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Lastabtragende Klebverbindungen im konstruktiven Ingenieurglasbau

Wo steht heute die Klebtechnik?

Bei der Realisierung moderner Architekturprojekte werden an Baustoffe vielfältige Anforderungen hinsichtlich der Optik, der Funktionalität sowie bauphysikalischer Gesichtspunkte gestellt. Der Werkstoff Glas kann diesen aufgrund seiner technologischen Ausgereiftheit mit seinen zahlreichen Möglichkeiten zur objektspezifischen Veredelung ideal ­ nachkommen. Darüber hinaus stehen ausgereifte Verbindungselemente zur Anbindung von Glaselementen auf Basis anerkannter technischer Regeln zur Verfügung. Diese können entweder punktförmig durch Bohrungen in der Scheibe oder linienförmig durchgehend bzw. mit abschnittsweiser Klemmung in den Randbereichen ausgeführt werden.

Als zukunftsfähiges Fügeverfahren bietet sich hier die Klebtechnik als eine aussichtsreiche Alternative an: Gelingt es, durch angepasste Steifigkeit und gleichzeitig ausreichende Dehnfähigkeit des Klebstoffs den Klebverbund optimal auszunutzen, können hochtragfähige, transparente Klebkonstruktionen realisiert werden.

Die vielfältigen Anwendungsmöglichkeiten dieser Fügemethode werden in anderen Ingenieurdisziplinen wie dem Maschinenbau gezeigt. Hier findet die Klebtechnik weitläufigen Einsatz bei strukturellen Werkstoffverbindungen, was sich einerseits durch unterschiedliche Anforderungs- und Beanspruchungsprofile bedingt, andererseits auf einen höheren branchenspezifischen Kenntnisstand bei lastabtragenden Klebverbindungen zurückführen lässt. Im Glasbau kommt es derzeit noch nicht zu einem vergleichbaren Einsatz von Klebverbindungen.

So sind in der Baupraxis beispielsweise noch wenige geklebte Punkthalter, durch diese die Notwendigkeit der mechanischen Nachbearbeitungen der Glasscheiben vermieden werden können, oder mittels transparenter Klebstoffe flächig geklebte Rahmenecken im Einsatz, welche die Möglichkeit zur Realisierung größerer Glasstrukturen außerhalb laminierbarer Abmessungen bieten können. Dies begründet sich darin, dass derartige Klebverbindungen ungeregelte Bauprodukte sind, die bei einer angedachten Verwendung ein bauaufsichtliches Zustimmungs- oder Zulassungsverfahren durchlaufen müssen, was mit einem erhöhten zeitlichen Aufwand verbunden ist und entsprechende Folgekosten bedingt.

Da die Nutzung klebtechnischer Verbindungen aufgrund der aufgeführten Vorteile technologisch sinnvoll ist, bedarf es weiterer systematischer wissenschaftlich-technischer Untersuchungen zur Erarbeitung der notwendigen Grundlagen, auf Basis derer zukünftige Zulassungs- und Zustimmungsverfahren vereinfacht und beschleunigt werden können.

Forschungsprogramm LAKKI

Hier setzen aktuelle Forschungsprojekte an und zielen auf eine weitere Erschließung der Klebtechnik für das Bauwesen. Im Rahmen des Forschungsprojektes LAKKI (Titel: „Lastabtragende Klebverbindungen im konstruktiven Glasbau“, Gemeinschaftsvorhaben der Hochschule München, Labor für Stahl- und Leichtmetallbau, Prof. Bucak; RWTH Aachen, Lehrstuhl für Stahlbau, Prof. Feldmann; TU Kaiserslautern, AWOK, Prof. Geiß; AiF-Nr. 16530 N, Laufzeit 01.11.2010 – 30.04.2013) wurde daher das Ziel verfolgt, geklebte Konstruktionen unter dem Einsatz alternativer Klebstoffsysteme für den Glasbau nutzbar zu machen. Hierzu wurden verschiedene strukturelle Klebstoffsysteme sowie neuartige geklebte Verbindungselemente, wie beispielsweise Varianten geklebter Punkthalter und Rahmenecken sowie Treppenanschlüsse, hinsichtlich ihrer Einsatzeignung für den konstruktiven Glasbau untersucht.

In einem ersten Schritt wurden dazu verschiedene Anforderungsprofile unter Berücksichtigung verschiedener Randbedingungen erarbeitet und fünf Klebstoffe ausgewählt.

Die Klebstoffauswahl umfasst als Referenz ein 2-komponentiges Silikon für SSG-Anwendungen, ein steifes und hochfestes 2-komponentiges Epoxidharz mit einem breiten Haftungsspektrum, zwei elastische 2-komponentige Polyurethane mit guten Festigkeitseigenschaften und ein transparentes, UV-härtendes Acrylat. Bei allen Klebstoffen handelt es sich um kalthärtende, chemisch vernetzende bzw. UV-härtende Systeme verschiedener Steifigkeits- und Festigkeitsklassen und unterschiedlicher Basispolymere.

Die mechanischen Werkstoffeigenschaften dafür wurden zunächst an Substratproben, dicken Zugscherproben und Kopfzugproben untersucht, um die Grundlagen für entsprechende Werkstoffgesetze zur Einbindung in Berechnungsmodelle zu gewinnen. Zudem wurden Alterungs- und Beständigkeitsuntersuchungen durchgeführt, die sich an den ausgearbeiteten Anforderungsprofilen hinsichtlich möglicher Einwirkungen orientierten.

Zur Untersuchung der Einsatzmöglichkeiten dieser Klebstoffe für geklebte Verbindungen, wurden nun ausgewählte Verbindungselemente des konstruktiven Glasbaus als geklebte Variante ausgeführt: So wurden geklebte Punkthalter, transparente Rahmenecken und Anschlüsse für Treppenstufen klebtechnisch konzipiert und nach verschiedenen, bautechnisch relevanten Gesichtspunkten untersucht. Dies erfolgte sowohl mithilfe von Berechnungsmodellen unter Verwendung der zuvor gewonnenen Werkstoffparameter sowie begleitenden versuchstechnischen Untersuchungen.

Auf diese Weise wurden in umfangreichen Versuchsreihen an geklebten Punkthaltern unter verschiedenen geometrischen Randbedingungen die Beanspruchungsgrenzen und Versagensmechanismen systematisch untersucht. Neben der Variation wesentlicher Parameter wie Punkthaltergeometrie und Fügepartnersteifigkeit, wurden die verwendeten Klebstoffe mit variierenden Klebschichtdicken unter verschiedenen Belastungsrichtungen (Zug, Schub und Schrägzug) getestet.

Durch diese Untersuchungen konnten wichtige Erkenntnisse hinsichtlich der Tragfähigkeit und der Tragmechanismen als Grundlage für eine zukünftige rechnerische Auslegung und Planung dieser Systeme gewonnen werden. Durch die begleitenden rechnerischen Untersuchungen konnten des Weiteren geometrische Einflüsse der Fügepartner und der Klebschicht auf das Systemverhalten herausgestellt werden.

Praktische Umsetzung

Zur zeitnahen Umsetzung dieser neuen, geklebten Techniken in die Praxis ist die Demonstration der Machbarkeit sehr wichtig. Dazu kommt, dass bei bautechnischen Zulassungsverfahren bevorzugt auf Erfahrungswerte zurückgegriffen wird.

Im Rahmen des Forschungsprojektes wird daher zum Abschluss ein gläserner geklebter Unterstand als Musterbauteil aus verschiedenen laminierten Stützen aus VSG und TVG errichtet (Abmessungen 4000 mm x 2000 mm x 1500 mm). Dieser zeichnet sich durch seinen hohen Transparenzgrad und den Verzicht auf metallische Verbindungselemente aus.

Darüber hinaus kommen neuartige Klebverbindungen in lastabtragender Funktion zum Einsatz, die in dieser Art und Weise noch keine Verwendung bei der Umsetzung von Bauprojekten gefunden haben. So werden die Rückscheiben etwa über eine L-förmige Fuge mittels 2-komponentigen Polyurethan-Klebstoff an die Stützen angebunden, der UV-Schutz in der Grenzfläche wird dabei durch eine ingenieurmäßige und klebgerechte Kombination aus Stufenglas und Beschichtung sichergestellt.

Die Einzeltragglieder des Glasunterstandes wirken erst durch die Klebfugen als Verbundquerschnitt und sichern so die Tagfähigkeit und Gesamtstabilität der Konstruktion – sie werden folglich allein durch die Klebung ausgesteift und erst im geklebten Zustand voll tragfähig.

Die Rückwand des Unterstands ist freihängend ohne mechanische Sicherung, die Kriechlasten aus Eigengewicht werden dabei vollständig über die Klebung abgetragen.

Dieses Musterbauwerk ist der Freibewitterung ausgesetzt und soll mit einem Monitoringsystem versehen werden, um weitere Erkenntnisse zum Langzeitverhalten zu erzielen. Diese Glaskonstruktion soll auf diese Weise bisher nicht genutzte Potenziale der Klebtechnik aufzeigen, Vertrauen schaffen und dazu ermutigen, die Vorzüge der Klebtechnik weiter für den konstruktiven Glasbau zu erschließen.—

Die Autoren

Prof. Dr.-Ing. Ömer Bucak, Martin Bues, beide Hochschule München, Labor für Stahl- und Leichtmetallbau

martin.bues@laborsl.de

Björn Abeln, RWTH Aachen, Lehrstuhl für Stahlbau

abeln@stb.rwth-aachen.de

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