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Umweltdeklarationen für Bauprodukte und was Verarbeiter beachten müssen

Was steckt hinter den EPDs?

Hersteller von Bauelementen und Produkten werden künftig vermehrt mit Ausschreibungen konfrontiert werden, die Anforderungen zur Nachhaltigkeit enthalten; beispielsweise, weil ein Bauherr zur Wert­erhaltung die Zertifizierung des Gebäudes fordert. Dazu kommt, dass die neue europäische Bauproduktenverordnung als neue wesentliche Anforderung (essential requirement) das Kriterium 7 „Nachhaltige Nutzung der natürlichen Ressourcen“ beinhaltet. Dort heißt es in den Absätzen a und b:

  • „Das Bauwerk, seine Baustoffe und Teile müssen nach dem Abriss recycelt werden können“ sowie
  • „Für das Bauwerk müssen umweltfreundliche Rohstoffe und Sekundärbaustoffe verwendet werden.“

Zur Umsetzung der Verordnung wird diskutiert, eine Bewertung der nachhaltigen Nutzung der natürlichen Ressourcen, soweit verfügbar, durch eine Umweltproduktdeklarationen (EPD) für die Bauprodukte zu bestätigen.

EPDs erlauben eine Sach- und eine Wirkungsbilanz, denn sie stellen sowohl die direkten Umwelteinflüsse als auch die konkreten längerfristigen Umwelteinwirkungen aus der Herstellung und der Nutzung bis hin zum Lebensende von Bauprodukten und Bauteilen dar. In die Bewertung fließen ökologische Leistungsmerkmale wie der Energie- und Ressourcenverbrauch, aber auch die Themen Entsorgung und Recycling mit ein. Damit liefern EPDs die Eingangskenndaten für die Bewertung der ökologischen Auswirkung eines Gebäudes. Gleichzeitig dienen sie nach BNB, DGNB oder Leed, Breeam u.a. als Basis für die Nachhaltigkeits-Zertifizierung eines Gebäudes etc. Sie sind in der Europäischen Normung zur Nachhaltigkeit berücksichtigt. Dabei gibt es EPDs u.a. für die Bauprodukte Fenster, Beschläge, Flachglas. Damit sollen zur Nachhaltigkeitsbetrachtung dieser (Bau-)Produkte einheitliche Grundlagen geschaffen werden.

Geht man von internationalen Normen (ISO 14025, 14040 und 14044) aus, erlaubt die Lebens­zyklusanalyse die Berechnung des ökologischen Fußabdrucks eines Produkts über alle Fertigungsschritte hinweg in jeder Phase seines Lebenszyklus – vom Abbau der Rohstoffe bis zum „End of Life“. Diese umfassende Analyse wird als „cradle to grave“ bezeichnet (deutsch: „von der Wiege bis zur Bahre “).

Mittels dieser Methode lassen sich alle Auswirkungen des jeweiligen Produktes auf die Umwelt analysieren, etwa CO2-Emissionen, Energie- und Wasserverbrauch, Wasser- und Luftverschmutzung usw. Die sich so ergebende Ökobilanz eines Produkts ist von entscheidender Bedeutung, um den Einfluss von Maßnahmen zur Reduzierung der Umweltauswirkungen bereits in der Entwicklung und Herstellung von Produkten bewerten zu können. Die Ergebnisse des Lebenszyklus werden durch eine externe Organisation überprüft und in Form einer Umweltproduktdeklaration präsentiert. Sollen Bauprodukte in zu zertifizierenden Gebäuden eingesetzt werden, müssen sie über eine solche EPD verfügen.

Muster-EPDs für die Branche

Die Erstellung einer firmenspezifischen EPD ist teuer, da sie mit einer aufwendigen Datenerhebung für die Ökobilanzierung verbunden ist. Im Rahmen eines gemeinsamen Forschungsprojekts der Branchenverbände VFF, BF, FVS+B und GKFP wurden zusammen mit dem ift Rosenheim (gefördert durch die Forschungsinitiative „Zukunft Bau“ des BBSR) sogenannte Muster-EPDs für Fenster, Glas und Beschläge erarbeitet, die sich mit einem geringen Aufwand herstellerspezifisch anpassen lassen.

Gegenwärtig brauchen Verarbeiter in Deutschland bei „normalen“ Ausschreibungen keine EPDs ­für ihre Produkte vorzulegen. Diese Umweltdeklarationen für Bauprodukte sind heute freiwillig.

Ausgenommen davon sind Projekte, bei denen das Gebäude selbst zertifiziert werden soll. Hier werden EPDs von den beteiligten Unternehmen gefordert. Ähnliches gilt für Bundesbauten. Auch hier können von den beteiligten Unternehmen EPDs verlangt werden.

Ziel der Bundesregierung sei es, die Nachhaltigkeitsbestrebungen aufrechtzuerhalten. Hierzu wurde das „Bewertungssystem Nachhaltiges Bauen (BNB)“ entwickelt, das verpflichtend für Bestands- und Neubauten des Bundes ist, wobei die Bundesländer und die Kommunen ebenfalls häufig diese Anforderungen erheben.

Die „Eintrittskarte“ für internationale Bau-Projekte

Die Umwelt-Produktdeklarationen für die Bauprodukte gewinnen gerade mit Blick auf internationale aber auch zunehmend nationale Bauprojekte an Bedeutung. Hintergrund ist das Bestreben, ganze Gebäude hinsichtlich ihrer Nachhaltigkeit und damit in Bezug auf die Umweltwirkungen bewerten zu können.

In den anglo-amerikanischen Ländern wird bei größeren Bauprojekten zunehmend das BIM-System gefordert und eingesetzt. Unter BIM, kurz für Building Information Modeling (deutsch: Gebäudedatenmodellierung), versteht man ein integriertes Bewertungssystem, das alle Verfahrensschritte und Kosten eines Gebäudes schon während der Bauphase überwacht und vergleicht.

Dies soll dabei eine Optimierung schon vor der eigentlichen Bauphase ermöglichen. Eine Voraussetzung dafür ist, dass umweltbezogene Angaben über die einzelnen Bauprodukte gemacht werden, und dass diese wiederum kompatibel sind. In Deutschland wacht darüber das IBU - Institut Bauen und Umwelt e.V. (bau-umwelt.de), das als ein „Programmhalter“ für die Ausstellung von EPDs, d.h. von Umweltproduktdeklarationen für Bauprodukte fungiert.

Vor diesem Hintergrund wurden die Standards für das Erlangen einer EPD (inzwischen auch international) harmonisiert. Das Europäische Normungsinstitut CEN hat dazu die EN 15804 vorgelegt, in der die Rahmenbedingungen für EPDs festgeschrieben sind. Diese Norm wurde im Juli 2012 eingeführt und wird seither angewendet.

Damit gelten die EPDs nach dieser Norm europaweit: Sie sind allgemein und nicht einem spezifischen Zertifizierungssystem zugeordnet.

Für die Erlangung einer EPD sind grundsätzlich die folgenden Institutionen und Verfahrensschritte erforderlich:

  • Als Basisdokument gelten die Produkt-Kategorie-Regeln (PCR). Ihre Inhalte sind nach EN 15804 als europäische Umsetzung von ISO 14044 und ISO 14025 geregelt.
  • Ferner wird ein „Programmhalter“ benötigt.
  • Als zweites Basisdokument muss vom Antragsteller oder dem beratenden Institut ein „Hintergrundbericht“ erarbeitet werden. Er beschreibt die typischen Verfahrensschritte bei Rohstoffgewinnung und Herstellung sowie bei Verarbeitung und Entsorgung der Produkte. Zudem geht der Hintergrundbericht auf die spezifischen Energiebedarfe bei den einzelnen Lebenszyklus-Abschnitten ein.
  • Für das Produkt oder die Produktgruppe selbst wird schließlich eine Lebenszyklus-Analyse („Ökobilanz“) LCA errechnet. Dies kann vom jeweiligen Hersteller selbst vorgenommen werden oder er beauftragt ein externes Beratungsunternehmen. Die LCA sollte von Form und Inhalt her zu den gängigen BIM-Systemen passen.
  • Damit die EPDs auch von den Nachhaltigkeits-Zertifizierungssystemen für Gebäude („Green Building Labels“) anerkannt werden, ist schließlich die unabhängige Überprüfung durch eine Gruppe von Experten (… im Fall des IBU der sogenannte „Sachverständigenrat“) zu zertifizieren.

Wie diese Zusammenfassung zeigt, kann die Vorlage einer EPD für den Hersteller einen erheblichen personellen und finanziellen Aufwand bedeuten. Auf der anderen Seite fragt der Markt, zumindest bei internationalen Bauprojekten und für zertifizierte Gebäude, mehr und mehr nach solchen Umweltdeklarationen für die eingesetzten Bauprodukte.

EPDs für Beschläge

Für Schloss- und Beschlagprodukte, die als Bauprodukte im Sinne der BauPVo angesehen werden, hat der Fachverband Schloss- und Beschlagindustrie e.V. (FV S+B) für seine Mitglieder sogenannte „Branchen-EPDs“ erarbeitet. Dabei fungierte das IBU als „Programmhalter“.

Im Fall der Beschläge sind bereits hier die Gruppen der verschiedenen Beschlagprodukte definiert und es ist der zugrundeliegende Lebenszyklus (Systemgrenzen) festgelegt Dazu wurden die Daten lediglich bei einem typischen Hersteller für jede der inzwischen elf berücksichtigten Produktgruppen erhoben. Sie werden nun als „typisch für die Branche in Deutschland“ angesehen und ersetzen die aufwendigen individuellen EPDs für die zahlreichen Produktvarianten der Beschlag-Hersteller.

Mitgliedsunternehmen des FV S+B können die EPDs über die Website des Verbands anfordern.

EPDs für Fenster

Im Rahmen des eingangs erwähnten Forschungsprojekts wurden auch Muster-EPDs für Holz-, Aluminium- und PVC-Fenster erstellt, die den Fensterbauern die Möglichkeit bieten, ohne eigene Lebenszyklusanalyse eine Umweltdeklarationen für ihre Produkte zu erhalten.

Diese Muster-EPDs wurden normativ erstellt, besitzen eine Gültigkeit von fünf Jahren und können durch die Fensterhersteller beim ift angefordert werden. Dabei gibt es keine zusätzlichen Anforderungen, d.h. die normativ erstellten Umweltdeklarationen genügen den europäischen Normen. Bei der Erstellung der Fenster-EPD wurden die zuvor genannten EPDs für Beschläge und Glas berücksichtigt.

Im Nachgang zu dem Projekt wurden im Auftrag des VFF durch das ift auch Muster-EPDs für Holz-Metall und Stahlfenster erstellt, sodass jetzt für alle gängigen Rahmenmaterialien EPDs verfügbar sind.

Unter https://www.ift-rosenheim.de/loesungen?tx_solr%5Bfilter%5D%5B0%5D=service%3ABerechnung+%2B+Simulation#tx-solr-search-solutionfinder kann der Fensterhersteller eine Muster-EPD für Fenster selbst erstellen. Dort kann er seine Firmendaten eingeben, dann sein Firmen-Logo hochladen und weitere Kriterien zum eigenen Fenster-Produkt (z.B. Profilaufbau, Verglasung, Öffnungsarten etc.) bestätigen. Das Programm führt dann selbstständig die Angaben in einer Muster-EPD zusammen. Wenn dies erfolgt ist, überprüfen die ift-Fachleute die Ergebnisse noch einmal. Werden dann die Kriterien bestätigt, wird die EPD auf den jeweiligen Hersteller ausgestellt. VFF und ift-Mitglieder erhalten die EPDs zu einem ermäßigten Preis.

Diese EPD gilt für alle Fenster des Herstellers, sofern sie in den Geltungsbereich (der Mustervorlage) der gegebenen Angaben/Kriterien fallen.

Es gibt auch Sonderfälle, z.B. beim Einsatz modifizierter Hölzer, für diese gilt die Muster-EPD nicht. Hintergrund: Die Basisdaten für die Umweltdeklaration müssen erst komplett neu erfasst werden, da es aktuell nicht genügend Daten zu den modifizierten Hölzern gibt. Ähnliches würde für Hybrid oder Komposit-Profile gelten.

EPDs für Glas

Auch für Isolierglas, ESG, VSG und Floatglas wurden EPDs erstellt. Diese basieren auf Erhebungen, die durch das ift bei Mitgliedern des Bundesverband Flachglas e. V. durchgeführt wurden. Die Anwendungsbereiche wurden bewusst weit gefasst – so gelten die Isolierglas-EPDs für Zweischeiben- und Dreischeiben-Glas; die EPDs für ESG sind auch für TVG anwendbar.. Damit sei gewährleistet, dass solche Muster-EPDs für die meisten Hersteller und Produkte geeignet sind. Während im erwähnten Forschungsprojekt Muster-EPDs erarbeitet wurden – eine Art Vorlage für die Erstellung von EPDs – können diese „Branchen“-EPDs von BF-Mitgliedern direkt auf ihr Unternehmen umgeschrieben und dann verwendet werden.

Die EPDs für MIG (Mehrscheiben-Isolierglas), ESG, VSG und Flachglas können beim ift per E-Mail (nachhaltigkeit@ift-rosenheim.de) angefordert ­werden.

So funktioniert das Verfahren: Nach der Anfrage durch den Glasverarbeiter verschickt das ift einen Fragenkatalog zur Bestätigung der Eigenschaften von Produkt und Herstellung.

Nach Rücksendung und der Prüfung, der durch den Verarbeiter eingesetzten Daten durch das ift , erfolgt die Ausfertigung der gewünschten EPD individuell für das jeweilige Unternehmen. BF- und ift-Mitglieder erhalten die EPDs zu einem ermäßigten Preis. —

Joachim Kieker, Matthias Rehberger

Die Autoren

Der Bausachverständige Joachim Kieker ist General Sekretär der ARGE – Arbeitsgemeinschaft der Verbände der europäischen Schloss- und Beschlagindustrie – und als Referent des Fachverbandes für die Bearbeitung der Umweltdeklarationen zuständig.

https://www.fvsb.de/

Matthias Rehberger ist der Chefredakteur der GLASWELT.

rehberger@glaswelt.de

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