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GLASWELT vor Ort

Die Erde hat Fieber — was hat das mit der Fensterbranche zu tun?

Auch andere wichtige Fragen wie

  • „Ist Schwarz das neue Weiß?“,
  • „wie kommunizieren wir im digitalen Zeitalter?“ und
  • „wie montieren wir große, schwere und unhandliche Bauelemente“

blieben auf der Tagung nicht unbeantwortet. 

Peter Schober, Leiter der Abteilung Bautechnik, Holzforschung Austria - Daniel Mund / GLASWELT - © Daniel Mund / GLASWELT
Peter Schober, Leiter der Abteilung Bautechnik, Holzforschung Austria - Daniel Mund / GLASWELT
Zu Beginn der Tagung zeigte Dr. Helmut Hohenstein die Palette der Verschattungssysteme, die im Glas integriert sind und sich an die Lichtverhältnisse anpassen lassen. Voraussetzungen für die breite Anwendung solcher smarter Gläser seien auch Preise, die vergleichbar mit anderen Lösungen sind – d.h. Isolierglas plus Außenbeschattung. Das sei zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch nicht gegeben und deshalb würden sich diese Produkte für das Massengeschäft auch (noch) nicht eignen. Die Player in diesem Bereich würden aber Kapazitäten weiter aufbauen und Hohenstein geht davon aus, dass in Zukunft ein deutlicher Preisverfall zu erwarten ist.

Den Kontrapart zur Verschattungsfrage lieferte im Anschluss Heinz Hackl von Velux Österreich – schließlich würden sich die Menschen zu 90 Prozent in den Gebäuden aufhalten und benötigen trotzdem oder gerade deshalb sehr viel Tageslicht. Um eine gute Tageslichtversorgung und gleichzeitig Sommertauglichkeit – ohne den Einsatz technischer Kühlung – in Österreich sicherzustellen, bedarf es einer ausgeklügelten Planung. Als probateste Maßnahmen erwähnte Hackl effiziente Außenbeschattungen wie Raffstores und Screens. Zusätzlich muss die unter Tags eingetragene Wärme auch entsprechend abgeführt werden. Hier seien automatisch geregelte Fenster unter Nützung des Auftriebs extrem hilfreich (Natural Ventilative Cooling).

Im zweiten Block der Tagung wurde der Klimawandel thematisiert – dieser wird direkte und indirekte Auswirkungen auf das Fenster haben. Fenster werden einerseits von der Temperaturerhöhung und damit vom Energieeintrag in das Gebäude (sommerliche Überwärmung) betroffen sein. Andererseits, aber auch und möglicherweise viel stärker, von häufigeren und stärkeren Stürmen (Fensterstatik), mehr Regen (Schlagregendichtheit), Oberflächenwasser (barrierefreie Türen), Hagel (Oberflächenschäden) und dgl. mehr betroffen sein.

Dr. Andreas Gobiet von der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG) weiß, wie sich das Klima in Österreich bis 2050 verändern wird. - Daniel Mund / GLASWELT - © Daniel Mund / GLASWELT
Dr. Andreas Gobiet von der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG) weiß, wie sich das Klima in Österreich bis 2050 verändern wird. - Daniel Mund / GLASWELT
Dr. Gobiet von der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik vermittelte den Teilnehmern was auf sie zukommt. „Schon jetzt hat die Erde Fieber, und allen Klimaskeptikern sei entgegnet, dass der Einfluss des Menschen auf das Klimasystem auf der Erde klar und belegbar ist.“ In Österreich werden sich trockene Perioden und Extremniederschläge häufen – aber auch Heizgradtage etwas weniger werden. Der Klimaforscher erwartet in wenigen Jahren einen Temperaturanstieg um über 4°C, eine Zunahme des Niederschlags im Winter um über 20 Prozent und häufigere Starkwindereignisse im Sommer.

Das Holzfenster mit dem Lichtschutzfaktor

Dr. Boris Forsthuber (Holzforschung Austria) zeigte, mit welchen Mitteln sich dunkle Oberflächen weniger aufheizen. - Daniel Mund / GLASWELT - © Daniel Mund / GLASWELT
Dr. Boris Forsthuber (Holzforschung Austria) zeigte, mit welchen Mitteln sich dunkle Oberflächen weniger aufheizen. - Daniel Mund / GLASWELT
Auf diese Zunahme der Extreme gilt es zu reagieren – beispielsweise mit Hitzeschutz am Holzfenster , bei dem für eine deutliche Reduzierung Temperaturen gesorgt wird. Dr. Boris Forsthuber hat sich in Villach diesem „heißem“ Thema gewidmet und aufgezeigt, dass mit entsprechenden Mitteln eine signifikante Verringerung der Oberflächentemperaturen von bis zu 12°C erreicht werden kann.

Produkt-Antwort auf den Klimawandel

Podiumsdiskussion in Villach (v.l.): Daniel Mund (Chefredakteur GLASWELT) im Gespräch mit Dr. Andreas Gobiet (ZAMG), Manfred Müller (Müller Fenstertechnik GmbH), Univ.Prof. Arch. DI. Dr.techn. Heinz Priebernig (TU-Wien), Thomas Reibe (Josko), Ing. Herbert Tschirk (Sachverständiger) - Andreas Suttner, Holzforschung Austria - © Andreas Suttner, Holzforschung Austria
Podiumsdiskussion in Villach (v.l.): Daniel Mund (Chefredakteur GLASWELT) im Gespräch mit Dr. Andreas Gobiet (ZAMG), Manfred Müller (Müller Fenstertechnik GmbH), Univ.Prof. Arch. DI. Dr.techn. Heinz Priebernig (TU-Wien), Thomas Reibe (Josko), Ing. Herbert Tschirk (Sachverständiger) - Andreas Suttner, Holzforschung Austria
In der anschließenden Podiumsdiskussion stellte GLASWELT Chefredakteur Daniel Mund beispielsweise Fensterhändler Manfred Müller (Müller Fenstertechnik GmbH) die Frage, ob sich der Klimawandel auch vermarkten lässt. An den Sachverständigen Herbert Tschirk war die Frage gerichtet, wie sich die Glasbranche auf die Klimaerwärmung produkttechnisch einstellen muss und ob er im Vakuumglas eine Möglichkeit sieht, mehr Funktionen in einem Produkt zu integrieren. Thomas Reibe, Entwicklungschef bei Josko gab zu Protokoll, dass die Branche bereits eine Produkt-Antwort auf viele Fragen biete: Das Holz-Aluminium-Fenster sei ein Bauelement in Modulbauweise. Bei Hagelschlag oder sonstigen äußeren Beschädigungen könnte hier ganz einfach die Außenschale gewechselt werden.

Die Beschlagbranche bewegt sich, der DK-Beschlag ist Auslaufmodell

Urs Uehlinger glaubt nicht daran, dass der DK-Beschlag noch 20 Jahre Bestand haben wird. Warum, dass erläuterte er in seinem Vortrag. - Daniel Mund / GLASWELT - © Daniel Mund / GLASWELT
Urs Uehlinger glaubt nicht daran, dass der DK-Beschlag noch 20 Jahre Bestand haben wird. Warum, dass erläuterte er in seinem Vortrag. - Daniel Mund / GLASWELT
Urs Uehlinger von der Bieler Fachhochschule ging am Folgetag auf die Möglichkeiten ein, die ein smartes Fenster bietet, welches man ganz neu konstruiert. Die Autoindustrie jedenfalls würde sich dem Beschlagsthema ganz anders nähern, ist er sich sicher. Die Beschlagmontage müsste sich stark vereinfachen, dann könnte auch die Automatisierung in der Fertigung kleinerer Betriebe Einzug halten. „Wir brauchen eine einfache standardisierte Montagereihenfolge, weniger verschiedene Teile die eindeutig positionierbar sind. Es geht vor allem darum, den Beschlag automatengerecht zu machen.“
Seine abschließende Einschätzung: „Ich glaube nicht dran, dass der DK-Beschlag noch 20 Jahre Bestand haben wird. Der wird irgendwann abgelöst werden.“ Anschließend machte er weitergehende Andeutungen: „Ich weiß nicht, was ich alles sagen darf, aber es geht weiter und die Beschlagbranche bewegt sich und es wird etwas kommen.“

© GLASWELT
Mein Fazit der Fenster-Türen-Tagung 2019: Peter Schober und sein Team von der Holzforschung Austria haben wieder eine rundum gelungene Veranstaltung abgeliefert. Hier war für jeden etwas dabei und gerne werde ich auch nächstes Jahr wieder auf der Jahrestagung dabei sein! 

Daniel Mund