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Bauphysikalische Erfahrungen und Lösungsansätze

Erhaltenswerte Fenster wieder fit machen

Der Einbau neuer Fenster prägt das Gesamtbild einer historischen Fassade sehr stark. Damit stellt sich die Frage, inwieweit historische Fenster saniert werden können und welche zusätzlichen energetischen Verbesserungsmaßnahmen zur Verfügung stehen.

Im Rahmen einer Studie für den Heimatschutz Basel wurde diese Fragestellung eingehender betrachtet. Das Ziel: Fachplanern eine bauphysikalische Grundlage schaffen, um konkrete Maßnahmen an historischen Gebäuden situativ beurteilen zu können.

Die Grundlage bildet ein Referenzobjekt in Basel. Die Liegenschaft kann als typisches Gebäude aus der Gründerzeit bezeichnet werden. Dem leicht erhöhten Eingangsgeschoss folgen über das zentrale Treppenhaus vier weitere Geschosse.

An diesem Gebäude befinden sich erhaltenswerte Fenster, an welchen Luftdichtigkeitstests und Berechnungen für einen umfangreichen Maßnahmenkatalog durchgeführt wurden. Dabei standen folgende Punkte im Vordergrund:

  • Erhalt der Gebäudesubstanz
  • Instandsetzung der Gebäudesubstanz
  • Erhalt des Erscheinungsbildes
  • Steigerung des Komforts durch Ertüchtigung
  • Energieeffiziente Sanierung

Bei den Fenstern im vorliegenden Fall handelt es sich um sogenannte Winter- bzw. Sommerfenster, welche auch als Fenster mit Vorfenster bekannt sind.

Maßnahmen zur Ertüchtigung

Eine mögliche Sanierung ist bedingt durch den Grad der Fensterzerstörung der Konstruktion. Zu prüfen sind Standfestigkeit, Dichtigkeit gegen Schlagregen, Verwindungsgrad von Stock und Flügel, Gängigkeit und Funktionsfähigkeit der Beschläge, Zustand der Kittfalze und Falzdichtigkeit aller Anschläge. Materialprüfungen bezie-hen sich auf den Zustand des Holzes; Pilzbefall und Holzfeuchten über 25 % schließen eine teilweise Sanierung aus. Sind diese Grundsätze gegeben, so stehen folgende Ertüchtigungsmaßnahmen im Vordergrund:

Falzdichtung

Bei historischen Fenstern sind grundsätzlich keine Falzdichtungen eingebaut. Der nachträgliche Einbau dieser bringt jedoch mehrere positive Effekte mit sich. So etwa stellt sich ein höherer Komfort, geringerer Lüftungswärmeverlust und ein besserer Schallschutz ein. Voraussetzung für nachträgliche Dichtungen bildet die Standfestigkeit des Fensters und genügend Materialstärke im Überschlag des Fensterrahmens.

Glasersatz

Als eine einfache Sanierungsmaßnahme kann auch der Glasersatz bezeichnet werden. Heute gibt es eine Vielzahl von unterschiedlichen und leistungsfähigen Gläsern. Für die Transmissionswärmeverluste sind auch die sogenannten g-Werte maßgebend. Ein Vergleich der Leistungsfähigkeit unterschiedlicher Gläser lässt sich u.a. sehr gut mit kostenlosen Softwaretools machen (z.B. Pilkington Spectrum).

Hinterdämmung

Hier handelt es sich um eine Innendämmung der seitlichen Leibungen. Früher wurden die Fensterleibungen oft nur mit Holz verkleidet, das die Unebenheiten der Leibungsarbeiten verdeckte. Indem der Hohlraum zwischen Holz und Leibung mit Wärmedämmstoffen ausgefüllt wird (z.B. durch Einblasen von Zelluloseflocken oder Aerogelgranulat), können Tauwasser- und Schimmelgefahr reduziert werden. Zu beachten ist, dass je nach Wärmedämmstoff Mindesthohlräume einzuhalten sind. Es ist somit ratsam, diese Maßnahme von Fall zu Fall zu überprüfen.

Wärmedämmputz

Das Anbringen eines Wärmedämmputzes kann sowohl innen als auch außen erfolgen. In den meisten Fällen wird dieser als Zusatzdämmung (Wärmeleitfähigkeit: 0.05–0.20 W/mK) bei Altbauten angebracht, da auf diesem Weg der U-Wert der bestehenden Wand auf sehr einfache Weise verbessert werden kann.

Mit einem zusätzlichen Wärmedämmputz wird die Feuchtebelastung im Mauerwerk reduziert und ausgeglichener. Die Temperaturschwankungen an den Innenoberflächen sind geringer. Bei einer Sanierung muss allerdings abgeklärt werden, ob die Ansprü+che an das Fassadenbild dadurch eingehalten werden koännen.

Die Maßnahmen lassen sich auch sehr gut in Kombinationen anwenden. Als ergänzender Bestandteil der Untersuchungen wurden schließlich mit dem a-Wert-Messsystem Luftdichtigkeitsmessungen (BlowerDoor) der Fenster im originalen wie auch nachgedichteten Zustand durchgeführt. Insgesamt wurden 42 Situationen für Sturz-, Brüstung- und Leibungsbereiche mit unterschiedlichen Kombinationen berechnet und bauphysikalisch bewertet.

Dem Fachplaner bzw. Berater steht so ein Instrument zur Verfügung, mit welchem er Bausituation und angepasste Maßnahmen bestimmen und auf ihre bauphysikalische Wirksamkeit hin beurteilen kann.

Die zusätzlich durchgeführten Luftdichtigkeitsmessungen zeigen auf, dass durch die Nachrüstung einer Falzdichtung die Dichteklasse 3 erreicht werden kann. Diese Klasse entspricht der eines neuen Fensters.

Erkenntnisse

Aus den Untersuchungen geht hervor, dass historisch wertvolle Fenster durchaus energetisch ertüchtigt werden können. So lassen sich mit relativ einfachen Maßnahmen, wie beispielsweise einem Einbau nachträglicher Dichtungen bereits spürbare Verbesserungen erzielen. Voraussetzung dafür ist jedoch die Standfestigkeit des Fensters.

Aufgrund der Ergebnisse lassen sich folgende Fakten zusammentragen:

  • Durch einen Glasersatz (EV mit Wärmeschutzbeschichtung) und den Einbau einer Dichtung des Innenfensters werden die Transmissionswärmeverluste des Fensters um ca. 40 % bis 50 % reduziert.
  • Durch den Glasersatz (Glasersatz (EV mit Wärmeschutzbeschichtung), den Einbau einer Dichtung und einer Hinterdämmung der Leibung steigt der Komfort spürbar im Innenbereich. Die Oberflächentemperaturen erhöhen sich in kritischen Bereichen um ca. 2°K. Bezogen auf den gesamten Heizenergiebedarf wird dadurch eine Einsparung von ca. 7 % bis 10 % erzielt (Fensteranteil 15 % bis 20 %).
  • Die Effizienz von nachträglich fachgerecht eingebauten Falzdichtungen entspricht dem Standard eines neuen modernen Fensters (Luftdurchlässigkeit Klasse 3).

Die vorgeschlagenen Sanierungsmaßnahmen sind mit einem relativ geringen Aufwand auszuführen und tragen somit zum Erhalt des historischen Fassadenbildes bei.

Voraussetzung für eine schadensfreie Sanierung bzw. Ertüchtigung ist die Abstimmung einzelner Maßnahmen untereinander. Ein Fensterersatz provoziert unter Umständen ein erhöhtes Schimmelrisiko an den unsanierten Außenwänden. Ein zusätzlicher Wärmedämmputz wirkt in dieser Situation, mit Hinsicht auf die Wärmedurchgangskoeffizienten von Fenstern und Außenwänden, ausgleichend.

Aufgrund dieser Tatsachen kann man annehmen, dass es grundsätzlich erstrebenswert sein sollte, bevorstehende Fenstersanierungen auf eine Ertüchtigung hin zu prüfen. Zudem sollte eine Betrachtung aller Bauteile der betroffenen thermischen Gebäudehülle erfolgen, um die Bauteile mit den größten Transmissionswärmeverlusten zu eruieren.

Diese Punkte führen dazu, dass bei einer Fenstersanierung ein gesamtheitliches und durchdachtes Sanierungskonzept über die thermische Gebäudehülle folgen sollte. Nur so lassen sich langfristig Bauschäden vermeiden und Heizenergie nachhaltig einsparen.

Download der ­Studie

Die Studie kann kostenlos auf der Internetseite des Heimatschutzes Basel bezogen werden.

https://www.heimatschutz-bs.ch/

Mit dem a-Wert-Messsystem lässt sich schon auf der Baustelle die Durchlässigkeit von Fensterfugen in ­Anlehnung an die DIN EN 12207 bestimmen. Für weitere Auskünfte steht die BlowerDoor GmbH zur ­Verfügung.

­http://www.blowerdoor.de/de/blowerdoor/a-werthtm

Die Autoren

Matthias Schmid (Bild, Kontakt: m.schmid@prona.ch) ist Mitinhaber des Umweltingenieurbüros Prona AG in Biel und verantwortlich für die Geschäftsbereiche Bauphysik, Energie und Akustik.

David Stimm absolvierte im Rahmen seines Studiums (Holztechnik) an der Berner Fachhochschule Architektur, Holz und Bau in Biel sein Praktikum bei der Prona AG.

https://www.prona.ch/

http://www.ahb.bfh.ch

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