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Im Gespräch mit Mirko Heeringa

Gebogen heißt mehr Aufwand

Glaswelt – Mit welchen Besonderheiten bei der Logistik und beim Transport von gebogenen Scheiben müssen Sie sich auseinandersetzen?

Mirko Heeringa – Zuerst einmal gibt es kaum Einsatzmöglichkeiten für Standardpackmittel, denn die Packmittel und deren Auswahl wird durch die Glasart und die Scheibengeometrie bestimmt.

Dazu kommt, dass die Gläser beanspruchungsgerechte Verpackungen brauchen, sprich es macht einen Unterschied, ob die gebogenen Scheiben mit dem Auto, dem Schiff oder dem Flugzeug transportiert werden müssen. Auch vor diesem Hintergrund müssen die Verpackungen den statischen und dynamischen Anforderungen der Produktmasse und den verkehrsträgerspezifischen Beschleunigungskräften angepasst werden.

Glaswelt – Worin unterscheidet sich die Logistik innerhalb Deutschlands vom Transport gebogener Gläser nach Übersee, z. B. wie für Ihr Projekt in Vietnam für das Parlamentsgebäude?

Heeringa – Der Inlandsverkehr in Deutschland erfolgt fast ausschließlich im Güterkraftverkehr, also per Lkw. Bei Einbauorten in Übersee erfolgt der Transport zunächst in Deutschland über die Straße zum Hafen oder Flughafen. Bei dem Vietnam-Projekt erfolgte dann der Hauptlauf per Seefracht, also mit dem Schiff bis zum Empfangshafen, und der Nachlauf vom Hafen bis zu Empfänger in Hanoi dann via Schiene und Straße.

Glaswelt – Was muss bei der Verpackung noch beachtet werden?

Heeringa – Entscheidend für die Verpackungsplanung sind die sehr engen Restriktionen der eingesetzten Verkehrsträger. So muss etwa die Anzahl der Umschlagsvorgänge berücksichtigt werden, da dies zu zusätzlichen Beanspruchungen führen kann.

Weiter müssen länderspezifische Verpackungsvorschriften berücksichtigt werden. Dies betrifft beispielsweise in einigen Ländern die erlaubte Holzauswahl für die Kisten und/oder deren Holzbehandlung.

Nicht ganz ohne sind auch die abweichenden Nutzmaße zwischen den einzelnen Verkehrsträgern. So ist etwa zu berücksichtigen, dass die Ladefläche eines Lkw etwas breiter ist als die Innenbreite eines Seecontainers. Wer hier nicht aufpasst, kann schnell Probleme bekommen.

Glaswelt – Spielt beim Versand auch die Jahreszeit oder die Klimazone eine Rolle?

Heeringa – Auf alle Fälle. Je nachdem wohin die Reise geht, müssen sogenannte weitere Packhilfsmittel eingesetzt werden, um das Glas während des Transports vor Klima- und Witterungseinflüssen zu schützen. So muss das Glas häufig noch vor Hitze und Kälte geschützt werden oder vor Wasserdampf, ja selbst der Schutz vor Salznebel muss manchmal gegeben sein. Hier reicht also eine einfache, statisch stabile Kiste nicht aus.

Glaswelt –  Welche Besonderheiten gibt es bei der Produktionsplanung, wenn der Transportweg so lang ist wie z. B. bei den Scheiben für das Parlamentsgebäude in Hanoi?

Heeringa – Da die Abholfrequenzen im Seeverkehr enger und unflexibler sind als im Güterkraftverkehr auf der Straße, ist die Einhaltung der Fertigungstermine extrem wichtig: Seeschiffe warten nicht. Weiter müssen die Containerstellplätze auf den Schiffen frühzeitig durch Spediteure reserviert werden. Hinzukommt der höhere Handlings- und Verpackungsaufwand, der eingeplant werden muss. Häufig sollen die Gläser eingeschweißt werden und es muss Trockenmittel beigelegt werden. Solche Arbeitsschritte verlängern wiederum die Zeit bis zum eigentlichen Laden.

Und auch die Verladung selbst nimmt bei gebogenen Scheiben mehr Zeit in Anspruch. Hier muss beispielsweise die Containerstauung berücksichtigt werden. Zudem ist formschlüssiges Laden notwendig und die Leerräume müssen ausgefüllt werden.

Glaswelt – Inwiefern unterscheidet sich die Kommunikation mit einem Kunden in Deutschland zu einem Kunden in z. B. Asien?

Heeringa – Die Kommunikation erfolgt in der Regel in englischer Sprache. Somit ist eine erhöhte Gefahr für Missverständnisse gegeben, je nachdem wie gut die jeweiligen Ansprechpartner der jeweiligen Sprache mächtig sind.

Dazu kommt gerade in Fernost die Zeitverschiebung. Gerade wenn eine kurzfristige Reaktion von Kundenseite erwartet wird, kann es hier zu Zeitverzögerungen kommen.

Glaswelt – Auf was muss der Verarbeiter noch achten?

Heeringa – Der Fokus muss auf der 100 %-igen fristgerechten und vollständigen Fertigstellung des Auftrages liegen, um den See- oder Lufttransport nicht zu gefährden. Ein weiterer sehr wichtiger Punkt ist die Zahlungsabsicherung und -abwicklung. Diese unterscheidet sich deutlich von nationalen Projekten und der Glasverarbeiter muss darauf bei der Vertragsausarbeitung ein besonderes Augenmerk legen.—

Die Fragen stellte Matthias Rehberger.

www.finiglas.de 

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