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Türschwellen gefährden, grenzen aus und benachteiligen

Es muss die echte Nullschwelle sein!

_ Als Heilerziehungspflegerin und Diplom-Ingenieurin Architektur mit Weiterbildung in Sozialraumentwicklung und Forschung setze ich mich seit über 25 Jahren für Inklusion ein und beachte dabei auch die Sichtweisen der Professionen Pflege und Pädagogik, die beide mehr als dringend konsequente Schwellenfreiheit verlangen. Denn klar ist: Eine ausreichend sturzpräventive und inklusive Architektur ist nur mit Nullschwellen möglich!

Außentüren mit Nullschwelle: kein Problem

Dank dem mutigen Pionier Harry Frey aus Kaufbeuren sind Nullschwellen auch für Außentüren technisch mittlerweile schon seit über 20 Jahren mehr als wasserdicht gelöst. Ich kenne zahlreiche, seit vielen Jahren ausgezeichnet funktionierende Einbaubeispiele persönlich. Außerdem habe ich viele Nutzer vor Ort, aber auch beteiligte Fensterbauer und Planer dazu befragen können. Jedes durchgeführte Interview hat mir als Vollblut-Heilerziehungspflegerin nicht nur die Freude und Begeisterung von Menschen mit Behinderung und Senioren über die schwellenfreie Magnet-Doppeldichtung vermittelt, sondern klar gezeigt, es muss die echte Nullschwelle sein! Bis zu 2 cm hohe Türschwellen hingegen stellen ein K.-o.-Kriterium hinsichtlich Inklusion dar, sie gefährden, grenzen aus und benachteiligen. Heute gibt es zunehmend mehr Stimmen, die den Rückbau von 1 – 2 cm hohen Türschwellen verlangen. Die Gründe dafür sind zahlreich:

Die Rollstuhlnutzer-Perspektive

„1 – 2 cm Schwellenhöhe finde ich untragbar“, erklärt Brigitte Seiferheld als Expertin in eigener Sache mit einer über 52-jährigen Rollstuhlerfahrung sowie erfolgreiche Beraterin für Barrierefreiheit und betont, dass bereits 0,5 cm Schwellenaufkantungen ihr Probleme bereiten würden. „Die meisten Rollstuhlnutzer mit höheren Lähmungen auch im Oberkörper haben Schwierigkeiten, diese kleinen Schwellen zu überwinden“, erklärt die mit der Bürgermedaille der Stadt Ludwigsburg ausgezeichnete Expertin. Ihr Mann Frieder Seiferheld, Schatzmeister der Fördergemeinschaft der Querschnittsgelähmten in Deutschland e.V., schätzt sogar, dass nur ein Prozent aller Rollstuhlnutzer problemlos über 1 – 2 cm Türschwellen kommen und ergänzt diese Zielgruppe mit einer weiteren Beispielperspektive: „Gerade sprach ich am Telefon mit einer Dame mit Querschnittlähmung, die auch schon 50 Jahre im Rollstuhl hinter sich hat. Sie zählte früher zu den topfitten Rollstuhlfahrerinnen, für die ein Bordstein kein Hindernis darstellte. Heute aber ist die Schulter kaputt, verschlissen durch die dauernde Überanstrengung. Sie sagte mir, wenn da irgendwo ein Streichholz liegen würde, käme Sie nicht mehr darüber.“ Allerdings müssten neben den Menschen auch die Rollstühle genau betrachtet werden. „Die wenigsten Senioren haben einen sportlichen Flitzer, die meisten sitzen in einem ‚altersgerechten Ruhestuhl’, der sich wesentlich schlechter rangieren, kippen und fahren lässt“, so Frieder Seiferheld und erklärt weiter: „Bei diesen Rollstühlen, die zumeist in erster Linie der möglichen Haftungsfreistellung des Pflegepersonals dienen als der Selbstständigkeit des Rollstuhlfahrers, findet man oft auch noch Kippschutzeinrichtungen, die jegliche eigenständige Fahrmanöver erfolgreich verhindern. Wenn jemand über eine Schwelle ‚hüpfen’ will, muss er auf den Hinterrädern balancieren können. Mit Kippstütze ist diese Stellung unerreichbar.“

Es könne nicht davon ausgegangen werden, dass Senioren, deren Anzahl kontinuierlich zunehme, zu derartig sportlichen Höchstleistungen neigten. Deshalb fordern beide Seiferhelds: „Wir benötigen dringend in allen Gebäuden und Wohnungen Nullschwellen!“

Inklusion ist Menschenrecht

„Inklusion bedeutet die volle Teilhabe am Leben für jeden Menschen, ganz unabhängig vom jeweiligen Assistenz- oder Unterstützungsbedarf“, erklärt Antonio Florio, der Vorsitzende von Selbstbestimmt Leben im Landkreis Ludwigsburg e.V., Inklusionsaktivist und Experte in eigener Sache. Florio beschreibt hier ein Menschenrecht, das allen Menschen mit Behinderung einschließlich derjenigen die intensivere Assistenz und Unterstützung benötigen, zusteht. „Weil die meisten Nutzer von Rollstühlen wegen der bis heute üblichen 1 – 2 cm hohen Türschwellen nicht selbstständig auf den Balkon kommen, ist das unnötige Ausgrenzung und Benachteiligung, also das Gegenteil von Inklusion“, sagt Florio und betont: „Aus welchem Grund werden denn dann Balkone so überhaupt gebaut? Was machen diese in derartig verbauter Weise eigentlich grundsätzlich für einen Sinn und weshalb sollen Menschen mit Behinderung für solche Balkone dann auch noch bezahlen?“

Der Blick in die Pflegeheime

„In der Pflege ist alles andere als 0 cm Schwachsinn“, betont der Geschäftsführer der Stiftung Espachstift aus Kaufbeuren, Markus Poppler. „Für alle, die Schwierigkeiten haben, dies nachvollziehen zu können, empfehle ich einen Alterssimulationsanzug auszuprobieren oder einfach mal verstärkt ältere Menschen beim Laufen zu beobachten. Bei ganz vielen ist ein typisch schleifender Gang festzustellen, vor allem bei Hochbetagten. So wird schnell klar, dass auch schon eine Schwellenhöhe von 1 cm im Boden absolut gefährlich ist“, erklärt Ernst Schönhaar, der Kuratoriumsvorsitzende der Stiftung Espachstift. Bereits seit über 16 Jahren erreicht dieser Altenhilfeträger bei allen seinen Neubauten mit der schwellenfreien Magnet-Doppeldichtung konsequente Schwellenfreiheit und damit optimale Sturzprävention in der Architektur. Schönhaar freut sich über die Innovationskraft seiner Stiftung: „Die Mehrkosten für unseren Nullschwellen-Standard haben sich schon mehrfach gelohnt, weil er von den Bewohnern als wohltuend erlebt, mittlerweile als selbstverständlich betrachtet und die Schwellenfreiheit für alle mit jedem Jahr wichtiger werden.“

Die BeneVit Gruppe aus Mössingen verwendet ebenfalls seit 10 Jahren diese Nullschwellen-Technik für alle ihre Pflegeheime: „Mittlerweile haben wir 23 Pflegeheime in 5 Bundesländern mit der schwellenfreien Magnet-Doppeldichtung ausgestattet, das 24. wird gerade gebaut“, berichtet Claudia Kanz, die Leiterin der Bauabteilung von BeneVit. Der Geschäftsführer Kaspar Pfister und seine Tochter Claudia Kanz probierten persönlich mit dem Rollstuhl die bis zu 2 cm hohen Schwellen aus. „Auch ich habe es nicht geschafft im Rollstuhl sitzend über diese Barriere zu fahren“, berichtet Claudia Kanz.

Ambulante Pflege zu Hause

Nullschwellen sind nicht nur in Pflegeheimen und betreuten Wohnanlagen für ältere Menschen allein aus Sicherheitsgründen unverzichtbar, sondern auch im ganz konventionellen Wohnungsbau. „Genau wie Ulrike Jocham unterstützen auch wir eine schwellenlose Architektur“, erklärt Ralf Schibrowski, der Geschäftsführer und Bausachverständige für barrierefreien Bau und Umbau vom GPS-Pflegedienst aus Bad Dürrenberg und fordert klar: „Türschwellen in jeglichen Höhen sind grundsätzlich zu vermeiden!“ Eine 93-jährige Klientin seines Pflegedienstes habe wegen 2 – 4 cm hohen Schwellen innerhalb ihrer Wohnung insgesamt 2 Oberschenkelhalsbrüche erlitten. „Die körperlichen und seelischen Schmerzen dieser Brüche konnten kaum gemildert werden. Nur durch intensive Pflegebetreuung von Angehörigen und Professionellen ist diese Dame wieder willens geworden weiter leben zu wollen“, berichtet Schibrowski. Seine Tochter, die Pflegemanagerin Nadine Schibrowski unterstreicht die Bedeutung von Schwellenfreiheit mit einem weiteren Blick auf die Arbeitsbedingungen in der Pflege: „Auch für die Pflegekräfte sind Nullschwellen beim Klienten in der eigenen Häuslichkeit arbeitserleichternd. Oft haben Schwestern und Pfleger bis zu 30 Personen in einer Tour zu versorgen und körperlich anspruchsvolle Tätigkeiten zu verrichten. Schwellen, ob in Duschen, in Türen oder im Außenbereich beim Spazierengehen sind kräftezehrend. Die Attraktivität des Pflegeberufes wird unnötig weiter herabgesetzt, ganz zu schweigen vom Thema Arbeitssicherheit“, betont Nadine Schibrowski. Deshalb fordern beide Pflegeexperten: „Es wäre absolut wünschenswert, wenn alle Beteiligten eines Bauvorhabens vor Baubeginn darüber nachdenken, welchen Schaden sie anderen tatsächlich mit ihrer Konzeption zufügen.“

Nullschwellen im Geschosswohnungsbau sind besser

Für Manfred Kemter, Behindertenbeauftragter im Schwarzwald-Baar-Kreis, ist klar: „Wenn man von barrierefrei spricht, muss es auch eine Nullschwelle sein. Es gibt Menschen mit einer Behinderung, die die 2 cm-Schwelle überwinden können, aber ebenso gibt es Personen, die es nur schwer oder eben nicht schaffen, über 2 cm hohe Hindernisse zu gelangen.“ Gerade das Öffnen bzw. Schließen von Türen berge bei vorhandenen Schwellen oft Probleme: „Wenn man sich, um eine Türe öffnen bzw. schließen zu können, gerade an der Stelle befindet, an welcher die Schwelle überfahren werden muss, ist dies für manche Personen nicht machbar. Es ist z. B. nicht möglich, sich mit beiden Händen am Rollator festzuhalten und gleichzeitig den Türgriff zu fassen. Allein nur dieses Beispiel zeigt die Notwendigkeit einer Nullschwelle“, erklärt Kemter, der als Behindertenbeauftragter mit einer über 20-jährigen Berufserfahrung im Ehrenamt und im Hauptamt eine Zunahme des Mitspracherechts bei Bauvorhaben von immer mehr kommunalen und städtischen Behindertenbeauftragten beobachten kann. „Da wir jedoch alle älter werden, sind schwellenfreie Außentüren grundsätzlich für alle besser. Im Alter können viele z. B. ihren Fuß nicht mehr richtig heben. Deshalb empfehle ich in allen Neubauten überall Nullschwellen umzusetzen. Bei meiner letzten Begleitung eines Geschosswohnungsbaus ist es mir gelungen, in allen Wohnungen zielgruppenübergreifend auch die Freisitze mit einer 2 cm hohen Schwelle zu erschließen. Bei der nächsten Wohnanlage möchte ich überall Nullschwellen erreichen“, so Kemter.—

Auszeichnungswürdig!

Die Stiftung Espachstift war wahrscheinlich bundesweit der erste Träger von Pflegeheimen und Betreuten Wohnanlagen, der sturzsichere Nullschwellen zu Freisitzen ermöglichte. Die BeneVit-Gruppe ist vermutlich der erste Pflegeheimbetreiber in Baden-Württemberg gewesen, der Nullschwellen-Qualität auch zu den Freisitzen umsetzte und seit 2007 vielleicht sogar bundesweit die meisten Nullschwellen-Einrichtungen mit Freisitzen vorweisen kann.

Die Autorin

Ulrike Jocham, die Frau Nullschwelle, ist disziplinübergreifend als Unternehmensberaterin, Vortragsrednerin und Trainerin zum Thema Schwellenfreiheit, Barrierefreiheit, Inklusion und Universal Design tätig. Ergebnisse aus ihrem über 12-jährigen transdisziplinären Einsatz für Nullschwellen gibt es ganz neu unter:

www.die-frau-nullschwelle.de

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