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Im Interview mit dem sachverständigen Gerd-Joachim Müller

Nachrüstung bei Toren ist vor allem ein kaufmännisches Thema

Glaswelt – Mit Einführung der DIN EN 13241-1im Jahr 2005 ist doch eigentlich alles geklärt, wenn es um das Thema Nachrüstung geht, oder etwa nicht?

Gerd-Joachim Müller – Auch wenn wir uns mittlerweile im zehnten Jahr im Umgang mit der EN 13241 befinden, so lerne ich in meiner gutachterlichen Tätigkeit Tag für Tag, was so alles möglich ist. Der Kreativität von Handwerker sind scheinbar gar keine Grenzen gesetzt, und auch Hersteller bringen immer wieder Dinge auf den Weg, über die man sehr oft nur mit dem Kopf schütteln kann.

Glaswelt – Was sehen Sie denn aus Ihrer Sicht als immer wiederkehrende Problempunkte für den Handwerker?

Müller – Das ist relativ einfach zu beantworten, denn die Hauptpunkte der täglichen Arbeit von Torfirmen sind in vielen Fällen das Thema Prüfung von Toren und das Nachrüsten von Antrieben an Garagentoren. Beide Themen haben eine hohe Grundproblematik, da es sich um Arbeiten an bereits vorhandenen Toren handelt. Das heißt Tore die bereits in Verkehr gebracht worden sind, und bei denen Änderungen in der Struktur weitreichende Folgen für das ausführende Unternehmen nach sich ziehen können.

Glaswelt – Was bedeutet das im Konkreten?

Müller – Das ist eigentlich ganz einfach, und ich will es bei meinen Erklärungen gar nicht so sehr an den Vorschriften festmachen, da das unweigerlich zu einer weit verbreiteten Verweigerungshaltung von Handwerksbetrieben führen würde. Nehmen wir das Thema jährliche Prüfung: Wie oft trifft der Sachkundige auf ein nicht reversierendes Tor oder eine Druckwellenleiste. Beides sind Fakten, die ein sofortiges Handeln notwendig machen. Zuerst wird in den meisten Fällen von Händlern oder Betreibern der Bestandsschutz in Anspruch genommen, den es de facto nicht gibt. Also ist ein Umbau des Tores oder ein Austausch der Toranlage notwendig. Genau hier kommen wir an einen Punkt, wo wirtschaftliche Interessen mit Sicherheitsinteressen kollidieren, da der Betreiber meist wenig Willen verspürt, ein für ihn funktionierendes Tor auszutauschen, zumal hier auch hohe Kosten entstehen. Wenn also reagiert wird, passiert das meistens im Rahmen von Umbaumaßnahmen. Da der meist notwendige Autausch von Antriebsmotor, Sicherheitseinrichtungen oder Steuerungen eine neue Zertifizierung notwendig macht, begeben sich die ausführenden Handwerksunternehmen meist in große Gefahr, da diese Arbeiten oft nur sehr halbherzig ausgeführt werden. Gefahrenanalyse, das Erstellen der notwendigen Dokumente sind Dinge, die nicht zur täglichen Praxis gehören und deshalb meist unrichtig und unvollständig gelebt werden. Natürlich kommt hier auch die wirtschaftliche Komponente zum Tragen, da jeder bürokratische Aufwand Kosten verursacht, die vom ausführenden Unternehmen vermieden werden wollen. Als wichtigster Punkt wird übersehen, dass der Handwerker in diesen Fällen zum Hersteller von einem gebrauchten Tor wird, über dessen Historie er in den wenigsten Fällen ausreichende Kenntnisse hat. Ein nicht zu unterschätzendes und fast nicht kalkulierbares Risiko. Rechnet man also die wirklichen entstehenden Kosten zusammen, wird aus einer vermeidlichen günstigen Lösung sehr schnell eine zu teure Variante.

Glaswelt – Und was ist mit der Nachrüstung von Garagentoren?

Müller – Eigentlich eine ganz einfache Geschichte, wenn die Produkte entsprechend geprüft und zertifiziert sind. Dazu gibt es von verschiedenen Herstellern von Toren und Antrieben entsprechende Listen, welche Kombinationen zulässig sind. Damit ist dann auch die Sicherheit und die Erfüllung der Vorschriften gewährleistet. Leider werden in vielen Fällen aber auch ungeprüfte Kombinationen eingebaut. Genau wie zuvor beim Austausch der Torkomponenten beschrieben, wird auch hier der Handwerker zum Hersteller und nimmt das komplette Risiko für die Eigenschaften des Tores auf sich. Kipptore schaffen dabei mit ihrer Eigenschaft sich in den Vorraum zu bewegen ein besonderes Gefährungspotenzial. Das wird besonders beim Einsatz von Fernbedienungen sehr schnell kritisch, da die Tore sehr oft ohne Sicht auf das Tor benutzt werden, und so eine Gefährdung für auf dem Garagenhof spielende Kinder bedeuten können.

Glaswelt – Was bedeutet das für die Handwerksunternehmen?

Müller – Eine klare Abwägung zwischen Kosten und Risiko. Bei einem Tor ab 2006 ist der Austausch von Komponenten in der Regel kein Problem, da entsprechende Dokumente und Zertifizierungen vorliegen. Einige Hersteller haben auch schon vor diesem Zeitpunkt die entsprechenden Unterlagen zur Verfügung gestellt. Sollten also in diesen Bereichen entsprechende Arbeiten anfallen, können diese ohne Probleme erledigt werden. In allen anderen Fällen muss der Betrieb rechnen und vor allem sein Risiko in Bezug auf das vorhandene Tor abwägen. In den seltensten Fällen wird die Rechnung für ihn aufgehen, sondern ein unkalkulierbares Risiko darstellen. Betriebe mit einer entsprechenden Aus- und Weiterbildung können mit dieser Thematik gut umgehen. Schlecht ausgebildete Unternehmen laufen sehr schnell Gefahr große Fehler zu begehen, und bei einem späteren Versagen der umgebauten Toranlage in Regress genommen zu werden.

Glaswelt – Wie kann man der Entwicklung sinnvoll entgegenwirken?

Müller – Die Problematik liegt zu einem großen Teil in der Weiterbildungsbereitschaft der Betriebe. Wenn man fast täglich feststellen muss, dass Unternehmen immer noch nach der BGR 232 die jährliche Prüfung durchführen, fragt man sich schnell, wie es um das Fachwissen des Betriebes bestellt ist. Ohne entsprechende Qualifikationen und wiederkehrende Weiterbildungen halte ich es für fast unmöglich, sauber und entsprechend der allgemein anerkannten Regeln der Technik zu arbeiten. Gerade in öffentlichen Bereichen, in denen wie wir es so treffend formulieren „nicht eingewiesene Personen” anwesend sind, ist es unabdingbar, dass alle vorgeschriebenen Standards eingehalten werden. Natürlich gilt das auch für alle anderen Bereiche.

Glaswelt – Das heißt Tore sind eigentlich sichere Produkte, von denen keine Gefährungspotenziale ausgehen?

Müller – Es ist wie bei unseren Autos. Das Einhalten der Inspektionsintervalle, der Austausch von für den Fahrzeugtyp zugelassenen Bremsbelägen bei entsprechender Notwendigkeit und das Einhalten der TÜV-Termine führt zu einer maximalen Verkehrssicherheit. Gleiches gilt für die Tore, die richtig eingesetzt sehr sichere Produkte sind. —

Das Interview führte der GLASWELT Redakteur und Sachverständige Olaf Vögele

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