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Innenraumgestaltung mit Glas

Mehr Mut zur Farbe

Seit 12 Jahren befasse ich mich intensiv mit der Gestaltung von Oberflächen für industriell gefertigte Serienprodukte, vorwiegend für Architektur und Innenarchitektur. Als Designer ist es meine Aufgabe, für den Industriekunden Produkte zu generieren, die im Markt erfolgreich sind. Dies kann aber nur gelingen, wenn man bemüht ist, große und kleine kulturelle Entwicklungen wahrzunehmen und diese als Botschaft zu verstehen, Materialien und Produkte zu verändern.

Ich bin immer wieder erstaunt, wie vorherrschend die Meinung ist, dass sich künftige Erfolge aus den Erfolgen der Vergangenheit herleiten lassen. Bei vielen Firmen gilt das Credo: Was sich bislang gut verkauft hat, wird auch in Zukunft funktionieren. Leider passt diese These nicht mehr in die heutige Zeit. Wir befinden uns in einer rasanten Entwicklung, die geprägt ist von immer schnellerem kulturellen Wandel und immer kürzeren Nutzungszyklen der Produkte. Nebenbei macht sich ein „Stil-Pluralismus“ breit, der individuelle Lösungen verlangt und der versucht Identitäten widerzuspiegeln.

Nach etwa zwei Jahrzehnten des eher farblosen Gestaltens, gewinnen seit Beginn des neuen Jahrtausends Grafik, Ornament und Farbe (auch bei Glas) stark an Bedeutung. Gerade Farben lösen emotionale Reaktionen aus, schaffen Wiedererkennungswerte und Identität. Plötzlich werden der Industrie von Seiten des Kunden Produkte abverlangt, die mit Mut und Geschmack entwickelt sein sollen.

Jahrzehntelang stand ausschließlich die Funktionalität und der Preis im Vordergrund. Heutzutage fallen jedoch immer wieder Begriffe wie „must-have“ oder „sexy product“. Dass Produkte technisch ausgereift sind, wird vom Kunden vorausgesetzt.

Geprägt durch neue Medien, größere Informationsflut und schnellere visuelle Kommunikationswege werden global die progressivsten Designentwicklungen für jedermann zugänglich gemacht. Industrieunternehmen werden mit den eigenen Produkten an den besten, innovativsten und verrücktesten Designideen aus aller Welt gemessen, denn Dank „blogs, google, facebook & Co.“ ist der Verbraucher, Planer oder Architekt besser informiert als je zuvor.

Für den Hersteller heißt es also nicht nur in Sachen Entwicklungen mit der Welt mithalten zu können, sondern im besten Fall sogar eine Vorreiterrolle zu besetzen, um Souveränität und Authentizität auszustrahlen. An dieser Stelle erhält die Rolle des Designers eine neue und tragende Bedeutung.

Entwerfen von und mit farbigem Glas

Vor drei Jahren kam Glas Trösch Deutschland mit dem Anliegen auf mich zu, die gestalterische Qualität der bis dato existierenden Glasprodukte der Branche zu bewerten und visionäre Ideen zu entwickeln, um die im Material Glas schlummernden Möglichkeiten herauszuarbeiten. Für mich als Künstler und Gestalter war es völlig unverständlich, dass sich das damalige Gestaltungsspektrum der Branche auf einige satinierte Gläser und Gussglas beschränkte. Wirklich progressive, visionäre Ideen zur Glasveredlung oder einen konzeptionellen Umgang mit farbigem Glas für Architektur und Innenarchitektur konnte ich nicht finden.

Vor dem Hintergrund der geschilderten schnellen kulturellen Entwicklung und dem Verlangen der Kunden nach modernen und mutigen Produkten, war es logisch, dass es hier enormen Entwicklungsbedarf gab.

Nachdem nach einigen Monaten eigenständige Dekorsprachen, verschiedenste Glasveredelungstechniken (Bilder linke Seite) und ein eigenes Farbsystem (colourcourage) in das Portfolio von Glas Trösch implementiert war, sahen wir, dass diese Produkte eine große Dynamik im Markt auslösten.

Architekten, Innenarchitekten und Planer haben sehr schnell verstanden, welche Möglichkeiten im konzeptionellen Umgang mit farbigem Glas liegen. Es kann Räume öffnen, erweitern oder begrenzen. Es kann Architektur betonen, Linienführungen unterstreichen, Zonen abgrenzen.

Farbe kann sogar Architektur völlig verändern, dominieren, „auflösen“ oder aufladen. Farbiges Glas schafft nicht zuletzt farbiges Licht und verändert das emotionale Befinden des Menschen, der sich damit umgibt.

Farbglas kann Stilmittel sein, um einem Raum oder Gebäude Individualität, Identität und Unverwechselbarkeit zu verleihen. Dies alles funktioniert allerdings nur, wenn der Einsatz solcher Farbgläser gezielt und mit dem nötigen Wissen über die Gesetze der Farbharmonie und Farbpsychologie vorgenommen wird. Es ist durchaus möglich, Räume zu generieren, die sich in „farbiger Balance“ befinden ohne „bunt“ zu wirken.

Ähnlich wie in der Malerei ist für den Betrachter schnell spürbar, ob ein Raum (ebenso wie ein Bild) eine ausgewogene Farbharmonie besitzt und darüber Ästhetik ausstrahlt oder ob es einfach nur „bunt“ wirkt.

Farbe, vor dem Hintergrund seiner ästhetischen Ausdruckskomponente, auch in die Innenarchitektur und Architektur einfließen zu lassen, sollte demnach nicht nur als modische Erscheinung verstanden werden, sondern ist vielmehr ein wichtiger potenzieller Aspekt des virtuosen Schaffens­prozesses von Lebensraum. Und buntes Glas macht Räume nicht nur farbiger sondern auch lebendiger.

Lars Contzen

Der Autor

Nachdem Lars Contzen als freischaffender Künstler (Malerei, Fotografie, Kunst am Bau) ­aktiv war, gründete er 1999 das contzentrade ­Designstudio, Hanau. Seine ­Arbeitsschwerpunkte sind heute Designentwicklungen für Industrie­unternehmen in den Bereichen Innenarchitektur- und ­Architekturmaterial, sowie PR-Beratung und Marken­positionierung.

http://www.larscontzen.com

https://www.colourcourage.com/en-gb/

https://www.glastroesch.de/

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