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GLASWELT vor Ort bei Spiegel Thomas in München

Ziemlich nah dran an Industrie 4.0

_ „Wir haben unsere Fertigungsprozesse in den letzten Jahren kontinuierlich optimiert und sind sehr gut intern sowie mit Kunden und Zulieferern vernetzt“, so Geschäftsführer Axel Rössler. „Dadurch sind wir in der Lage, alle unsere Glasprodukte just in time zu liefern.“ Selbst ESG werde innerhalb von zwei Tagen nach Auftragseingang ausgeliefert“, so Rössler weiter, der als GF Technik die Firma zusammen mit Christian Gah (GF Vertrieb + Markt) leitet.

„Unsere Nische heißt Geschwindigkeit. Und diese Schnelligkeit sowie unsere Termintreue schätzen und erwarten die Handwerker-Kunden von uns“, so Rössler. „Dabei sind wir ein reiner B-to-B Zulieferbetrieb, der im 3-Schicht-Betrieb Interieurgläser fertigt.“

Der Glasveredler legt seinen Schwerpunkt ausschließlich auf hochwertige Interieurglas-Produkte für Glaser, Schreiner, Innenausstatter, Sanitär-Fachleute, Badeinrichter etc. sowie auf die Möbelindustrie (Küche/Büro). Wobei Rössler unterstreicht: „Wir montieren nicht selbst, um nicht in Konkurrenz zu unseren Handwerkskunden zu treten. Wir beliefern unsere Kunden alle zwei Tage, das heißt, macht der Handwerker am Montag sein Aufmaß, dann kann er Mittwoch die Gläser einbauen.

Für eine zeitnahe Lieferung auf die Baustelle oder zur Werkstatt der Partnerfirmen steht eine Flotte von neun Fahrzeugen bereit.

Bei seinem Angebot richtet der Veredler sein Kerngeschäft auf die Losgröße 1 aus, entsprechend ist die Produktion darauf abgestimmt. Selbst Sondergläser in Losgröße 1 werden innerhalb der kurzen Durchlaufzeiten gefertigt. Das Unternehmen arbeitet nach der 80/20 Regel. Was bedeutet, dass 80 Prozent der angebotenen Produkte aus eigener Fertigung stammen, die restlichen 20 Prozent entfallen auf Handelsprodukte, dazu zählen auch Beschläge, z. B. von KL megla, Dorma, Pauli & Sohn.

Firmenphilosophie ist es, möglichst viele individuelle Wünsche/Produkte anbieten zu können, was ein weiteres Alleinstellungsmerkmal von Spiegel Thomas darstellt.

Aus der Not eine Tugend gemacht

Wie kam es zu diesen kurzen Durchlaufzeiten? Spiegel Thomas hat seinen Sitz am Rande von München in Obererschleißheim. Der Standort sei gut gelegen, bietet jedoch keine Möglichkeiten sich räumlich zu erweitern, erläutert Rössler. „Deshalb müssen wir just-in-time liefern, um so unseren Lagerbestand und damit die benötigte Lagerfläche minimieren zu können.“ Diese Optimierung der Prozesszeiten sowie die hochgradige Automatisierung der Produktion stellen die Basis für den schnellen Fertigungslauf dar. Zudem haben die automatisierten Prozesse zu einer Verbesserung der Produktqualität geführt, bemerkt der Geschäftsführer.

Endkunden wollen individuelle Glasprodukte

Schwerpunkte in der Veredlung setzt der Betrieb mit Schleifen, Bohren, Fräsen, Wasserstrahlschneiden, Lackieren und Beschichten. Dazu kommen die angesprochene ESG-Fertigung sowie UV-Kleben. Weitere Bearbeitungen wie Digitaldruck oder Laserbearbeitung biete man selbstverständlich auch an. Diese Produkte werden jedoch über Partner bezogen.

Angesprochen auf die relevanten Märkte meint GF Rössler: „Neue Märkte sehe ich wenig.“ Positiv für die Geschäftsentwicklung sei aber, dass die Nachfrage nach veredelten Interieurgläsern sowie nach Designglas weiter steige. Die Renovation ist nach wie vor ein entscheidender Treiber für Interieurglas und wird es auch bleiben. Und das umfasse mehr als nur die Innenraum-Segmente Dusche und Bad. Gerade die Küche sowie gläserne Raumteiler, Trennwände und Türen seien im Aufwind.

Bei Sanierungen von kleineren Räumen bieten sich viele Möglichkeiten diese mit Glas und Spiegeln deutlich aufzuwerten und optisch zu erweitern. Und gerade in diesem Segment spielen individuelle Anpassungen eine wichtige Rolle. Und für solche Aufträge habe sich Spiegel Thomas positioniert.

„Ich gehe davon aus, dass die Nachfrage nach individualisierten Glasprodukten deutlich zunehmen wird. Dazu fallen mir zu Küchensanierungen spontan gläserne Küchenrückwände ein, die immer häufiger anstelle von Fliesen eingebaut werden und mit einem ausgesuchten Motiv bedruckt oder farbig lackiert werden sollen. Und hier sprechen wir wieder von der Losgröße 1. Und für solche Sondergläser sind Endkunden auch bereit, etwas tiefer in die Tasche zu greifen.“

Einzelgläser wirtschaftlich fertigen

Während sich viele Glasverarbeiter heute die Frage nach Automatisierungsmöglichkeiten stellen und wie sich diese umsetzen lassen, ist bei Spiegel Thomas ein hoher Automatisierungsgrad schon lange Realität und die Weichen für eine Industrie 4.0 Fertigung sind bereits gelegt.

„Die Branche stöhnt heute vielfach über die Preissituation und über Anbieter aus Osteuropa. In Sachen Arbeitslöhne können wir mit den Osteuropäern schon lange nicht mehr Schritt halten. Das müssen wir aber auch nicht, wenn wir auf Technik und Automatisierung setzen. Das ist für uns der Schlüssel, um unsere Produkte wettbewerbsfähig zu vermarkten“, erläutert Axel Rössler. „Die Automatisierung ist hierzulande ein Muss, um weiter mittel- und langfristig ökonomisch wirtschaften und produzieren zu können. Das gilt auch für kleinere und mittlere Betriebe“, unterstreicht Rössler.

Diese Einschätzung teilt auch Ralf Okonnek, Geschäftsführer der Glastechnik Holger Kramp GmbH, die seit vielen Jahren mit dem Glasveredler zusammenarbeitet, beim Treffen mit der GLASWELT in München.

Okonnek: „Der Markt und die Preise zwingen die hiesigen Verarbeiter förmlich dazu, immer mehr Fertigungsabläufe zu optimieren und das geht nicht mehr ohne Automatisierung.“

Dazu komme, dass für Interieurgläser neben einer hohen Maßhaltigkeit auch die perfekte Kante fundamental wichtig ist, da viele Scheiben mit sichtbaren Kanten eingebaut werden.

Axel Rössler „Ein hoher Automatisationsgrad ist die Basis für hochwertige Interieurgläser. Eine gute Kantenqualität plus Maßhaltigkeit lässt sich nur mit einem 4-Seiter erreichen. Wir gehen aber noch einen Schritt weiter und arbeiten mit einer Chiara von Forvet.“ Diese CNC-gesteuerte Anlage zum vollautomatischen Schleifen und Polieren ist das Herzstück der Produktion.

Diese Schleifanlage besitzt vier simultan steuerbare Schleifwagen mit acht Werkzeugen, die gleichzeitig je eine Kante vollautomatisch bearbeiten. Das gilt für Glasmaße von 400 x 500 mm - 2000 x 3000 mm, bei Glasdicken von 3 - 19 mm. Die Scheiben lassen sich in einem Schritt auf Maß bringen sowie Kantenbearbeitungen und Polieren umsetzen.

Darüber hinaus kann die Anlage auch Sondergläser bearbeiten, selbst Parallelogramme, Trapeze und dreieckige Scheiben sind dabei möglich (siehe Skizze). Ein weiterer Vorteil der Chiara gegenüber einer klassischen doppelseitigen Schleifanlage sei der minimierte Platzbedarf.

Auf die Frage der GLASWELT nach den Stärken von Spiegel Thomas, meint Geschäftsführer Rössler: „Wir wollen, dass unsere Kunden zufrieden sind. Nur dann werden sie langfristig mit uns zusammenarbeiten.“

Und weiter: „Unsere drei Säulen für den Erfolg sind, Beratung, Qualität und Geschwindigkeit. Mit 10 Auftragsmitarbeitern bieten wir eine hohe Beratungsintensität, durch Fachkräfte und Automatisierung erreichen wir eine hohe Produktqualität sowie die schnelle Lieferung.“

Die Beratung sei deshalb so wichtig, da das spezifische Glas-Know-how auf der Handwerker-Ebene nicht immer gegeben ist. Hier brauchten die Handwerker die Unterstützung der Auftragsmitarbeiter bzw. der Techniker.

Um die heute von den Kunden geforderte Qualität zu erreichen, müsse sich die Branche von Glastoleranzen im Bereich von ± 2 mm verabschieden. Rössler: „Das akzeptiert kein Endverbraucher mehr.“ Auch sei Automatisierung nötig, um mit Toleranzen von ± 0,25 mm/m arbeiten zu können und um Qualitätsschwankungen in der Fertigungsqualität ausschließen.

Und Axel Rössler weiter: „Zu den Qualitätsanforderungen kommt, dass sich der Kunde heute immer später entscheidet, die Produkte aber sofort haben will. Auf diese Anforderungen haben wir uns eingestellt und die Fertigung entsprechend angepasst. Wir produzieren heute alles, was wir morgen mit unserer Fahrzeugflotte ausliefern. Dazu haben wir bei Spiegel Thomas eine tolle Mannschaft (www.spiegel-thomas.de) und mit der Glastechnik Holger Kramp einen starken, Servicepartner.“

Vor diesem Hintergrund sieht Axel Rössler sein Unternehmen auch für die Zukunft gut aufgestellt und rechnet mit Wachstum. —

Matthias Rehberger

5 Fragen an Bernd Lemmermeier von Glastechnik Holger Kramp

GLASWELT – Wo sehen Sie aktuell die Trends bei der Kantenbearbeitung?

Bernd Lemmermeier – Im Trend liegen rechnergestützte, integrierte Bearbeitungen mit kombinierten Abtragsverfahren, die z. T. simultan arbeiten. Von Forvet gibt es Anlagen, die flexibel Diamantwerkzeuge unterschiedlicher Profile (Bohrer, Senker, Fräser, Schleif- und Polierwerkzeuge) sowie Diamant-Bearbeitungen und Wasserstrahlschnitt in einer Anlage kombinieren.

GLASWELT – Welche Kantenqualitäten werden künftig gefragt sein?

Lemmermeier – Für Sichtkanten und rahmenlose Bauweise mit Glas sind hochwertige Polituren unverzichtbar. Zugleich erfordert der quantitativ steigende Polieraufwand wiederum qualitätssichernde Steuerungsverfahren, d. h. elektronische Kontrollen der Schleif- und Polierwerkzeuge.

GLASWELT – Welche Rolle spielt dabei ein hoher Automatisierungsgrad?

Lemmermeier – Ohne einen hohen Automatisierungsgrad sind heute komplexe Bearbeitungen ökonomisch nicht mehr umsetzbar. Nur Automation gewährleistet eine intelligente, flexible und ressourcenschonende Fertigung.

GLASWELT – Lassen sich heute hochautomatisierte Kantenbearbeitungsanlagen auch in ein Industrie 4.0 Konzept einbinden?

Lemmermeier – Die aktuellen Weiterentwicklungen der Glasbearbeitungsmaschinen tragen Industrie 4.0 Rechnung. So setzt der italienische Maschinenbauer Forvet gemeinsam mit Partner Siemens auf modernste Steuerungen und flexible Software mit Schnittstellen für die entsprechende Vernetzung.

GLASWELT – Was zeichnet die Forvet-Anlage bei Spiegel Thomas aus?

Lemmermeier – Diese Anlage ist hochautomatisiert. Die Bearbeitung ist komplett CNC-gesteuert und erfolgt automatisch in allen wesentlichen Funktionen. Das umfasst den Glastransport, die Einstellung der Maschine auf das jeweilige Glasmaß, Kontrolle und Nachstellung z. B. des Polierscheibenverschleißes. Dabei ist eine variable Steuerung der Schleif- und Polierwerkzeuge für eine brillante Kantenpolitur möglich sowie weitere Schleiffunktionen, z. B. „nur Säumen“ oder „Maßschliff.“ Dies kann gleichzeitig an allen Kanten erfolgen oder in verschiedenen Schritte an unterschiedlichen Kanten. Im Vergleich zu doppelseitigen Schleifanlagen braucht man nur 1/3 der Stellfläche.

www.glastechnik.com

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