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GLASWELT unterwegs bei der Holzmanufaktur Rottweil

“Die Kunst, Altes zu bewahren“

_ Eine ganz besondere Aura umgibt das Firmenareal der Holzmanufaktur: Schließlich ging es hier früher einmal sehr explosiv zu. Die ehemalige Pulverfabrik Rottweil war ein bedeutendes deutsches Unternehmen im 19. Jahrhundert, das vor allem die Jagd- und Kriegsszenerie mit Patronen versorgte. Hier wurde vom Industriepatron Max Duttenhofer das rauchschwache Schießpulver entwickelt, hier fanden Anfang des 20. Jahrhunderts über 2000 Arbeiter in riesigen Industriehallen eine Arbeit. Aber von der Kriegsmaschinerie ist nichts mehr geblieben: Eine geschäftige, konzentrierte Betriebsamkeit ist mittlerweile nach langem Dornröschenschlaf wieder eingekehrt ins Rottweiler Neckartal unter dem gigantischen Aufzugs-Testturm von ThyssenKrupp.

Hierhin hat es auch Hermann Klos und Günther Seitz verschlagen. Sie waren vor knapp 30 Jahren auf der Suche nach einer Möglichkeit, die Betriebsfläche zu vergrößern. Die Schreiner mit Leidenschaft und Liebe für Werte, die gestern Bestand hatten und es auch in Zukunft noch genauso sein sollen, verlagerten hierhin ihre Holz-Manufaktur.

„Wir restaurieren und reparieren historische Ausstattungen wie Fenster, Türen, Böden und Täfer. Vorhandener Qualität wird mit neuer Qualität begegnet, unabhängig ob es sich um Restaurierungen, Reparaturen oder Hinzufügungen handelt“, so Hermann Klos. Und er ergänzt: „Wir fertigen Fenster, an denen man sich ein Leben lang erfreuen kann und die man mit Stolz an die nächste Generation weitergeben kann.“

Ihr guter Ruf eilt ihnen in ganz Europa voraus

Mittlerweile ist das Unternehmen nicht nur Deutschlandweit bekannt – ihre Expertise ist auch in ganz Europa gefragt. So nimmt es auch nicht Wunder, wenn von den über 100 Mitarbeitern rund die Hälfte ständig im Einsatz ist. Beispielsweise aktuell in Griechenland auf der kleinen Insel Syros: Dort werden bei einem Gebäude aus dem späten 18. Jahrhundert die Fenster und Fensterläden restauriert.

Verständlich, dass das Unternehmen grundsätzlich vermehrt ihre Aufträge aus der öffentlichen Hand – vor allem von den kommunalen Gebietskörperschaften – erhält. Dennoch generieren sich rund 40 Prozent des Arbeitsvolumens aus dem privaten Sektor.

„Warum halten Sie an den alten Dingen fest?“ – wollte ich wissen: Für Klos ist es die Erinnerung und die Sehnsucht nach Vertrautem, es ist die Wertschätzung der guten alten Dinge, die unser Leben lebenswert macht. „Wir haben es uns zur Aufgabe gemacht, mit den Dingen lust- und liebevoll statt wegwerfend umzugehen. Wir geben der Vergangenheit eine Zukunft und der Zukunft eine Vergangenheit.“

Und er ist überzeugt: „Die Holzmanufaktur bietet Bauherren und Architekten stets die optimierte Lösung bei der Erhaltung historisch wertvoller Bausubstanz. Unser Bestreben ist es, die ästhetischen und historischen Werte des Denkmals zu bewahren und zu erschließen.“ Dabei erinnert er an die „Charta von Burra“, in der das zentrale Dogma über Denkmalpflege international verankert ist: „Denkmalpflege gründet sich auf Respekt für die bestehende Substanz und sollte so wenig wie möglich an materiellen Eingriffen mit sich bringen. Sie sollte nicht die Beweiskraft der Substanz verfälschen.“

Vakuumisolierglas als Lösung für schmale Fensterfälze

Trotzdem gilt auch, dass man bei historischen Bauten und altem Gemäuer nach der Sanierung berechtigte Ansprüche an wärme-, schall- und sicherheitstechnische Anforderungen anmelden kann und muss. Das betrifft nicht nur den Fensterrahmen, sondern vor allem auch das Glas. Und die Herausforderung ist dann, moderne Glaseigenschaften in einem dünnen Isolierglasprodukt zu integrieren. Denn für Fensterrahmen von „anno dazumal“ galt schon das IV56 als besonders und höchst modern. Deshalb ist es eine Herausforderung, Gläser zu verwenden, die in solche Rahmenkonstruktionen auch wirklich hineinpassen. Daher „entwickeln wir gemeinsam mit der Glasindustrie unsere Sonderlösungen“, erklärt Klos. Und stolz präsentiert der Tischlermeister ein Isolierglas mit 16 mm Dicke und einem U-Wert von 0,9 W/m²K. „Auch haben wir schon mal verbautes altes Glas für ein neues ISO verwendet.“ Und immer wieder komme auch das verfügbare japanische Vakuumisolierglas zum Einsatz. Schließlich erreicht man hier mit einem sehr dünnen Aufbau U-Werte um die 1,0 W/m²K bei einer Gesamtdicke von 6 bis 10 mm. Gleichzeitig aber gibt Klos zu bedenken, dass dieses Produkt gerade bei Kleinstmengen unverhältnismäßig teuer sei.

Was die Baubeschläge angeht, so winkt er im Gespräch ab. Das sei eines der geringsten Probleme bei der Rekonstruktion von Fenstern. Denn die seien meist noch vorhanden und müssen eigentlich nur etwas aufgearbeitet werden. Und wenn es gar nicht mehr anders geht, könne man auch historische Beschläge in der eigenen Schlosserei nachbauen. Viel intensiver sei die Arbeit am Werkstoff Holz: Da sei es im Sinne des Denkmalschutzes wichtig, kaputtes Holz mit Holz zu ersetzen. Füllstoffe aus anderen – künstlichen – Substanzen kämen nicht in Frage. „Wir wollen keinen Holzersatzstoff an die Elemente bringen.“

Angesprochen auf die Asbest-Problematik von alten Kittfalzen, bekennt der Denkmalschützer: „Da halten wir es wie die Schweizer. Dort wird davon ausgegangen, dass alle alten Kittfenster aus einer bestimmten Zeit mit Asbest belastet sind. Und deswegen halten wir auch entsprechende Arbeitsschutzrichtlinien vollumfänglich ein.“

So gilt es also, immer wieder Kompromisse für die handwerkliche Umsetzung zu finden und es allen im Prozess Beteiligten Recht zu machen: dem Bauherrn, dem Denkmalpfleger und dem Planer oder Architekten. Übrigens wird man mittlerweile auch dem Auftrag im eigenen Namen „Holzmanufaktur“ untreu: Es sei schon vorgekommen, dass man auch Kunststofffenster saniert habe, denn auch Elemente aus diesem Werkstoff können mittlerweile schon 50 Jahre alt sein.

Behutsam den Baubestand weiterentwickeln

Für Fenster und Türen im Bestand kann generell ein Retrofit sinnvoller als ein Ersatz durch Neubau sein. Bestehende Fenster werden wieder auf den neuesten Stand gebracht, die stabile Grundsubstanz der Bauteile bleibt erhalten, und ganz wichtig: Es entfallen aufwendige Neben- und Anschlussarbeiten. Es geht also manchmal auch darum, den Aufwand zu reduzieren und die Kosten zu minimieren, im Baudenkmal ebenso wie im gesamten Baubestand.

Darüber hinaus macht die Überarbeitung der Bauelemente sogar aus energetischer Sicht Sinn: Laut einer von der Holzmanufaktur in Auftrag gegebenen Studie der ina Planungsgesellschaft Darmstadt werden statt einer ressourcen- und energieintensiven Neubeschaffung bei einem überarbeiteten Holzfenster ca. 27 Prozent nicht erneuerbarer Primarenergiebedarf und 17 Prozent Treibhausgasemissionen in Herstellung, Instandhaltung und Entsorgung eingespart. Zur weiteren technischen Entwicklung arbeitet die Holzmanufaktur aktuell mit der Berner Fachhochschule Architektur, Holz und Bau (Projekt zur „Luftdichtheit und Schallschutz historischer Fenster“) sowie der Hochschule für Technik Stuttgart (Eno.Safe: Entwicklung eines Berechnungstools für die energetische Optimierung innovativer Sanierungsmaßnahmen für Fenster in Baudenkmälern) und dem Fraunhofer Zentrum für energetische Altbausanierung und Denkmalpflege Benediktbeuern zusammen.

„Wir bieten einen besonderen Arbeitsplatz“

Zu guter Letzt wollen wir vom Geschäftsführer Klos auch noch wissen, ob denn der Fachkräftemangel auch bei ihm schon angekommen sei. „Ja, es wird zunehmend schwieriger“, bekennt er, fügt aber auch gleich hinzu: „Wir bieten einen besonderen Arbeitsplatz, unsere Mitarbeiter kommen viel rum und werden mit den schönsten Gebäuden konfrontiert. Das sind schon viele gute Gründe, bei uns anzuheuern. Aber trotzdem suchen wir natürlich auch immer Schreiner mit einer gewissen Affinität zum traditionellen Handwerk und entsprechenden Maschinen.“ —

Daniel Mund