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Die Fachbetriebe und technische Regeln

Wenn Theorie auf Praxis trifft ...

_ Sobald das Thema Normen und Richtlinien bei so manchem Fachbetrieb auf den Tisch kommt, ist es meist aus mit der Ruhe. Wenn dann noch die Forderung nach der Verwendung einer Messkeule bei der Torprüfung gestellt wird, bringt es das viel zitierte Fass meist zum Überlaufen. Warum viele Betriebe so reagieren, ist eigentlich gar nicht zu verstehen, denn die genannten Aspekte sorgen doch nur für die so wichtige Sicherheit bei Arbeiten an Toren – für den Kunden, aber auch den Monteur selbst.

Bestandsschutz

Das Fragen keine Schande ist, merken viele Betriebe leider auch dann nicht, wenn sie an einen unbekannten Tortyp geraten. Ohne entsprechende Kenntnisse und evtl. notwendiges Spezialwissen wird hier repariert oder eine Prüfung durchgeführt. In der Regel zum Erlangen der Kundenzufriedenheit mit einem positiven Ergebnis. In Ermangelung von Fachwissen kann meistens auch nicht einwandfrei beurteilt werden, ob das Tor die aktuellen Anforderungen der Normung erfüllen kann und so werden in vielen Fällen Toranlagen weiter betrieben, die über schwere Sicherheitsmängel in Form von fehlenden Schaltleisten oder Lichtschranken verfügen.

Schließkraft und ASR A1.7

Ein weiterer Knackpunkt sind die Anforderungen der ASR A1.7 zur fachgerechten Überprüfung der Schließkantensicherung bei der jährlichen Kontrolle. Auch wenn diese Vorschrift schon seit 2009 besteht, sehen viele Betriebe die Sinnhaftigkeit der Messkeule auch heute noch nicht ein, obwohl keine anderen Möglichkeiten bestehen, die maximal zulässige Schließkraft von 400 N vor Ort zu überprüfen. Und es geht hier um noch andere wesentliche Punkte, denn auch der Zeitverlauf des Kraftabbaus beim Auflaufen auf ein Hindernis bis hin zur Reversierung des Torflügels muss überprüft werden. Der meist zitierte Mehraufwand an Zeit bei der Prüfung oder die Kosten für die Messkeule müssen da nach wie vor als beliebte Argumente herhalten, um sich der Nutzung des Prüfgerätes zu entziehen. Angesichts eines tatsächlichen Mehraufwandes von maximal fünf Minuten und Kosten von ca. 850 Euro für eine Messkeule sicher keine stichhaltigen Argumente.

Teure Lehrstunde

Dass das Thema Qualifikation und fachgerechte Arbeit zentrale Bedeutung haben kann, zeigt ein tragischer Fall bei einem Torunfall in Freiburg. Ein 71-Jähriger wurde im Juni 2013 kurz nach einer Torreparatur zwischen Garagentor und Wand eingeklemmt, schwer verletzt und bleibt ein Pflegefall, bis er neun Monate später an den Spätfolgen des Unfalls stirbt. Der ausführende Monteur wurde wegen des Vorwurfs der fahrlässigen Tötung vor dem Freiburger Amtsgericht angeklagt, weil er das Tor einige Wochen vor dem Unfall repariert hatte und geklärt werden sollte, ob er seine Sorgfaltspflicht wegen einer nicht ordnungsgemäßen Reparatur verletzt hatte.

Es war eigentlich ein ganz normaler Auftrag, der von einem Monteur, der als Einzelunternehmer tätig war, erledigt werden sollte: Ein schwergängiges Schiebetor sollte repariert werden und der Monteur stellte die Funktion des Tores durch Justierung der Motorkupplung wieder her. Das Gericht setzte zur Klärung des schrecklichen Vorfalls zwei Sachverständige ein. Auch wenn der exakte Unfallablauf mangels Augenzeugen nicht geklärt werden konnte war festzustellen, dass es außer einer Lichtschranke keine weiteren Sicherungsvorrichtungen gab. Die Kupplung des Antriebs war zudem so stramm eingestellt gewesen, dass man das Tor von Hand nicht habe stoppen können. Auch wenn das Tor nach der Reparatur zunächst funktionierte, kommen die Gutachter zu dem Schluss, dass es die Aufgabe des Monteurs gewesen sei ausdrücklich darauf hinzuweisen, dass die Toranlage nicht mehr den Vorschriften entspricht und nur noch per Hand betrieben werden darf. Die Richterin folgte im dem Strafprozess den Forderungen der Staatsanwaltschaft und verurteilte den Monteur wegen fahrlässiger Tötung durch Verletzung der Sorgfaltspflicht bei der Torreparatur zu 60 Tagessätzen à 65 Euro.

Dieses Beispiel (es gibt noch viele andere) sollte einige zum Nachdenken anregen, und auch wenn die Strafe für das fehlerhafte Einstellen eines Antriebes und das „Weglassen von ein paar Informationen“ für den Monteur sehr hart klingen sollte, 3900 Euro Geldstrafe stehen in überhaupt keinem Verhältnis zu dem Verlust eines Menschenlebens.

Was gilt für die Zukunft

Auch für die Zukunft muss das Ziel die weitere Verbesserung der Ausbildung von Unternehmen sein, die im Bereich Montage, Wartung und Prüfung von Toren tätig sind. Gerade der so wesentliche Bereich der Prüfung muss deutlich verbessert und ein Bewusstsein dafür geschaffen werden, dass eine Torprüfung nicht in 10 Minuten und für 35 Euro erledigt werden kann und es keinen Bestandsschutz für Tore ohne ausreichende Sicherheitseinrichtungen gibt..

Jeder, der eine Torprüfung durchführen will, muss über eine Prüfkeule verfügen, denn nur so kann die Schließkantensicherung durch Kraftabschaltung ausreichend sicher geprüft werden. —

Olaf Vögele

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