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Serie: Technische Fensterentwicklung

Vom Monoglas zum Hochleistungs-ISO

_ Über Jahrzehnte bestimmten Sprossenfenster aus Holz mit kleinen Scheiben und geringen Flügelbreiten das Bild der Fassaden der Gebäude. Die Fenster waren zurückgesetzt und damit ausreichend vor direkter Bewitterung geschützt. Das Verglasungssystem aus Glas, Rahmen und freiliegender Kittfase stellte den zufriedenstellenden Standard dar. Die Architektur der 60er-Jahre mit großen Fensterflügeln und sprossenloser Verglasung führte zur Überbeanspruchung der Kittfasen und zum Wassereintritt in die Holzkonstruktion. Grundlegende konstruktive Veränderungen führten nun zum Regelfall einer Verglasung mit äußerem Glasfalzanschlag, einer innen liegenden Glashalteleiste und der Abdichtung mit plastischen Dichtstoffen.

Mit der „Tabelle zur Ermittlung der Beanspruchungsgruppen zur Verglasung von Fenstern; Holzfenster“ erarbeitete der Arbeitskreis Dichtstoffe des ift Rosenheim 1967 die Grundlagen für die Glasabdichtung. Ausgehend von der äußeren Beanspruchung konnte hiermit das Verglasungssystem gewählt werden. In den Jahren 1968 bis 1972 gab das ift zunächst die überarbeitete Tabelle für Holzfenster, dann die Tabellen für Aluminium- und Aluminium-Holz- sowie Stahlfenster heraus. Mit verstärktem Einsatz von Mehrscheiben-Isolierglas (MIG) häuften sich die Schäden durch Tauwasserbildung im Scheibenzwischenraum. Bei allen Rahmenmaterialien war der mit plastischem Dichtstoff voll ausgefüllte Falzraum die häufigste Verglasungsart. Untersuchungen des ift führten zu neuen Erkenntnissen für die konstruktive Ausführung der Verglasung mit „dichtstofffreiem Falzraum“. Die Funktion der Öffnungen zum Dampfdruckausgleich im Glasfalz, die mit dem Außenklima in Verbindung stehen, wurde in Labor- und Freilandversuchen überprüft und optimiert. Die Öffnungen wurden für Aluminium- und Kunststofffenster zur Vorschrift. Ende der 70er-Jahre fanden die im ift geschaffenen konstruktiven Grundlagen Eingang in die Verglasungsvorschriften der Isolierglashersteller.

Allerdings beunruhigte eine Häufung von Schäden am MIG nach relativ kurzer Nutzungsdauer Bauherren, Architekten und auch Isolierglashersteller. Ein Grund für den vorzeitigen Ausfall der Scheiben durch Tauwasserbildung im Scheibenzwischenraum war nicht klar erkennbar. Im Gegensatz zur Doppelverglasung bei Verbund- und Kastenfenstern ist die Tauwasserbildung im SZR von MIG ein Mangel und die klare Durchsicht eine vom Hersteller zugesicherte Eigenschaft. Die Begrenzung der in der BRD üblichen Garantie der Tauwasserfreiheit auf fünf Jahre darf nicht verwechselt werden mit der um ein Vielfaches höher liegenden Nutzungserwartung.

Forschungsprojekt zum Alterungsverhalten von MIG

Zur Klärung der Schadensursachen wie auch zur Weiterentwicklung der Systeme war die Kenntnis der Einwirkungen auf das MIG notwendig. Unterschieden wurde in beeinflussbare Beanspruchungen des Randverbundes wie z. B. Feuchtigkeit sowie in nicht beeinflussbare Beanspruchungen wie Temperatur und Luftdruck. Im Rahmen des Projekts wurden unter anderem die genannten Einflüsse untersucht. Daraus resultierten verschiedene Vorgaben:

  • Vermeidung kleinformatiger Scheiben mit großem SZR
  • höhere Nutzungserwartung bei zweistufigen Isolierglassystemen (mit innerer Dichtung aus Butyl und äußerer Abdichtung aus elastischen Dichtstoffen)
  • Glaseinbau mit spritzbaren Dichtstoffen als auch mit vorgefertigten Profilen
  • Vermeidung der Feuchtigkeitsbelastung des Randverbundes durch einen dichten Glaseinbau sowie durch Öffnung des nicht ausgefüllten Falzraums zur Außenseite.

Zusammenfassend wurde festgestellt, dass bei den Verglasungssystemen keine grundsätzlichen Änderungen, wohl aber Verfeinerungen der Systeme zu erwarten sind. Aufgrund der durchgeführten Arbeiten und der Erfahrungen aus der Praxis wurde bei Mehrscheiben-Isolierglas mit geklebtem Randverbund bei Einhaltung der vorgenannten Vorgaben von einer Nutzungsdauer zwischen 20 und 30 Jahren ausgegangen.

Das Fügen der Einzelscheiben zu MIG war zunächst technologisch nicht einheitlich gelöst. Manche erfahrene Bauschaffende kennen und gebrauchen noch Markenbegriffe wie „Thermopane“ (mit gelötetem Randverbund), „Gado“ (mit geschweißtem Randverbund) oder „Cudo“ (mit geklebtem Randverbund).

Der mit organischen Klebstoffen gefügte zweistufige Randverbund mit Abstandhalterrahmen und Trocknungsmittelfüllung setzte sich allerdings recht schnell als Standard durch.

Grundlagen der Verglasung

Die Erfordernisse beim Einbau des MIG in den Rahmen haben sich in den vergangenen Jahren nicht wesentlich geändert. Die Grundsätze bzgl.

  • Lagerung: Klotzung in Abhängigkeit von der Öffnungsart mit Trag- und Distanzklötzen; Auflage der Klötze über alle Scheiben und Lastabtragung über den Falzgrund,
  • Abtragung der Kräfte quer zur Ebene: ausreichend befestigte Glashalteleiste oder Pressleiste,
  • Dichtheit des Glasfalzes: Abdichtungen zwischen Rahmen und Glas mit Dichtstoff (mit/ohne Vorlegeband) oder Dichtprofil; dichte Stöße der Glashalteleiste zum Rahmen und untereinander,
  • Belüftung und Feuchteabführung: zusammenhängende Hohlräume, Öffnungen zum Außenklima

sind nach wie vor allgemein gültig. Im Zuge der dichter werdenden Gebäudehüllen ist insbesondere die Umsetzung der letzten beiden Punkte in neuerer Zeit von besonderer Bedeutung.

Mit flächenmäßig größtem Anteil am Fenster besitzt das Glas einen wesentlichen Einfluss auf dessen Leistungseigenschaften. Dadurch ergaben sich vielfältige Lösungen für spezielle Anforderungen, die teilweise heute noch aktuell sind.

Treibende Kraft hinter der Entwicklung war lange Zeit der Wärmeschutz.

Die Reduzierung der Transmissionswärmeverluste beim Fenster war über Jahrzehnte hinweg praktisch nur über die Gläser umgesetzt worden. Die ersten 3-fach-Gläser mit Luftfüllung wurden von Wärmeschutzgläsern mit Low-E-Beschichtungen und Gasfüllungen abgelöst. Der g-Wert und die Lichttransmission wurden als wesentliche Faktoren für die Energieeffizienz und die Behaglichkeit erkannt, die Beschichtungen entsprechend optimiert.

Mit steigender Nachfrage bezüglich passivhaustauglicher Fenster wurden erneut 3-fach-Aufbauten, nun mit zwei Low-E-Beschichtungen und Gasfüllungen, für die Isoliergläser aktuell.

Anfänglich wurde dabei die Wärmebrückenwirkung des Abstandhalters durch einen tieferen Glaseinstand im Rahmenprofil kompensiert. Zwischenzeitlich erfolgt dies durch die thermisch optimierten Warm-Edge-Systeme. Dabei werden Abstandhalter aus Kunststoff oder Edelstahl oder Systeme mit Spacern auf Basis von Polymeren oder Schäumen mit integriertem Trocknungsmittel (z. B. „TPS, Super Spacer“) eingesetzt.

Seit Längerem als Structural-Glazing/SG-Verglasung im Fassadenbereich erfolgreich umgesetzt, erfolgte damit eine Adaption einer tragenden Klebung auf das Fenster. Mittels einer Klebeverbindung zwischen Glas und Falzüberschlag oder Falzgrund wird die aussteifende Wirkung des Glases besser als mit einer reinen Klotzung genutzt. Aktuell werden folgende Klebetechniken angewandt:

  • Überschlagsklebung auf unterschiedlichen Positionen (1 oder 4 bzw. 6 bei 3-fach-ISO),
  • Falzgrundklebung,
  • Stufenglasklebung.

Nicht erst seit dieser Entwicklung ist die chemische Verträglichkeit der verwendeten Werkstoffe zu Klebung, Abdichtung, Randverbund und Beschichtungen ein wichtiger Faktor für die Dauerhaftigkeit eines MIG und die Anbindung am Rahmen.

Aktuell im Fokus

Die Entwicklung der Fensterkonstruktion zum Block- und/oder Integralfenster, die durch den Einsatz der Klebung gestärkt wurde, zeigt eine Tendenz zu immer größer werdenden Glasflächen. Der Rahmen, als wärmetechnisch schwächerer Teil der Fläche, wird hinter Dämmung oder Zargen versteckt, sodass nur noch die Glasfläche sichtbar bleibt.

Der gute Ug-Wert des Glases sowie eine große transparente Öffnung für den Lichteinfall kommen dabei besonders zum Tragen. Durch Adapter-Rahmen, welche sinnvollerweise bereits Bestandteil des MIG sind, kann eine einfache Anbindung an das Fenstersystem erfolgen. Um sommerliche Kühllasten zu vermeiden, wird auch der Sonnenschutz wichtiger und in die Gesamtkonstruktion integriert. Closed-Cavity-Fassadenelemente, also Wandbauteile mit integrierten Funktionselementen in einem leicht belüfteten SZR, erhalten zunehmend Bedeutung.

Auch das MIG mit großen Zwischenräumen und Low-E-Beschichtungen, aber ohne Gasfüllung, das dauerhaft über Kapillarrohre oder andere Vorrichtungen mit dem Umgebungsdruck in Verbindung steht, wird den Trend zum mehrschichtigen Aufbau ergänzen.

Ein weiteres großes Zukunftsthema liegt sicher in der Renovierung. Fenster mit kleinformatiger Sprossenteilung sollen in der Ansicht erhalten bleiben. Trotzdem muss der erforderliche Wärmeschutz gewährleistet sein. Für diese Anwendungen wartet die Fensterindustrie, vor allem beim Holzfenster, sehnsüchtig auf die Einführung des Vakuumglases als geregeltes Bauprodukt, wo mit kleinen Formaten und geringen Dicken und Gewichten das frühere Float-Einfachglas stilgerecht ersetzt werden kann.

Ausblick

Zusammenfassend kann man sagen: Die Anforderungen an den wichtigen transparenten Bestandteil von Fenstern und Fassaden bleiben vielschichtig. Wie auch in anderen Bereichen wird es beim Isolierglas kein Produkt geben, das dem Motto „Eines für alles“ gerecht wird. Sowohl das 3-fach-Glas als auch andere mehrschichtige Systeme mit teilweise hohen Gewichten, großen Bautiefen und vielen Funktionen werden im Fassadenbereich ihre Berechtigung behalten.

Beim Lochfenster werden jedoch speziell für die Renovierung Lösungen gebraucht, die schlanke Konstruktionen ermöglichen, die im Wesentlichen wärme- und schallschutztechnische Anforderungen erfüllen.—

50 Jahre ift Rosenheim

Das ift Rosenheim feiert 2016 sein 50-jähriges Bestehen. Deshalb wird in einer 10-teiligen Fachartikelserie die technische Entwicklung vorgestellt. Die einzelnen Beiträge beziehen sich auf Zeitfenster von 5 Jahren ab der Institutsgründung. Bisher haben wir über folgende Themen und Zeitfenster berichtet:

  • „Gegründet, um das Holzfenster besser zu machen“ (1966–1970): Heft 01/2016, S. 62 ff.
  • „Auf dem Weg zum energiesparenden Bauen“ (1971–1975): Heft 02/2016, S. 122 ff.
  • „Metallprofile zukunftsfähig machen“ (1976–1980): Heft 04/2016, S. 78 ff.

Die Autoren

Gabriele Tengler, stv. Leiterin der Abteilung PR & Kommunikation beim ift, war viele Jahre für die technische Auskunft zuständig.

Ingo Leuschner, techn. Assistent der ift-Leitung bzw. Leitung von div. Forschungsprojekten (Holzfassaden, Beschlagtechnik, Verbundaufbauten, Oberflächen).Karin Lieb ist ift-Produktmanagerin für den Bereich Glas und Baustoffe. Sie übernahm 2003 die entsprechende Prüfstellenleitung.

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