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Stoffe: Acryl, Polyester, Sunsilk & Co.

Die Möhre und das Radieschen

Viel Aufregung ging und geht seit der R+T 2012 im Februar letzten Jahres in der Markisentuchbranche. Auslöser war die Ankündigung der Branchengröße Markilux, die Acryltuchproduktion 2012 auslaufen zu lassen und ab 2013 mit Sunsilk und Sunvas nur noch alternative Gewebe anzubieten.

Seit diesem Zeitpunkt wird die Fachbranche regelmäßig aus allen Richtungen informiert. Egal ob REACH, Ökotex Standard 100, Werte zu Lichtechtheit, Wetterechtheit oder UV-Schutz usw., es werden momentan alle Quellen bemüht, um die Vorteile der verschiedenen Gewebearten zum Ausdruck zu bringen. Da sich die Aussagen verschiedener Hersteller dabei in gewissen Punkten überschneiden, entsteht zurzeit eine gewisse Verunsicherung im Markt, was in Richtung von REACH, Ökotex 100 und der Haltbarkeit von Geweben wie verstanden werden muss oder sollte.

Spinndüsen oder Garn gefärbt

Mit Möhre (durchgefärbte Stoffe) und Radieschen (garngefärbte Stoffe, d.h. nur an der Oberfläche) wurde von einem Weber ein treffender bildlicher Vergleich herangezogen, um die Unterschiede zwischen beiden Färbearten zu verdeutlichen. Fest steht, dass beim Durchfärbe-Verfahren schon der Spinnmasse Farbpigmente beigegeben werden, die sich dann unlöslich mit dem Fasermaterial verbinden. Die gefärbt ausgesponnenen Fasern sind im Farbausfall absolut gleichmäßig, reproduzierbar sowie besonders wasch- und lichtecht. Mit diesem Herstellungsverfahren kann der maximale Wert für die Lichtechtheit der Farben bei Fasern erreicht werden. Für garn- oder sogenannte stückgefärbte Ware wurden in den letzten Jahren von einigen Herstellern Verfahren entwickelt, mit denen Gewebe in der entsprechenden Farbe so eingefärbt werden können, dass auch hier lange Haltbarkeit und eine entsprechende UV-Beständigkeit gewährleistet werden kann.

Der Vergleich Möhre oder Radieschen ist hier also treffend, da beide Gemüsesorten durch die Farbgebung ihrer Oberfläche bestechen. Unterschiede ergeben sich erst dann, wenn das Material geknickt oder beschädigt wird.

Festigkeiten und andere Werte

Die Vorgaben sind klar geregelt, die Werte die es einzuhalten gilt, sind definiert. Lichtechtheit, Wetterechtheit, UV-Schutz, Wassersäule und Festigkeit, um nur einige der Herstellerangaben zu nennen, die von Prüfstellen kontrolliert werden, schlagen sich in technischen Unterlagen und der ein oder anderen Werbung dergleichen nieder. Eine sichere Kontrolle dieser Angaben kann wiederum nur durch eine weitere Prüfstelle erfolgen, wie zum Beispiel bei der Festigkeitsprüfung nach EN ISO 13934. Dieser Streifen-Zugversuch wird an Geweben durchgeführt und zur Bestimmung des Kraft-Dehnungs-Verhaltens von Flächengebilden per Zugprüfmaschine mit konstanter Abzugsgeschwindigkeit mit mindestens fünf Versuchen getestet. Recherchiert man im Internet zum Thema Licht- und Wetterechtheit nach ISO 105-B02 und ISO 105-B04 findet man, egal zu welchen Markisengeweben durchweg Werte mit der Note 7 bis 8. Eine sichere Prüfung kann auch hier nur über ein Prüfinstitut geleistet werden. Für den Fachbetrieb ist es damit fast unmöglich, die verschiedenen Veröffentlichungen über diese Themenbereiche zu verstehen, wenn gleichzeitig offizielle Prüfdokumente akkreditierter Institute oder Prüfstellen zu den verschiedenen Produkten vorliegen.

REACH, Ökotex Standard 100 & Co.

Der Ökotex Standard 100 ist ein unabhängiges Prüf- und Zertifizierungssystem für textile Roh-, Zwischen- und Endprodukte aus allen Verarbeitungsstufen. Beispiele für zertifizierbare Artikel sind rohe und gefärbte/veredelte Garne, rohe und gefärbte/veredelte Gewebe, Gestricke und konfektionierte Artikel (Bekleidung, Heim- und Haustextilien, Bettwäsche, Frottierwaren, textile Spielwaren u.v.m.). Die Schadstoffprüfungen umfassen:

  • gesetzlich verbotene Substanzen,
  • gesetzlich reglementierte Substanzen,
  • bekanntermaßen gesundheitsbedenkliche, jedoch noch nicht gesetzlich geregelte Chemikalien
  • Parameter zur Gesundheitsvorsorge.

In ihrer Gesamtheit gehen diese Anforderungen also deutlich über bestehende nationale Gesetze hinaus. Bei den Labortests und Produktklassen orientieren sich die Schadstoffprüfungen immer am tatsächlichen Gebrauch des Textils. Je intensiver der Hautkontakt mit einem Produkt ist, desto strengere humanökologische Anforderungen müssen erfüllt werden. Dementsprechend werden vier Produkt­klassen unterschieden. In Produktklasse IV werden alle Bereiche behandelt, die die Sonnenschutzbranche betreffenden. Voraussetzung für die Zertifizierung textiler Produkte ist, dass sämtliche Bestandteile eines Artikels ausnahmslos den geforderten Kriterien entsprechen.

Bei der REACH-Verordnung handelt es um eine EU-Chemikalienverordnung von 2007, die für die Registrierung, Bewertung, Zulassung und Beschränkung von Chemikalien steht. Als EU-Verordnung besitzt sie in allen Mitgliedstaaten Gültigkeit und hat das bisherige Chemikalienrecht grundlegend harmonisiert und vereinfacht. Entscheidend ist hier ein Grenzwert von

Bei den Recherchen der GLASWELT konnte kein derzeit lieferbares Produkt festgestellt werden, das diesen Grenzwert überschreitet. Mit diesen beiden Prüfverfahren sollte sichergestellt sein, dass in den Markt kommende Gewebe den derzeitigen hohen Ansprüchen und Vorschriften genügen, und damit eine weitere Diskussion zum jetzigen Zeitpunkt überflüssig ist. Fachhändler können und müssen also davon ausgehen, dass sie sich mit allen Markisenstoffen, die REACH einhalten, auf der sicheren Seite befinden und diese bedenkenlos an ihre Kunden verkaufen dürfen.

Was hat sich geändert

Eigentlich hat sich nicht wirklich etwas geändert. Ein Hersteller hat ein neues Produkt auf den Markt gebracht und ein anderes sehr konsequent eingestellt. Ein Vorgang, der in der Automobilindustrie schon alltäglich ist und in der Sonnenschutzbranche mit dem Umstieg von Baumwolle auf Acryl auch schon einmal durchlebt wurde. Bevor jetzt mit pauschalisierten Werten um sich geworfen wird und Farbmuster von vergilbten Markisenstoffen herumgereicht werden, gilt es sachlich zu bleiben.

Die viel zitierte UV-Beständigkeit hat zum Beispiel bei privat genutzten Markisen eine ganz andere Aussagekraft als bei gewerblichen Markisen. Welcher Nutzer lässt schon einen Stundenzähler beim Ausfahren der Markise mitlaufen. Gerade in der Gastronomie scheinen unzählige Stunden Sonne mehr auf das Markisentuch als bei Familie Müller. Weitere Kriterien wären Steuerungen, Gebäudelage etc., die einen wesentlichen Einfluss auf die Nutzung des Sonnenschutzes haben.

Gleiches gilt aber auch bei Berichten zu REACH und Co. Hier ist eine Änderung momentan nicht absehbar und damit besteht auch kein Grund, irgendwelche Informationen in diese Rich­tung zu streuen. ­Bisher haben sich die verschiedenen Märkte immer an neue Verordnungen und Normen angepasst und Produkte verändert, wenn es sein musste. Dieser Schritt wird zu einem solchen Zeitpunkt dann auch sicher erfolgen. Heute geltende Bestimmungen werden von den zertifizierten Unternehmen eingehalten. Während der Recherche haben wir auch Gespräche mit Vertretern aus der Herstellerindustrie geführt. Die freigegebenen Kommentare der Hersteller werden ab dem 12. Mai auf http://www.sonnenschutzwelt.eu veröffentlicht. Reinschauen lohnt sich. —

Olaf Vögele