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Klarstellung zu: “Fremdüberwachung bei Fluchttüren nicht zwingend“

Die Verbände der Tischler und Schreiner haben vor wenigen Wochen die Meldung lanciert, dass eine Fremdüberwachung bei Fluchttüren nicht zwingend sei. Stephan Schmidt, Geschäftsführer des Fachverbandes Schloss- und Beschlagindustrie, sagt dazu: "Vorsicht, sehr dünnes Eis!" und erläutert in einer ausführlichen Stellungnahme die rechtlichen Verhältnisse.

Herangezogen werde in der Verbandsmitteilung von Tischler Schreiner Deutschland das Argument, dass Fluchttüren nicht in der Bauregelliste aufgeführt sind und nur in Sonderbauvorschriften die Forderung „leicht und in voller Breite zu öffnen“ existiert, aber an keiner Stelle explizit auf die Eigenschaft der europäischen Norm: „ability to release – Fähigkeit zur Freigabe“ eingegangen wird. Die Stellungnahme ist hier abrufbar und diese Auffassung sei von den Bauministerien der Länder NRW und Bayern bestätigt.

Stephan Schmidt argumentiert: "Richtig ist: Grundsätzlich sprechen wir nur von Außentüren nach europäischer Norm DIN EN 14351-1. Die europäische Norm für Innentüren, welche die Eigenschaft „Fluchttür“ wie im bestehenden Normenteil 1 regeln wird, befindet sich in Bearbeitung. Aktuell werden gerade die Anmerkungen des europäischen Consultants eingearbeitet – auch für Innentüren kann es in ca 12. Monaten eine verbindliche Norm (DIN EN 14351-Teil 2) geben.

Die vorgenommene Auslegung, dass die nicht vorhandene Anforderung in Deutschland einen Inverkehrbringer (Händler oder Hersteller) von der Beachtung existierender europäischer Normen entbindet, ist aber schlichtweg falsch, denn das Inverkehrbringen von Bauprodukten ist im europäischen Binnenmarkt durch die Bauprodukteverordnung (BauPVO) EU 305/2011 geregelt. Diese gilt unmittelbar für den gesamten europäischen Binnenmarkt und hat den Vorläufer, die Bauproduktenrichtlinie, ersetzt. Eine Verordnung hat noch dazu rechtlich einen höheren Stellenwert als eine Richtlinie. 

Die wesentlichen Aspekte Herstellung und Inverkehrbringen sind somit europäisch geregelt. Die Verwendung von Produkten obliegt der Hoheit der jeweiligen nationalen Behörde. In Deutschland ist dies gemäß der Länderhoheit in den Verwaltungsvorschriften des jeweiligen Landes festgelegt (z. B. durch Landesbauordnungen, Versammlungsstätten- und Arbeitsstättenverordnungen).

Hier kann das jeweilige Bundesland aus den vorgegebenen Niveaus ein dem Land entsprechendes Niveau vorgeben, so z. B. bei Schallschutzanforderungen. Bei genauerem Hinsehen ist zu erkennen, dass sich die Aussagen der Ministerien auf die Verwendung von den o. a. Produkten bezieht und nicht auf deren Herstellung und das Inverkehrbringen. 

Richtig ist von daher, dass, wie auch im Artikel angegeben ist, es aktuell keine nationalen baurechtlichen Forderungen dahingehend gibt, dass nur noch geprüfte und zertifizierte Flucht- und Paniktüren verbaut werden dürfen. Darüber hinausgehend ist es sehr entscheidend, was vertraglich vereinbart wurde (Ausschreibungstext) und in wieweit in einem Schadenfall die Frage nach dem „Stand der Technik“ eine Rolle spielen könnte.

Falsch ist die Aussage, dass ein Hersteller, der ein Produkt in Europa mit der „Fähigkeit zur Freigabe“ auf den Markt bringen will, keine Prüfung und Zertifizierung benötigt, da das Inverkehrbringen dem Geltungsbereich der BauPVO unterworfen ist!

Außentüren nach der harmonisierten Norm DIN EN 14351-1 zur „Verwendung in Fluchtwegen“, müssen über das Merkmal „Fähigkeit zur Freigabe“ verfügen. Zu diesem Merkmal ist das Konformitätsbewertungsverfahren (AVCP) Level 1 vorgeschrieben. Dieses beinhaltet eine Ersttypprüfung und eine Zertifizierung jeweils durch eine notifizierte Stelle. Im Rahmen der BauPVO ist darüber hinaus die Ausstellung einer Leistungserklärung vorgeschrieben.

Kurz zusammengefasst

Das Herstellen und Inverkehrbringen von Produkten ist etwas Anderes als die Verwendung von Produkten. Verantwortlich für das Inverkehrbringen bleibt am Ende der Türenhersteller, der sich selbst hierüber kundig machen muss. Auch heute muss bereits jede in Europa in Verkehr gebrachte Außentür ein CE-Kennzeichen haben (Ausnahme: Sonderanfertigungen oder Kleinserien). 

Dem Fachverband liegt hierzu auch eine Stellungnahme der Kanzlei S|M|N|G vor, welche unsere Auffassung bestätigt. Es geht uns auch nicht darum, einen unnötigen Prüfaufwand zu erzeugen – die verwendeten Beschläge müssen sowieso den Normen DIN EN 179 oder DIN EN 1125 entsprechen, sondern die Hersteller von Türen vor Rechtsstreitigkeiten und Regressansprüchen zu schützen."

Die Stellungnahme sowie die erwähnte Rechtsmeinung sind auf der Homepage
des Fachverbandes zu finden:
http://www.fvsb.de/dwnld/pub/2016-05-11_Klarstellung_Fremdueberwachung_Fluchttueren.pdf