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Klimaintegriertes Design (2)

Fassadenkonzepte von morgen

Spricht man von klimaadaptiven Gebäudehüllen, versteht man ­darunter eine Hülle, die sich entsprechend anpasst und ihre Eigenschaften unter Klimaeinfluss verändert.

Dem gegenüber stehen Fassaden mit klimareagierenden Bauelementen, in die haustechnische Funktionen (Heizung, Lüftung, Beleuchtung) integriert sind, die energiesparende, komfortable und gesunde Innenräume unterstützen.

Bei Fassaden kann man also auf die äußeren Einflüsse reagieren oder diese nutzen (adaptiv). Beispiel: Bei starker Sonneneinstrahlung kann man einen mechanischen Sonnenschutz aktivieren ­ (und damit reagieren) oder intelligenter, die Strahlung mittels Solarzellen abhalten und so zusätzlich (adaptiv) noch Energie gewinnen.

Die Umwelteinflüsse aktiv zu nutzen wird künftig bei der Fassadenplanung verstärkt im Vordergrund stehen. Hierbei handelt es sich um Fassaden, die Energie erzeugen oder die ­Energie und/oder CO2 speichern – häufig mit Selbstreinigungsfunktion. Ganz neu sind Fassaden zur Wasseraufbereitung. Ein interessantes Beispiel einer Energiespeicherfassade ist das Seniorenwohnheim von Dietrich Schwarz in Ebnat-­Kappel (Schweiz). Dort werden Prismen zur Reflexion von Sonnenlicht und zusätzlich Speichermaterial (PCM) als Energiespeicher eingesetzt.

Will man energieeffizient bauen, schließt dies kurze Transportwege für ­die eingesetzten Materialien sowie für die notwendige Energie mit ein. Vor allem aufgrund dieser Tatsache gehören eine Überprüfung der Vor-Ort-Ressourcen (z.B. Baumaterialien) und die Übersetzung in lokale oder dezentralisierte Systeme (wie Energiefassaden) zu den wichtigsten Planungsschritten.

Das kann bedeuten, dass verstärkt wasserbasierende Systeme in die Fassaden einzubeziehen sind, um damit die anfallende Feuchtigkeit intelligent zu nutzen. Solche wasserführenden Leitungen innerhalb der Fassade erfordern jedoch einen ganz neuen Ansatz für den Materialgebrauch und die Konstruktion.

Die Fassade des von Atelier 2T geplanten „EVA Centre“ in Culemborg, Niederlande, ist ein Beispiel für die Einführung eines CO2-Speichers sowie einer Wasseraufbereitung in einer doppelschichtigen Fassade. Dabei umschließt die abgedichtete Doppelfassade das Wasseraufbereitungssystem für das EVA Centre, einschließlich Installationen zur Wärmerückgewinnung.

Transparenz als Designprinzip

Modernes Fassadendesign und seine Entwicklung konzentriert sich heute hauptsächlich auf Transparenz.

Will man aber die thermische Isolierung von Gebäudehüllen verbessern, wird man sich in Zukunft verstärkt auf opake (massive) Bauteile konzentrieren. Berücksichtigen muss man aber, dass bei dicken Fassaden- und Wandkonstruktionen auch Nachteile auftreten: Etwa das ungünstige Netto-zu-Brutto-Verhältnis von Bodenfläche und Höhe oder höhere Baukosten pro Quadrat- oder Kubikmeter. Zudem steigt die Komplexität von konstruktiven Gebäudeverbindungen innerhalb und zwischen den Bauteilen, sowie der Materialverbrauch. Dazu kommt ein erhöhtes Risiko von Design- und Konstruktionsfehlern.

Zwei verschiedene Entwurfsansätze

Mit dem klimaintegrierten Designansatz nehmen sich zwei Strategien dieser Probleme an. Die erste Strategie behandelt der Einsatz einer wirksameren Wärmeisolation, was zu geringeren Wandstärken führen kann.

Sogenannte Vakuumisolierpaneele (VIP) kombinieren eine hohe thermische Dämmung mit geringer Materialstärke. Die Eingangswärmeleitfähigkeit der VIP liegt um den Faktor 5 bis 10 niedriger als die von Mineralfaserdämmung.

Die Integration dieser VIP in die Gebäudehülle muss man sehr sorgsam durchführen. Dabei sollte man ein VIP als eigenständiges Bauteil betrachten, das nicht auf der Baustelle verarbeitet werden kann; es muss vorab geplant und gefertigt werden. ­Die Paneele müssen bei Produktion, Transport, Lagerung und Installation sehr sorgfältig behandelt werden, da man sie leicht mechanisch beschädigen kann. Sie müssen in Hinsicht auf Wärmebrücken an den Kanten sorgfältig gestaltet werden. Zudem muss man eine Verminderung der thermischen Leistungsfähigkeit über eine längere Nutzungsdauer hinweg berücksichtigen.

Der zweite klimaintegrierte Designansatz mit Blick auf die Stärke (Dicke) der Isolation beschäftigt sich mit der Schwankung der thermischen Isolierwerte. Eine thermische Trennung zwischen der Innen- und Außenumgebung behindert mögliche vorteilhafte Energieflüsse, wie sie etwa mit passiver Sonnenlichtgewinnung im Winter und passiver Kühlung im Sommer zusammenhängen. Die Energieleistung einer Gebäudehülle könnte daher weiter optimiert werden, indem ihr Isolierwert an bestimmte Umstände angepasst wird (Spoel et al., 2008); man spricht dabei von einer adaptiven Isolierung (AI). Diese kann technisch mit einem gasgefüllten Paneel realisiert werden, das aus einer luftdichten, aufblasbaren Kunststofftasche besteht. Nach der Evakuation führt die geringe Dicke zu einem thermischen Widerstand von nahezu Null. Wenn das Paneel jedoch mit Luft gefüllt ist, entspricht seine thermische Leitfähigkeit der von herkömmlichen Isoliermaterialien. Die möglichen Vorteile eines AI in Bezug auf Energieeinsparung und Verbesserung der thermischen Behaglichkeit im Innenraum wurden umfassend erforscht. Die Berechnungen ergaben, dass die AI beim niederländischen Klima gut für passive Kühlung eingesetzt werden kann, wenn sie in der Dach- oder Fassadenkonstruktion angebracht ist.

Die Fassade muss atmen können

Als letzter Punkt des klimaintegrierten Designs ist die wohl wichtigste Funktion einer Gebäudehülle zu nennen; ihre Fähigkeit zu atmen: Eine klimaadaptive Haut sollte die Vorteile von natürlich belüfteten Gebäuden einbeziehen, aber auch die der mechanischen Ventilation berücksichtigen. Werden etwa haustechnische Komponenten auf Büroebene direkt in die Fassade integriert, wird das an der Fassade liegende Büro unabhängig vom zentralen HLK-System, d.h. unabhängig von zentral gesteuerter Heizung, Lüftung und Kühlung. Dies ermöglicht es dem Nutzer, das Innenraumklima entsprechend anzupassen (Kristinsson & Timmeren, 2008). Innerhalb des klimaintegrierten Designs werden verschiedene Konzepte zur dezentralen Belüftung mit Wärmerückgewinnung entwickelt.

Neue Möglichkeiten zur Gebäudeerwärmung mit extrem niedrigen Wasser- oder Lufttemperaturen erlaubt ein Feindraht-Wärmetauscher, der um etwa das 8-fache effizienter ist als ein Flächen-Wärmetauscher. Temperaturunterschiede von nur 3°C sind bereits realisierbar. Dieser kompakte Wärmetauscher ist so klein, dass er sich selbst in bestehende Fassaden einbauen lässt. Eine Anwendungsmöglichkeit für diese Technologie ist eine dezentrale, ausgeglichene Raumbelüftung mit 80 bis 90%-iger Wärmerückgewinnung. Dieses Konzept bezeichnen die Entwickler als „atmendes Fenster“ .

Das Konzept basiert auf einem sogenannten verzwillingten Luft-Luft-Wärmetauscher, der gleichzeitig mit Feuchtigkeit reagiert und die CO2-Konzentration der Innenraumluft misst und nur dann „atmet“, wenn es notwendig ist (die indirekte Funktion als sehr genauer Rauchmelder ist möglich). Obwohl das „atmende Fenster“ noch in der Entstehungsphase ist, liegen die Erwartungen der Entwickler für Bürogebäude (bei gleichen Installationskosten) bei ca. 35Prozent Energieeinsparung, 15Prozent weniger Bauvolumen und 10Prozent geringeren Bau­kosten. —

Der Autor

Dr. ir. Arjan van Timmeren leitet das Architektur- und Ingenieurbüro „Atelier 2T“ in Haarlem, Niederlande, das auf nachhaltiges Bauen und bioklimatisches und klimaintegriertes Design spezialisiert ist. Er ist seit 1997 auch als Associate Professor an der TU Delft am Lehrstuhl ­Climate Design tätig sowie aktuell als Research Coordinator der Forschungsgruppe „Skins”.

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