickeren Scheiben, dieser technisch-physikalische Unterschied alleine reicht jedoch nicht aus, um eine Aussage zu einem möglicherweise vorhandenen signifikanten Farbunterschied treffen zu können.

Es kommt hinzu, dass bei Betrachtung und Vergleich vor Ort verschiedene Parameter, wie zum Beispiel ein unterschiedlicher Lichteinfall in die Glaskanten an unterschiedlich großen Scheiben möglicherweise den Farbeindruck beeinflussen können.

Um dies auszuschließen, wird vereinbart, dass der Glasfachbetrieb eine der gelieferten Glasscheiben von der Wand ablöst und dem Sachverständigen diese Scheibe dann zusammen mit dem Referenzglas zur weiterer Untersuchung übergibt.

Auch die Labor-Messung belegt den Farbunterschied zwischen den Gläsern

Um einen möglicherweise vorhandenen Farbunterschied objektiv festzustellen, wird im Labor die Messung eines sogenannten „Lab-Farbraum“ nach DIN EN ISO 11664-4 durchgeführt.

Im „Lab-Farbraum“ sind alle Farben enthalten, wie sie vom Auge eines Normalbeobachters bei Standard-Lichtbedingungen wahrgenommen werden.

  • Jede Farbe im Farbraum ist durch die drei Messwerte L, a und b festgelegt.
  • Der Messwert L steht für die Helligkeit. Ein Messwert von 0 steht für Schwarz, ein Messwert von 100 steht für Weiß.
  • Der Messwert a steht für den Bereich Grün und Rot. Der Messwert b steht für den Bereich Blau und Gelb.

Aus diesen drei Messwerten berechnet sich ein Wert E.

Als allgemeine Faustregel gilt, dass das menschliche Auge ab einem Unterschied von E = 3 einen Farbunterschied optisch wahrnehmen kann.

Der aus der durchgeführten Messung berechnete Wert E = 9,06 bestätigt den bereits beim Ortstermin mit bloßem Auge festgestellten abweichenden, ins Graue gehende Farbeindruck.

Das Fazit des Sachverständigen

Gerade bei einer geforderten Farbgleichheit sollte ein Glasfachbetrieb immer sicherstellen, dass auch wirklich das geliefert wird, was bemustert wurde. Dies war im Rahmen des vorliegenden Gutachtens nicht der Fall.

Bei der Beurteilung der Farbgleichheit im eingebauten Zustand vor Ort können verschiedene Parameter, wie etwa ein unterschiedlicher Lichteinfall in die Glaskanten das Ergebnis beeinflussen und zu einem abweichenden Farbeindruck führen.

Im Rahmen der Hinweispflicht sollte der Glasfachbetrieb seinen Kunden bereits vor der Auftragsannahme hierüber informieren.—

Der Autor

Wolf-Dietrich Chmieleck ist öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger für Glastechnik.

IGA Institut für Glas-Anwendung

Tel. (0 23 02) 7 53 83

www.iga-chmieleck.de