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Berechnung von Isoliergläsern (Teil 2)

So bemessen Sie gekrümmte Gläser

Bei der Anpassung des numerischen Modells auf gekrümmte Isoliergläser ist zunächst zu unterscheiden zwischen Isolierglaseinheiten, die ebene und (leicht) gekrümmte Gläser aufweisen und solchen, die nur gekrümmte Gläser besitzen.

ISO-Einheiten aus ebenen und (leicht) gekrümmten Gläsern behandeln wir in der geometrischen Aufbereitung als Sonderfall ebener Isoliergläser. Ist z.B. die Außenscheibe gekrümmt und die Innenscheibe gerade, so wird die Außenscheibe als Teil einer Zylinderschale mit einem vom Benutzer definierten Stichmaß aufbereitet. Die geometrische Beschreibung der Gläser erfolgt nach wie vor in einem kartesischen Koordinatensystem. Die eigentliche Berechnung ist identisch mit jener für ebene Scheiben.

Etwas anders verhält es sich mit dem zweiten Fall, bei dem nämlich alle Scheiben des Isolierglases gekrümmt sind. Hierbei können auch stärker gekrümmte Scheiben auftreten, was die Verwendung eines kartesischen Koordinatensystems unmöglich macht. Vielmehr haben wir für diesen Fall die Definition der Geometrie und der Lasten in einem Zylinderkoordinatensystem vorgenommen.

Andere geometrische Formen als die einachsige Krümmung in Form einer Zylinderschale sind in analoger Weise behandelbar, würden aber eine Anpassung des von uns entwickelten, parametrischen Modells erfordern.

Was unterscheidet gekrümmte von ebenen Isoliergläsern

Das Tragverhalten einer gekrümmten Scheibe unterscheidet sich in mehreren Punkten fundamental von jenem einer ebenen Scheibe. Die Beanspruchung des Randverbundes eines gekrümmten Isolierglases kann ein Mehrfaches jener eines ebenen Isolierglases betragen. Die Belastung des Randverbundes konzentriert sich auf die gekrümmten Ränder, selbst wenn es sich um eine in Achsrichtung langgezogene Scheibe handelt (Bild 4b).

Ebenso sind die Auflagerkräfte auf die gekrümmten Ränder konzentriert, was bei der Bemessung der Befestigung berücksichtigt werden muss. Die größten Spannungen der Gläser konzentrieren sich ebenfalls auf den Bereich entlang der gekrümmten Ränder und sind hier i.A. deutlich größer als in der Scheibenmitte bzw. den parallel zur Zylinderachse verlaufenden, geraden Rändern.

Gekrümmte Gläser – wie überhaupt gekrümmte Schalen – weisen unter verteilten Belastungen eine erheblich größere Steifigkeit auf. Diese Tatsache hat zur Folge, dass die Klimalasten verglichen mit einem gleich großen, ebenen Isolierglas anwachsen.

Gekrümmte Gläser – vor allem solche mit großen Krümmungsradien – sind unter Druckbeanspruchung stabilitätsgefährdet. Folglich ist ein Nachweis der Sicherheit gegen Durchschlagen zu führen. Das wiederum stellt angesichts des komplexen Tragverhaltens eines Isolierglases kein triviales Problem dar.

Die Größe des Membraneffekts von gekrümmten Scheiben hängt von einigen Parametern ab, neben der Lastintensität insbesondere vom Seitenverhältnis der Gläser und deren Krümmungsradius.

Letzteres nehmen wir zum Anlass, die Größe des Membraneffekts genauer zu untersuchen. Wie viel macht dieser tatsächlich aus?

An einer ebenen Einzelscheibe t=12 mm mit Abmessungen zwischen 300 x 300 mm und 3000 x 3000 mm ist er zunächst recht einfach zu studieren.

Interessant ist hierbei, dass der größte Unterschied zwischen den Spannungen nicht bei quadratischen, sondern bei rechteckigen Scheiben mit einen Seitenverhältnis von etwa 4:3 auftritt.

Die Frage ist nun, ob sich die Größe des Mem­braneffekts bei Isoliergläsern reproduzieren lässt. Insbesondere bei Klimalasten treten zwei gegenläufige Effekte auf: Einerseits verhalten sich die einzelnen Scheiben unter Berücksichtigung des Membraneffekts steifer, andererseits wächst genau dadurch aber die Klimalast an, was die positive Auswirkung des Membraneffekts wiederum verringert. Dies lässt sich anhand der folgenden Schaubilder erkennen, welche die Ergebnisse einer linearen und einer nicht linearen Berechnung zueinander in Bezug setzen.

Als Glasaufbau wurde ein Isolierglas mit 2 x 6 mm Glasstärke und 16 mm SZR gewählt. Die Belastung entspricht der sommerlichen Klimalast nach TRLV, d.h. ΔT=20°K, ΔΡmet = 2,0 kN/m2, ΔH = 600 m. Die Scheibenabmessungen werden zwischen 300 x 300 mm und 3000 x 3000 mm variiert.

Aus der nicht linearen Berechnung ergeben sich größere Drücke aus dem Lastfall Klimalast, wobei der maximale Unterschied hier bei rund 5 % liegt. Interessanterweise ist der größte Unterschied zunächst bei Seitenverhältnissen von 1:1 zu finden, bei größeren Scheiben von etwa 1800 mm aufwärts machen sich Oszillationen bemerkbar, die noch einer weiteren Analyse bedürften.

Durch die größeren Drücke im SZR wird der positive Effekt der Membranwirkung auf Spannungen und Verformungen praktisch neutralisiert – unter Klimalast wohlgemerkt, nicht jedoch unter Windlast, bei welcher sich die Membranwirkung sehr wohl deutlicher bemerkbar macht.

Etwas anders stellt sich die Sache bei gekrümmten Isoliergläsern dar. Bei diesen taucht ab einer gewissen Bogenlänge folgender Effekt auf: Die Durchbiegungsfläche weist quasi zwei Senken auf, wohingegen sie in der Mittellinie wieder zurückgeht (Bild 3a). Dies erklärt die auf den ersten Blick seltsam erscheinenden Verhältniswerte zwischen der linearen und der nicht linearen Berechnung. Der Glasaufbau ist bei diesem Beispiel 2 x 6 mm mit 16 mm SZR, der Krümmungsradius des äußeren Glases beträgt 3000 mm.

Ausblick

Als Fazit lässt sich festhalten, dass sich eine nicht lineare Berechnung auch bei gekrümmten Gläsern lohnt. In welchem Maße ist allerdings abhängig von den geometrischen Verhältnissen.

Die nicht lineare Berechnung bietet den Vorteil der physikalisch zutreffenderen Beschreibung des Systems. Sie bringt aber auch ihre Schwierigkeiten mit sich: Wird beispielsweise zu Beginn der iterativen Lösung (schrittweise annähernde Berechnung) ein zu hoher Druck im SZR als Anfangsbedingung angesetzt, so wird die druckbeanspruchte der beiden Scheiben instabil, sie schlägt durch. In der Folge konvergiert die Berechnung nicht mehr.

Mitunter aber ist das Durchschlagsproblem der druckbeanspruchten Scheibe nicht nur ein Problem der Numerik, sondern wie oben angesprochen ein ganz reales. Diese beiden Fälle zu unterscheiden kann in der Praxis sehr zeitraubend sein. —

http://www.gbd.at

Eugen Schuler

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