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Das ändert sich durch die DIN 18008

Die Glas DIN – kein Grund zur Panik

_ Ein neues Regelwerk wirft für diejenigen, die damit arbeiten müssen, neue Fragen auf und bringt so eine gewisse Unsicherheit. Aktuell wird dies leider durch einige wenige Veröffentlichungen verstärkt, die eher Panik schüren als aufzuklären. Aussagen wie „rein rechtlich ist eine DIN anders zu bewerten als bisherige Richtlinien“ oder „jede Scheibe muss künftig statisch bestimmt werden und dies ist künftig nur über eine qualifizierte Software möglich“ sind falsch.

Bereits zu Zeiten der Technischen Regeln war für alle Verglasungen auf die eine Last wirkt, wie z. B. Schnee-, Wind,- Holm- oder Klimalasten, ein statischer Nachweis erforderlich. Diese grundlegende baurechtliche Anforderung gibt es natürlich auch für die DIN 18008. Das heißt, wer bislang keine statische Berechnung erstellt hat und sich stattdessen auf „Erfahrungswerte“ verlassen hat, hat es bisher immer „falsch gemacht“.

Wer darf eine Glasstatik erstellen? Eine Statik muss auch künftig von einer entsprechend ausgebildeten, fachkundigen Person (z. B. einem Fachingenieur) eigenverantwortlich erstellt werden. Führen Glaser oder ISO-Hersteller solche Berechnungen durch, haben sie in der Regel nur einen empfehlenden Charakter.

Hintergrund: Bei der DIN 18008 handelt es sich um eine Bemessungsnorm, die – wie auch Normen im Stahlbau, Massivbau oder Holzbau – vorrangig für Planer und Ingenieure erstellt wurde.

Sowohl die Technischen Regeln als auch die DIN 18008 waren bzw. sind bauaufsichtlich eingeführte Regeln und stellen damit, zumindest zum Zeitpunkt der Einführung, den aktuellen Stand der Technik dar, welcher einzuhalten ist.

Unstrittig können einige Konstruktionen des Handwerks nach allgemein anerkannten Regeln der Technik realisiert werden, die ja auch auf entsprechenden handwerklichen Erfahrungen basieren. Problematisch ist es, wenn Glaser und (Isolier-)Glashersteller für die Bemessung von neuen – im Sinne von nicht traditionellen – Anwendungen, in die Rolle des Ingenieurs gedrängt werden und statische Nachweise erstellen.

In diesem Fall ist die Frage des Versicherungsschutzes für solche Leistungen zu stellen. Es sollte ein Umdenken insbesondere bei Bauherren und Architekten als dessen Vertreter stattfinden, dass – wie bei anderen Bauleistungen – Glaskonstruktionen erst dann ausgeschrieben werden, wenn entsprechende statische Vordimensionierungen erstellt wurden und damit Planungssicherheit besteht. Bei Fassadenkonstruktionen ist dies mittlerweile gängige Praxis, bei kleineren –oft nicht minder komplexen – Anwendungen leider noch nicht.

Vorsicht: Formulierungen wie „Glasstatik nach Hersteller“ haben nichts in einer Ausschreibung zu suchen. Das ist ein Problem, das es schon seit vielen Jahren gibt – nicht erst mit Einführung der DIN 18008.

Übrigens gibt es auf dem Markt viele Bauarten bei Vordächern und Brüstungen, die über Allgemeine bauaufsichtliche Zulassungen, Allgemeine bauaufsichtliche Prüfzeugnisse und Typenstatiken verfügen. Hier reduziert sich der Aufwand für die Berechnung i.d.R. auf die Lastermittlung.

Allgemein ändert sich wenig

  • Neu ist das Bemessungskonzept. Die Bemessung folgt– endlich – so wie bei anderen Baustoffen und passend zur Lastnorm, dem Konzept der Teilsicherheitsfaktoren. Dies spiegelt sich in den neuen Nachweisgleichungen für den Bemessungswert des Widerstands wider. Der bruchmechanische Hintergrund wurde bereits in der TRLV berücksichtigt: durch unterschiedliche zulässige Werte für Vertikal und Überkopfverglasungen sowie einem „Bonus“ bei kleinen Gläsern, Überlagerung von „Wind“ und „Klima“ oder bei der Verwendung von VSG.
  • Nun wird – gerade bei Isolierglasscheiben mit Floatglas – die Anzahl der zu untersuchenden Lastfälle deutlich größer. Dies ist begründet in den kmod Faktoren für unterschiedliche Lasteinwirkungsdauern. Eine Handrechnung war bereits nach den technischen Regeln unrealistisch.
  • Die 4 m-Regel entfällt: Diese wurde in der Vergangenheit oft falsch interpretiert. Bereits im Kommentar zur TRLV (Charlier, Feldmeier, Reidt, 1999) wurde erläutert, dass hier kein reduziertes Versagens- oder Gefährdungsrisiko für jeden einzelnen vorliegt, aber ein reduziertes Gefährdungspotenzial für die öffentliche Sicherheit. So kann „die Verantwortung des Bauherrn an die Stelle von öffentlich-rechtlichen Vorschriften treten, d. h. die Entscheidung für Maßnahmen, die über die üblichen Sicherheitsanforderungen hinausgehen, werden dem Bauherren überlassen“. D. h. die 4 m-Regel hat einen nicht automatisch davon befreit, Nachweise zu führen.
  • Glasdicken: Aufgrund der nun materialgerechteren Nachweisgleichungen wird Floatglas für einige Anwendungen tendenziell dicker ausgeführt werden müssen, vorgespanntes Glas tendenziell immer dünner. Dies hat einen Einfluss auf kleinformatige Fenster mit dem Standard-Aufbau von 3 x 4 mm Float. Hier wird es – aufgrund der hohen Klimalasten im Scheibeninneren – in Zukunft noch etwas schwieriger als bisher sein, die rechnerischen Nachweise erfüllen zu können. Dies ist begründet in der Physik. Nachdem gebrochene, kleinere Isolierglasscheiben aber kein Sicherheitsrisiko darstellen, wurde die Nachweiserleichterung für kleinformatige Scheiben von den Technischen Regeln übernommen. Neben anderen Randbedingungen darf hier die Scheibengröße 1,6 m² nicht überschritten werden. Das bedeutet eine Statik ist nicht erforderlich, der Hersteller/Verbauer haftet jedoch trotzdem.

Es gibt aber auch einige Anwendungen in der DIN 18008, die über den Regelungsumfang der technischen Regeln hinausgehen. Somit werden in Zukunft weniger Zustimmungen im Einzelfall erforderlich sein: Zu nennen sind hier die begehbaren Verglasungen (DIN 18008-5) und zu Reinigungszwecken betretbaren Verglasungen (DIN 18008-6, Teil 6, ist derzeit noch nicht bauaufsichtlich eingeführt).

Auch bei den punktgehaltenen Verglasungen (DIN 18008-3) und absturzsichernden Verglasungen (DIN 18008-4) gibt es Erweiterungen, wie etwa Hilfestellungen für die Berechnungen sowie ein vereinfachtes Verfahren (Teil 3) und eine Erweiterung der Kategorien sowie Berücksichtigung des Kantenschutzes (Teil 4).

Die Ingenieurin fasst zusammen

Es besteht kein Grund zur Panik, die Änderungen durch die neue Norm DIN 18008 sind insgesamt sehr gering. Freuen sollte man sich stattdessen über die Erweiterungen der Teile 3 bis 6 der Norm, mit ihren sinnvollen Ergänzungen und Erweiterungen.

Für Verarbeiter, die bislang alles richtig gemacht haben, ändert sich für die Vorgehensweise in Zukunft nichts: Wer bislang für eine Vordimensionierung seiner Glasprodukte ein Programm zur Dickendimensionierung verwendet hat, sollte dieses auf den aktuellen Stand bringen. Falls erforderlich, sollte das Erstellen einer prüffähigen Statik – wie bisher auch – dem Ingenieur oder Tragwerksplaner überlassen werden.

Es lohnt der Blick in die BF-Information 003/2015 „Fragen und Antworten zur neuen Glasbemessungsnorm DIN 18008“ des Bundesverbands Flachglas. Diese kann kostenlos geladen werden unter tinyurl.com/oqfyazo.—

Die Autorin

Dr.-Ing. Barbara Siebert ist von der IHK München und Oberbayern öffentlich bestellte und vereidigte Sachverständige für Glasbau.

Sie leitet das Ingenieurbüro Dr. Siebert – statische Berechnungen von Stahl-Glas-Fassadenkonstruktionen. Zudem führt sie aktuell Schulungen zur DIN 18008 durch.

www.ing-siebert.de

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