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Energieeffizientes Bauen (1)

Die klimaorientierte Fassade

Wenn wir von den Nachrichten über den Klimawandel und seine Folgen etwas lernen können, dann ist es, dass wir handeln müssen. Studien belegen, dass ca. ein Drittel unseres Energieverbrauchs durch Gebäude verursacht wird.

Klima und Architektur

Fassaden bestimmen Architektur und damit unser gebautes Umfeld in starkem Maße. Es gab immer wieder Trends, Klimaorientierung zu einem architektonischen Thema zu machen. In den 90er Jahren wurde beispielsweise die Doppelfassade als Mittel entdeckt, Hochhäuser effizienter und ökologischer zu machen und sie fehlte bei keinem internationalen Wettbewerb. Heute sind die Vor- und Nachteile von Doppelfassaden besser bekannt. Sie ist leider kein Allheilmittel und darüber hinaus ist die Schichtung von Fassadenflächen sehr teuer. Trotzdem war sie lange Zeit selbst ein Symbol für eine zukunftsorientierte Architektur.

In welcher Weise wird also Klimaorientierung zukünftig von Architekten als Ausdrucksform verwendet?

Schaut man sich die Avantgardearchitektur von heute an, gibt es noch wenige Architekten, die sich das Thema auf die Fahnen schreiben. Meistens ist der künstlerische Ausdruck bestimmend. Behnisch Architekten aus Stuttgart beispielsweise gehören zu denen, die Klimakonzepten eine bestimmende Rolle in ihrer Architektur zugestehen – und der internationale Erfolg gibt ihnen Recht: Viele Bauherren fragen speziell dieses Image nach: Klimadesign als Verkaufsschlager.

Integration

Aber was heißt klimagerechtes Bauen? Wie kann die Fassade der Zukunft besser werden?

Will man die Effektivität der Fassade steigern, darf man sie nicht als isoliertes Bauteil verstehen. Ähnlich ist es bei Autos: Um den Spritverbrauch zu minimieren, genügt es nicht allein einen sparsamen Motor zu verwenden. Die Aerodynamik, das Fahrwerk, die Wahl der Reifen spielen eine ebenso große Rolle. Das Zusammenspiel aller Komponenten in einem gegebenen Umfeld ist letztendlich bestimmend für die Performance. Performance für Gebäude heißt: minimaler Energieverbrauch bei optimalem Nutzerkomfort.

Um das zu erreichen, muss die Fassade adaptiver werden. Sie muss sich den ständig wechselnden äußeren Bedingungen anpassen. Sie muss von Jahres­zeit zu Jahreszeit, Tag zu Nacht, sogar von Minute zu Minute neu reagieren und eng auf die Nutzung im Inneren des Gebäudes abgestimmt sein.

Dabei gilt es, die sich häufig widersprechenden Funktionen der Fassade optimal aufeinander abzustimmen. Natürliche Lüftung ist ein Problem für den Wärmeschutz der Fassaden; das Bedürfnis nach Transparenz widerspricht der Notwendigkeit des Sonnenschutzes; usw.. Hier hat sich zum Beispiel im Bereich der Glasbeschichtungen mit hochselektiven Gläsern viel getan, aber die Grenzen sind gesetzt.

Die benötigte Adaptivität wird sich in der Zukunft nicht allein durch die aufwendige Schichtung von starren Fassadenebenen realisieren lassen. Das Bild von der Zukunft zeichnet sich bereits ab: Materialien, die ihre Eigenschaften von transparent zu opak ändern können oder Stoffe, deren Dämm­eigenschaften man auf Knopfdruck anpassen kann. Mit der Anordnung von energiegenerierenden Komponenten im Fassadenbereich, wie Solarzellen, wird experimentiert. Die technische Ausstattung wird sich erhöhen mit mehr mechanischen Elementen, elektronischen Bauteilen und angesteuerten Datenpunkten.

Heute besitzen wir auch endlich die notwendigen Werkzeuge um integrierte Konzepte zu denken und zu planen. Klimasimulationen werden mehr und mehr ein Teil der täglichen Planung und damit zu akzeptierten Medien, um uns dem Ziel der klimaorientierten Bauweise zu nähern. Optimierte Gebäude lassen sich nur durch eine enge Zusammenarbeit der Spezialisten aus Architektur, Klimakonzeption, Gebäudetechnik und Fassadenplanung realisieren.

Bauindustrie

Die klimaorientierte Fassade wird eine großem Einfluss auf die Bauindustrie haben. Auf dem globalisierten Markt hat sich die westeuropäische ­Fassadentechnologie durchgesetzt und wird weltweit und in allen Klimazonen gebaut. Ganzglasfassaden werden in Dubai genauso gebaut, wie in subtropischen Zonen. Gelöst werden Probleme des Innenraumklimas über die Dimension der Klimaanlagen. Es ist deutlich, dass es in der nahen Zukunft einer regional klimatisch angepepassten Architektur bedarf.

Aber alle guten Vorsätze und die oben genannte integrierte Planung nützen wenig, wenn sie nicht gebaut werden. Oft sind es die Gewerkegrenzen, die Innovationen schwer machen. Traditionell wird die Gebäudetechnik eben von jemand anderem geplant und gebaut als die Fassade. Es stellt sich die Frage: Können wir Gebäude in der Zukunft noch auf einer Projekt zu Projekt orientierten Basis mit ständig wechselnden Bauteams erstellen oder wird die zunehmende Komplexität zu einer produktartigen Bauweise führen?

Bereits jetzt machen die Fassade und die Gebäudetechnik meist mehr als 50 Prozent der Gebäudekosten aus. Beide Gewerke werden in der Zukunft immer mehr miteinander verwoben sein. Das betrifft die Planung sowie die Ausführung.

Wird die Bauindustrie sich langsam dem Trend anpassen oder ergreift sie die Chance und wird zu ihrem eigenen Besten selbst das Heft in die Hand nehmen und sich dem neuen Markt öffnen?—

Die GLASWELT setzt diese Aufsatzreihe fort: im nächsten Heft geht es um Klima-integriertes Design von Gebäudehüllen.

Architekturkonferenz zur Klimafassade

Der vorliegende Artikel basiert auf einem Vortrag der Konferenz „The Future Envelope 2: Architecture-Climate-Skin“, die am 5. Juni 2008 an der Technischen Unversität in Delft, Fakultät für Architektur in Zusammenarbeit mit den FEACF stattgefunden hat. International anerkannte Spezialisten aus den Gebieten der Architektur, Klimadesign, Bauindustrie, Materialtechnolgie und Forschung haben über die klimaorientierte Fassade diskutiert.

Das Buch zur Konferenz wird im Frühjahr bei IOS Press Amsterdam erscheinen.

Bereits in dieser Serie erschienen ist: The Future Envelope 1 – A Multidisciplinary Approach.

Die nächste Konferenz aus der Serie wird am 14. Mai 2009 in Delft stattfinden. Diesmal zum Thema E-novation – energetische Sanierung.

Links:

Konferenz The Future Envelope: http://www.bk.tudelft.nl/futureenvelope

TU Delft, Lehrstuhl Design of Construction, Prof.Dr.-Ing. Ulrich Knaack: http://www.doc.bk.tudelft.nl

FAECF Federation of European Window and Curtain Wall Manufacturers +Associations: http://www.faecf.org

IOS Press Amsterdam: https://www.iospress.com/

Der Autor

Dipl.-Ing. Tillmann Klein (1967) studierte Architektur and der RWTH in Aachen. Seit 1994 arbeitete er in verschiedenen Architekturbüros, später mit dem Schwerpunkt Fassadenplanung. Parallel studierte er an der Kunstakademie Düsseldorf, Klasse Baukunst. 2005 erhielt er den Kunstpreis NRW für junge Künstler. Seit 2005 leitet er die Facade Research Group an der Technischen Universität Delft. 2008 Gründung des eigenen Fassadenplanungsbüros imagine envelope B.V. Den Haag.

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