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Interview mit Josef Rauh

“Man erweitert seinen eigenen Horizont“

Glaswelt – Ein Fenster als Ergebnis einer ­europaweiten Kooperation – wie kam es dazu?

Josef Rauh – Es ging uns darum, die Idee unseres Projektpartners Horn Vinduer aus Dänemark zu verbessern, der bei seinen Kastenfenstern eine Lüftungsfunktion integriert hat. Wir haben uns 2009 kennengelernt und stellten fest, dass wir ähnliche Philosophien verfolgen: Horn hat Kastenfenster und Verbundfenster nach außen öffnend in Holz gebaut und wir unser Verbundfenster TRI-Star K als Holz-Aluminiumfenster. Ein weiterer Projektpartner, Brian O‘Brien vom Architekturbüro Solearth in Dublin, war seit Jahren ein Anhänger vom Hornschen Ventilationsfenster.

Glaswelt – Wie verlief die Kooperation und was trug jeder zum Objekt bei?

Rauh – Die drei KMUs (Rauh, Horn, Solearth) haben gemeinsam unter Leitung der Universität Aalborg mit Prof. Per Heiselberg bei der Europäischen Union Fördermittel aus dem FRP Forschungsprogramm beantragt und erhalten. Die Antragstellung war eine ­Herausforderung und gelang erst durch die Unterstützung der Uni.

Glaswelt – Was ist bei Kooperationen zwischen Wissenschaftlern und Handwerks- bzw. Produktionsbetrieben zu beachten?

Rauh – Die Bereitschaft, Zeit in eine Entwicklung zu investieren, verbunden mit Auslandsreisen bei Meetings in fünf verschiedene Länder kann spannend sein, man erweitert seinen eigenen Horizont und kann so Impulse ins eigene Unternehmen einbringen.

Glaswelt – Wie verlief die Finanzierung?

Rauh – Das Forschungsprojekt wurde über das EU-Förderprogramm 7. FRP genehmigt. Die drei KMUs erhielten Finanzhilfen an den Kosten für Material und Fertigungszeiten, Reisekosten etc. Die Koordinierung der beteiligten KMU-Partner inkl. Finanzbudget-Kontrolle hat die Universität Aalborg sehr professionell geführt. Es galt dabei, die drei KMU-Partner und die beteiligten Universitäten und Wissenschaftsinstitute Universität Aalborg (Dänemark), Universität Minho (Portugal), Fraunhofer-Institut für Bauphysik und Design (Dänemark) auf ein straffes Programm zeitlich und inhaltlich mit Zwischenzielen festzulegen.

Glaswelt – Was haben die Partner, jeder für sich, letztendlich vom Objekt – und wie kann jeder darüber verfügen?

Rauh – Die Unternehmen profitierten durch den kreativen Forschungs- und Entwicklungsprozess und erzielen dadurch einen zeitlichen Marktvorsprung gegenüber anderen Unternehmen. Die Entwicklung führte zu einem EU-Patent, dessen Nutzen den beteiligten KMUs zusteht. In den verschiedensten Regionen von Dänemark und Deutschland werden zurzeit Projekte entwickelt, aus denen sich sicherlich in Zukunft auch Aufträge generieren lassen.

Glaswelt – Erläutern Sie Ihren Anspruch, mit Climawin für alle EU-Märkte gerüstet zu sein.

Rauh – Die Musterobjekte werden unter Verwendung der Möglichkeiten von Glaskombinationen, Sonnenschutz und Funksensorik erstellt, da es sich um unterschiedliche Klimate handelt. Dies wird zu ganz unterschiedlichen Ergebnissen führen, deren Leistungsdaten durch das Fraunhofer-Institut aufgearbeitet und dokumentiert werden.

Glaswelt – Wie wirkt die integrierte Jalousie?

Rauh – Erklärtes Ziel unserer Neuentwicklung ist es, bei minimiertem Energieverlust die Raumluftqualität zu verbessern und den Wohnkomfort zu steigern. Um beides zu erreichen, wird die integrierte Jalousie mithilfe von Photovoltaikstrom netzautark betrieben. Da die Funktionen der Jalousie zwischen den Scheiben wetterunabhängig sind, verringern sich die Betriebskosten weiter. Die Jalousien werden über einen integrierten Lichtsensor gesteuert und schützen so vor Überhitzung. In späteren Serien ist auch eine Tageslichtlenkung möglich.

Glaswelt – Ist eine Verschattung ohne innere Erwärmung im Sommer möglich?

Rauh – Bei heruntergefahrenen Jalousetten, beispielsweise als Blendschutz an Bildschirmarbeitsplätzen, wird durch die gleichzeitige Hinterlüftung und das Abführen der warmen Luft nach außen die innere Erwärmung verhindert.

Glaswelt – Wie und wodurch wirkt die Jalousie als Dämmung in der Nacht?

Rauh – In der Nacht wirkt die geschlossene Jalousette wie eine weitere Schicht und verbessert den U-Wert des Fensters um ca. 0,05 W/m2K. Die Vorteile des verstellbaren Sonnenschutzes zwischen den Scheiben liegen im variablen g-Wert, der bei geschlossenen Jalousien bei nur 5 % liegt und bei offener Jalousie bei 47 %. Das sind Lösungen für alle Klima-Regionen.

Glaswelt – Wie sind die Schallschutz-Werte?

Rauh – Der Schallschutz wurde beim Fraunhofer-Institut geprüft. Die Werte liegen bei geschlossenem Ventil bei 40 dB, bei geöffnetem Heizmodus bei 37 dB und im Kühlmodus bei 34 dB.

Glaswelt – Welche Kontroll-Funktionen können integriert werden?

Rauh – Über einen äußeren Lichtsensor wird die Lichtstärke gemessen. Ein Signal wird an den Rahmenkontroller gesendet, dieser regelt die Jalousettenstellung und schützt damit den Raum vor Überhitzung. Zusätzlich können die Wohnräume unter Verwendung von Lüftungs- und Bypass-Ventilen zur Nachtauskühlung klimatisiert werden, ohne dass das Fenster dazu offen stehen muss – mit den damit verbundenen üblichen Einbruch-Risiken.

Glaswelt – Wie speziell ist der Einbau?

Rauh – Der Einbau der fertig konfektionierten Fensterelemente aus der Produktion auf die Baustelle ist als Ganzes nicht wesentlich aufwendiger als der übliche Montageaufwand eines normalen Fensterelements. Zusätzlich muss natürlich für die Funksensorik der Raumkontroller installiert und ein Testprogramm durch einen geschulten Techniker absolviert werden.

Glaswelt – Welche Energieeinsparung bringt Climawin?

Rauh – Messungen des Fraunhofer-Instituts in Stuttgart unter Andreas Zegowitz haben ergeben, dass wir aufgrund der Vorerwärmung der kalten Frischluft ca. 10 Prozent Heizenergie weniger als ein im Vergleich gerechnetes Referenzgebäude nach EnEV benötigen. ­—

Die Fragen stellte Jörg Pfäffinger.

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