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Nach der Reform des Berufsbildungsgesetzes

Neuerungen im Prüfungswesen

Im Folgenden werden die für die praktische Arbeit wichtigsten Änderungen dargestellt.

Zulassungsverfahren

Zulassung aufgrund beruflicher Erfahrung:

Es gab auch bisher schon die Möglichkeit, ohne eine absolvierte Ausbildung zur Abschlussprüfung zugelassen zu werden. Bisher musste der Antragsteller nachweisen, dass er mindestens das Zweifache der vorgeschriebenen Ausbildungszeit, also mindestens sechs Jahre in dem Beruf, in dem er die Prüfung ablegen möchte, tätig gewesen ist.

Die neue Vorschrift des § 45 Abs. 2 BBiG sieht nunmehr nur noch das Eineinhalbfache der vorgeschriebenen Ausbildungszeit, also in der Praxis ca. vier bis fünf Jahre, vor. Als weitere Erleichterung wird jetzt auch eine Ausbildungszeit in einem anderen, einschlägigen Ausbildungsberuf auf die geforderte Praxiszeit angerechnet. Dies bedeutet, dass eine Praxiszeit von ca. ein bis zwei Jahren nach einer Ausbildung in einem einschlägigen Ausbildungsberuf zu einer Zulassungsberechtigung führen kann.

Im Ausland erfolgte Berufstätigkeit oder erworbene berufliche Qualifikationen, sind bei der Zulassung ebenfalls zu berücksichtigen. Dies ist ein großer Vorteil für Berufstätige aus anderen Staaten, die mit einer Abschlussprüfung in den deutschen Arbeitsmarkt eintreten möchten. Die für die Zulassung zuständige Stelle kann im Falle ausländischer Bescheinigungen Übersetzungen sowie deutsche Erläuterungen zur Ausbildung oder der Berufstätigkeit im Ausland einfordern. Die Kosten für solche Unterlagen trägt der Antragsteller.

Zulassung aufgrund schulischer Ausbildung:

Da die Anzahl der Lehrstellen begrenzt ist und viele Jugendliche vergeblich einen Ausbildungsplatz suchen, hat der Gesetzgeber mit der Vorschrift des § 43 Abs. 2 BBiG die Möglichkeit eröffnet, auch nach bestimmten schulischen Ausbildungsgängen zur Abschlussprüfung vor einer Wirtschaftskammer zugelassen zu werden. Die Vorschrift sieht vor, dass Absolventen solcher Bildungsgänge, die einem anerkannten Ausbildungsberuf entsprechen, einen Anspruch auf Zulassung zur Abschlussprüfung haben.

Welcher schulische Bildungsgang den Kriterien des § 43 entspricht, wird grundsätzlich durch die Landesregierung oder oberste Landesbehörde bestimmt. Bisher ist dies noch in keinem Fall geschehen. Beantragt ein Absolvent eines schulischen Bildungsgangs, der nicht durch die zuständige Stelle des Landes als gleichwertig im Sinne des § 43 Abs. 2 bestimmt wurde, die Zulassung, so obliegt es dem Prüfungsausschuss, die Kriterien zu überprüfen und zu entscheiden, ob der Bildungsgang einem anerkannten Ausbildungsberuf entspricht.

Der Gesetzgeber stellt unterschiedliche Ansprüche an die Zulassung im Rahmen einer Ausbildung im dualen System und die in einem schulischen Bildungsgang. Dabei haben die Absolventen schulischer Bildungsgänge einen nicht unerheblichen Vorteil gegenüber Auszubildenden des dualen Systems, da sie nicht die klassischen Zulassungskriterien (Berichtshefte, Zwischenprüfung) erfüllen müssen, sondern lediglich die Teilnahme an dem Bildungsgang nachweisen müssen.

Ausbildungszeiten im Ausland:

Ein Auszubildender darf nach der neuen Gesetzesregelung bis zu einem Viertel seiner Ausbildung im Ausland absolvieren. Diese Zeit ist bei der Zulassung als gleichwertig zu berücksichtigen, wenn die Ausbildung vorgeschriebene Inhalte der Ausbildungsordnung umfasst.

Gestreckte Abschlussprüfung

Bei der gestreckten Abschlussprüfung § 37 BBiG wird die Zwischenprüfung als Teil 1 der Abschlussprüfung – die eigentliche Abschlussprüfung wird als Teil 2 bezeichnet – zu einem bestimmten Prozentsatz auf das Gesamtergebnis angerechnet. Diese Prüfungsform wird zur Zeit schon in einigen Ausbildungsberufen erprobt.

Im neuen BBiG hat der Gesetzgeber die Möglichkeit geschaffen, sie als reguläre Prüfungsform in neuen Ausbildungsordnungen vorzusehen. Auch wenn die Erprobung noch nicht abgeschlossen ist, wird in vielen Berufen zu dieser Prüfungsform hin tendiert.

Rechtscharakter Teil 1:

Der Teil 1 ist ein rechtlich unselbstständiger Teil der Gesamtprüfung. Er kann daher auch nicht separat angefochten oder wiederholt werden. Die Prüfung ist erst nach dem Ablegen beider Prüfungsteile und der Feststellung des Gesamtergebnisses beendet. Erst zu diesem Zeitpunkt wird festgestellt, welche Prüfungsarbeiten im Falle des Nichtbestehens zu wiederholen sind. Auch ein Widerspruch kann sich nur gegen das Gesamtergebnis der Abschlussprüfung richten und somit erst nach Beendigung beider Teile eingelegt werden.

Zulassung:

Da die Zwischenprüfung jetzt nicht mehr reine Lernstandskontrolle sondern Teil 1 der Abschlussprüfung ist, muss ein gesondertes Zulassungsverfahren erfolgen. Die Kriterien sind, bis auf die abzulegende Zwischenprüfung, die gleichen wie bisher. D. h. es müssen ein Ausbildungsvertrag vorliegen, die (anteilige) Ausbildungszeit zurückgelegt sein und die Berichtshefte ordnungsgemäß geführt worden sein. Zum Teil 2 erfolgt dann ein weiteres Zulassungsverfahren.

Ergebnismitteilung:

Bisher hat der Prüfling ein Zeugnis über die Zwischenprüfung erhalten. Für den Teil 1 der gestreckten Abschlussprüfung sieht das Gesetz gem. § 37 Abs. 2 Satz 3 BBiG vor, dass dem Prüfling die Prüfungsleistungen des ersten Teiles der Abschlussprüfung lediglich schriftlich mitzuteilen sind. Er erhält kein offizielles Zeugnis über diese Leistungen, denn dieses kann erst nach Ablegung beider Teile der Prüfung ausgestellt werden.

Bewertung der Prüfungsleistungen

Vorschriften über den Bewertungsvorgang an sich hatte das Berufsbildungsgesetz bisher nie beinhaltet. Es hat nur die Rahmenbedingungen geregelt, die dann in den Prüfungsordnungen der Kammern durch spezielle Vorschriften konkretisiert wurden. Mit § 42 BBiG hat der Gesetzgeber daher Neuland betreten. Der Gesetzgeber führt hiermit eine Ausnahme von dem so genannten “Kollegialprinzip” ein: Demnach kann der Vorsitzende zur Vorbereitung der Beschlussfassung über einzelne Noten oder das Bestehen an sich zwei Mitglieder mit der Bewertung beauftragen.

Wie auch schon im Meisterprüfungsverfahren (siehe Meisterprüfungsverfahrensverordnung MPVerfVO) gibt es jetzt für bestimmte Bereiche der Prüfer das so genannte “Berichterstatterprinzip”. Diese Möglichkeit der Delegation ist für die Prüfungsorganisation vor Ort von großem Vorteil. Es müssen damit nicht alle Prüfungsausschussmitglieder die gesamte Zeit anwesend sein. Dies senkt die Kosten der Prüfungen und gibt den die Prüfung organisierenden Stellen mehr Spielraum bei der Einteilung der Prüfer. Die Dokumentationspflicht spielt dabei eine entscheidende Rolle. Nur durch eine saubere Dokumentation können der oder die weiteren Prüfer einen Überblick über die Leistungen des Prüflings erhalten. Schließlich müssen auch sie die Leistungsbewertung zur Grundlage des Beschlusses über die Note und das Bestehen oder Nichtbestehen der Prüfung machen (vgl. § 42 Abs. 1 BBiG).

Mündliche Prüfungsleistungen:

Von dieser Regelung ausgenommen sind alle “mündlich zu erbringenden Prüfungsleistungen”. Welche Leistungen genau unter diese Ausnahmeregelung fallen, ist strittig. Viele neue Ausbildungsverordnungen sehen Fachgespräche, situative Gesprächsphasen oder andere Prüfungsleistungen in Gesprächsform vor, die zumeist im Rahmen der praktischen Prüfungsaufgaben abzuleisten sind. Hier ist im Einzelfall zu entscheiden, wann ein solches Gespräch unter die Ausnahme des § 42 Abs. 2 Satz 1 2. Halbsatz fällt. Es ist insoweit zu unterscheiden, ob es sich bei dem Gespräch um einen Prüfungsteil mit eigenständigen Leistungsanforderungen handelt, oder ob es ein Bestandteil der praktischen Prüfungsleistung ist und diese lediglich ergänzt oder vertieft.

Eigenständige Leistungsanforderungen liegen z.B. dann vor, wenn der Auszubildende auf seine Kommunikations- oder Ausdrucksfähigkeit hin geprüft wird. Beinhaltet die Prüfung eine solche eigenständige Leistungsanforderung, handelt es sich um eine “mündlich zu erbringende Prüfungsleistung” im Sinne des § 42, und eine Delegation ist nicht möglich.

Zeugnisvorschriften

Mitteilung an den Ausbilder:

Dem Prüfling ist nach erfolgter Abschlussprüfung wie gewohnt ein Prüfungszeugnis auszustellen. Neu ist, dass auch dem Ausbildenden auf sein Verlangen hin die Ergebnisse der Abschlussprüfung seines Auszubildenden mitzuteilen sind. Diese neue Vorschrift des § 37 Abs. 2 BBiG geht über die bisherige Regelung hinaus. Die meisten Prüfungsordnungen sahen bis dato lediglich eine Mitteilung des Auszubildenden an seinen Ausbilder vor. Jetzt kann die zuständige Stelle die Ergebnisse direkt dem Ausbilder mitteilen. Durch diese Möglichkeit erhält der Ausbilder eine Rückkopplung über den Erfolg seiner Ausbildung und kann daraus auch für seine eigene Arbeit Konsequenzen ziehen.

Ausweisung der Berufsschulnoten:

Der Auszubildende kann jetzt einen Antrag stellen, auch das Ergebnis seiner berufsschulischen Leistungen auf dem Abschlussprüfungszeugnis auszuweisen. Das bedeutet, dass die geschäftsführenden Stellen der Prüfungsausschüsse bei Vorliegen eines solchen Antrags das Prüfungszeugnis modifizieren müssen. Was genau der Gesetzgeber unter der Bezeichnung “das Ergebnis berufsschulischer Leistungsfeststellungen” versteht, ist allerdings nicht definiert. Es ist jedoch davon auszugehen, dass dort, wo es eine Gesamtnote als Abschlussnote der Berufsschule gibt, diese aufzunehmen ist. Weist die Schule keine Abschlussnote, sondern nur die letzten Leistungen in den einzelnen Fächern aus, so sind wohl alle diese Noten auf dem Abschlussprüfungszeugnis aufzuführen. Das Zeugnis enthält, wie gehabt, eine Rechtsbehelfbelehrung, die darauf hinweist, dass gegen das Ergebnis der Prüfung Widerspruch eingelegt werden kann. Enthält das Zeugnis nun auch die Noten der Berufsschule, ist zu beachten, dass diese nicht von der Widerspruchsmöglichkeit umfasst werden. Der Widerspruch kann sich nur gegen das Ergebnis der Abschlussprüfung richten. Möchte der Auszubildende gegen die Schulnoten angehen, muss er seinen Widerspruch gegen die zuständige Berufsschule richten. Sollten die Schulnoten falsch auf das Prüfungszeugnis übernommen worden sein, so hat der Auszubildende gegen die das Prüfungszeugnis ausstellende Stelle einen Anspruch auf Berichtigung.

Beendigung der Ausbildung

Die bisherige Regelung über den Zeitpunkt der tatsächlichen Beendigung des Ausbildungsverhältnisses nach bestandener Abschlussprüfung, aber vor regulärem Vertragsende, gemäß (ehem. § 14 Abs. 2) BBiG war nicht eindeutig, so dass es immer wieder zu Schwierigkeiten kam. Da der Zeitpunkt der Beendigung des Ausbildungsverhältnisses aber arbeitsrechtlich sehr weitreichende Konsequenzen nach sich zieht, hat der Gesetzgeber diese Vorschrift im § 21 Abs. 2 BBiG jetzt konkretisiert: Wird die Abschlussprüfung vor Ende des Ausbildungsvertrages bestanden, endet das Ausbildungsverhältnis mit der Bekanntgabe des Ergebnisses durch den Prüfungsausschuss. Der Tag der Beendigung des Ausbildungsverhältnisses wird an den Tag der Bekanntgabe des Ergebnisses gekoppelt und somit eindeutig bestimmt. Die Bekanntgabe des Ergebnisses sollte grundsätzlich unmittelbar nach Abschluss der Prüfung bzw. unmittelbar nach Feststellung und Beschlussfassung durch den Prüfungsausschuss erfolgen. Zumeist erfolgt die Bekanntgabe durch ein Formblatt, so dass hierdurch auch der Tag der Beendigung des Ausbildungsverhältnisses nachgewiesen werden kann.|

Britta Magnus

Info

Das neue Berufsbildungsrecht

Das Berufsbildungsreformgesetz bringt grundlegende Neuerungen im Berufsbildungsrecht mit sich. Wie die Reform vorteilhaft umgesetzt werden kann, zeigt das von Experten erstellte Praxishandbuch.

Michael Weber, Wolfgang Schellhöh (Hrsg.):

Das neue Berufsbildungsrecht – Praxishandbuch für Schule und Betrieb mit rechtssicheren Erläuterungen und sofort einsetzbaren Arbeitshilfen, Ringorder, DIN A5, Preis: 78,- €, Best.Nr.: 1271/521, Forum Verlag Herkert.

Autor

Britta Magnus, ist seit 1999 bei der HWK Düsseldorf Abteilungsleiterin in der Haupt­abteilung Berufsbildung u.a. für den Bereich Zwischen-, Gesellen- und Abschlussprüfungen sowie Rechtsfragen der beruflichen Bildung.

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