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Leserbrief

“Kein Austauschzwang für Fenster“

BF-Hauptgeschäftsführer Jochen Grönegräs reagiert auf das Statement der Redaktion im zweiten GLASWELT Newsletter im Oktober 2013. Hier sein Schreiben.

Lieber Herr Rehberger, lieber Herr Mund,

erlauben Sie mir die Anmerkung, dass ich Ihren Text zur EnEV im Editorial „Die Heizungs-Lobbyisten haben es geschafft, eine Austauschverpflichtung für alte Heizkessel (älter als 1985) darin zu verankern. Wir meinen: Es gibt viele Fenster, die deutlich älter sind und auch ausgetauscht gehören - hier könnten unsere Interessensvertreter in Berlin auch einmal den Druck erhöhen“ für einen ausgesprochenen Schmarrn halte.

Zunächst einmal ist das kein toller neuer Erfolg. In der Begründung des Bundesrats zu seiner Entscheidung, in der diese Ergänzung zur EnEV enthalten ist, wird erläutert, dass damit berücksichtigt werde, „dass die Pflicht für Eigentümer von Heizungsanlagen, die vor dem 1. Oktober 1978 eingebaut oder aufgestellt worden sind, nach geltendem Recht bereits besteht“. Hier ist also nichts anderes gemacht worden, als das Datum anzupassen.

Diese bereits bestehende Verpflichtung ist zweitens nicht als besonderer Erfolg in die Geschichte des Lobbyings der Heizungsbauer eingegangen. Vielmehr wurde in den einschlägigen Zirkeln immer schon viel darüber diskutiert, dass diese Verpflichtung zwar in der EnEV steht, sich aber in den Umsätzen der Heizungsbranche nicht widerspiegelt, weil der Vollzug nicht überwacht wird – es hält sich in der Praxis einfach keiner dran.

Drittens halte ich eine Austauschverpflichtung für Fenster auch für kein erstrebenswertes Ziel für die Branche. Nach der Studie „Mehr Energie sparen mit Glas und Fenster“ von VFF und BF von 2011 sind 312 von 581 Mio. Fenstereinheiten im Bestand in Deutschland als energetisch sanierungsbedürftig anzusehen. Wenn Sie die 13,5 Mio. FE dagegenrechnen, die nach unseren Zahlen in diesem Jahr in unserem Land verkauft werden, wäre das Arbeit für 23 Jahre – ohne die Fenster, die aus anderen Gründen als der energetischen Sanierung verkauft werden. Was nach solchen plötzlichen Markt-Aufblähungen passiert, ist den Älteren unter uns von der deutschen Einheit noch in Erinnerung: eine Explosion der Kapazitäten mit ruinösen Folgen in den Jahren danach.

Deswegen besteht – viertens – auch Einigkeit unter allen Akteuren der energetischen Gebäudemodernisierung, eben keine Austauschverpflichtungen zu fordern. Das lässt sich in den Grundsatzpapieren sowohl der Initiative „Energieeffiziente Gebäude“ des BDI als auch der Gebäude-Energie-Effizienz (geea) der dena nachlesen, wo ausdrücklich auf Aufklärung und Anreize statt auf Zwang gesetzt wird, um die – natürlich dringend erforderliche – Steigerung der Sanierungsquote zu erreichen. In diesen Kreisen arbeiten bekanntlich nicht nur VFF und BF mit, sondern es handelt sich um gewerkeübergreifende Gruppen – auch mit Beteiligung der Heizungsseite, die diese Position also explizit mitträgt.

Fünftens war die Bereitschaft des Verordnungsgebers, Austauschverpflichtungen festzuschreiben, bei der Heizungstechnik immer schon größer als bei der Gebäudehülle, was schlicht mit der unterschiedlichen Lebensdauer der Produkte zusammenhängt. Fenster (und opake Fassaden) halten nun mal lange; bei einem Heizungskessel geht man davon aus, dass er nach 30 Jahren ohnehin erneuert werden muss.

Sechstens und letztens finde ich das Verlangen nach staatlicher Regulierung in Form einer Austauschverpflichtung auch aus staatsbürgerlicher Sicht fragwürdig. Wir rufen in den genannten Gruppierungen auch nicht nach Subventionen, sondern nach Anreizen für die Sanierung. Dass diese auch finanzieller Art sein sollten liegt darin begründet, dass die energetische Sanierung zwar, über die gesamte Lebensdauer des Bauteils gerechnet, wirtschaftlich ist, dass sich aber der einzelne Hausbesitzer fragt, ob er die Amortisationsdauer noch erleben wird. Daher ist zum Erreichen der politisch gewollten höheren Sanierungsquote die KfW-Förderung und nach unserer Überzeugung auch ein zusätzlicher steuerlicher Anreiz nötig. Eine staatliche Vorschrift, dass ihre Produkte gekauft werden müssten, hat dagegen noch nicht einmal die Autoindustrie hinbekommen, die ja oft als Musterbeispiel erfolgreicher Lobbyarbeit genannt wird. Auch die Abwrackprämie war „nur“ ein finanzieller Anreiz, hier in Form einer Subvention, die dann ja auch eher zu Mitnahmeeffekten als zu einer dauerhaften Marktbelebung geführt hat.

Die Glas- und Fensterbranche wird also auch weiter vergebens auf einen staatlichen Kaufzwang für ihre Produkte warten, und wir als „unsere Interessensvertreter in Berlin“ werden auch weiterhin für Aufklärung und Anreize bei der energetischen Sanierung kämpfen.

Nichts für ungut – es war mir ein Bedürfnis, das klarzustellen. Dürfen Sie gerne als Leserbrief veröffentlichen…

Jochen Grönegräs

Hauptgeschäftsführer des Bundeverband Flachglas

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