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Verträglichkeit von Dicht- und Klebstoffen (Folge 1)

Der Mix muss stimmen

Auch bei den Menschen sagt man: „Die Chemie stimmt“. Mit der Kombination verschiedener Dicht- und Klebstoffe verhält es sich ähnlich. Besonders auffällig werden Wechselwirkungen, wenn verschiedene Kunststoffe und Materialien aufeinandertreffen. Bei aktuellen Fenster­konstruktionen etwa kommen unterschiedliche Kunststoffe auf engstem Raum und unter scharfen Klimabelastungen (Feuchte, Wärme, UV-Strahlung) zusammen – ideale Bedingungen für intensive Wechselwirkungen. Hierzu zählen vor allem Polyisobutylen (PIB), Abstandhalter aus Kunststoff, Verglasungsklötzen, Distanzbänder bei Structural-Glazing-Klebungen (SG), SG-Klebstoff, Hinterfüllmaterialien oder Dichtstoffe zur äußeren Abdichtung.

Deshalb sollte bei der Herstellung von VSG-Scheiben, MIG (Mehrscheiben­isolierglas), Structural-Glazing-Klebungen, geklebten Fenstersystemen sowie Montage-, Klebe- und Abdichtungsarbeiten auf die Verträglichkeit der eingesetzten Materialien mit gegenseitigem ­Kontakt geachtet werden, um Schäden zu vermeiden.

Was genau deckt die Qualitätssicherung ab?

Alle Teilbereiche von Fenster-, Fassaden- und Glaskonstruktionen haben von der Rohstoffherstellung bis zum fertig montierten und abgedichteten Produkt eigene Verfahren zur Qualitätssicherung. Die weitere Verwendung des eigenen Produkts und mögliche Wechselwirkungen werden aber selten systematisch beachtet und geregelt.

Um verlässliche Aussagen in diesem komplexen Gebiet treffen zu können, hat ein Forschungsprojekt des ift Rosenheim die wichtigsten Beurteilungskriterien sowie geeignete Prüfverfahren erarbeitet. Dabei kristallisierten sich folgende Aspekte als kritische Punkte heraus:

  • Kontakt von Dichtstoffen mit dem MIG-Randverbund und die Auswirkungen auf die Dauerhaftigkeit des MIG,
  • Kontakt von Dichtstoffen mit der Kante von Verbund- und VSG und die Auswirkungen auf das Laminat,
  • Kontakt von Dichtstoffen und Dichtungen mit der Oberflächenbeschichtung der Rahmen.

Die Ergebnisse werden in drei ift-Richtlinien beschrieben:

  • DI-01/1 – Verwendbarkeit von Dichtstoffen. Prüfung von Materialien in Kontakt mit dem Isolierglas-Randverbund.
  • DI-01/2 – Verwendbarkeit von Dichtstoffen. Prüfung von Materialien in Kontakt mit der Kante von Verbund- und Verbundsicher­heitsglas
  • VE-08/1 – Beurteilungsgrundlage für geklebte Verglasungssysteme

Nach Prüfungen, basierend auf ift-Richtlinien, kann man davon ausgehen, dass es bei den als „verwendbar“ eingestuften Materialkombinationen während der zugesicherten Nutzungsdauer nicht zu Veränderungen durch Einflüsse von angrenzenden Materialien kommt.

Dabei müssen jedoch die Verarbeitungsrichtlinien der Hersteller und die technischen Voraussetzungen für das Ausgangsprodukt eingehalten werden. Dies ist besonders wichtig für die Dauerhaftigkeit von MIG und VSG. Darüber hinaus helfen dem Verarbeiter „Positivlisten“, in denen von der Industrie mögliche Materialkombinationen freigegeben werden. Nachfolgend wird die Problematik einiger Anwendungsfälle beschrieben, um für die Thematik zu sensibilisieren.

Fall 1 – Isolierglas, Randverbund und Wetterfuge

Hier stehen Polyisobutylen (PIB), äußerer Dichtstoff des MIG und der Dichtstoff der Wetterfuge in direktem Kontakt. Unter den Versuchsbedingungen eines „Dreiertests“ darf es zu keiner funktionsbeeinträchtigenden Verfärbung, Erweichung oder Versprödung eines der Fügepartner kommen. Zudem sollten die unterschiedlichen Drucksituationen im geschlossenen System „Isolierglas“ durch intensive Tests am Randverbund des Isolierglases simuliert werden, um einen eventuell erhöhten Austausch von Inhaltsstoffen auszuschließen.

Nach unterschiedlichen klimatischen Belastungen werden mögliche Wechselwirkungen auf visuell erkennbare Veränderung und durch Auseinanderklappen der Glasscheiben des MIG beurteilt. Kriterien sind die Veränderungen der Konsistenz und das Haftverhalten zu den Fügepartnern.

Fall 2 – Geklebte SG-Fassaden

Bei „Structural-Glazing-Konstruktionen“ handelt es sich um zulassungspflichtige Bauteile, die hohe Anforderungen an die Verklebung und damit an die Verträglichkeit stellen. Im deutschen Baurecht ist Structural Glazing als Bauprodukt in der Bauregelliste B, Teil 1, Zeile 3.2 verzeichnet und muss über eine „Allgemeine Bauaufsichtliche Zulassung“ verfügen, die detaillierte Angaben über einzusetzende Oberflächen, Klebstoffe und Konstruktionen enthält sowie mit einem Ü-Zeichen gekennzeichnet werden muss, das ­eine vertraglich geregelte Eigen- und Fremdüberwachung durch eine akkreditierte Prüfstelle vorsieht.

In Europa sind die Vorgaben der ETAG 002 – Leitlinie für die europäische technische Zulassung für geklebte Glaskonstruktionen – zu beachten, die eine ETA-Zulassung (European Technical Approval) fordert. Die Verantwortung für das gesamte Verfahren der Klebung liegt bei den Fassadenherstellern.

Die Erfahrungen aus Langzeituntersuchungen, Forschungsergebnissen und Gutachten des ift Rosenheim zeigen, dass die Verklebung von SG-­Fassaden über die Nutzungszeit gebrauchstauglich bleibt, wenn eine fachgerechte Ausführung und eine penible Qualitätssicherung gegeben sind. Für die Verklebung werden Systeme eingesetzt, die sich aus folgenden „Klebepartnern“ zusammensetzen: Oberfläche der Tragkonstruktion (anodische Oxidation oder Pulverbeschichtung des Aluminiums/Edelstahls in verschiedenen Oberflächenbehandlungen und Qualitäten), zugelassenem SG-Klebstoff, Oberfläche des eingesetzten Glases (Floatglas, beständige und nachgewiesene Glasbeschichtungen/emaillierte Glasflächen).

Bei einer SG-Klebung treffen eine ganze Reihe unterschiedlicher Kunststoffe aufeinander. Sie sollten sich miteinander vertragen, um die Funktion aller beteiligten Bauteile (MIG, SG-Klebung, Wetterfuge) sicherzustellen.

Die planende Stelle sollte deshalb im Voraus die Anforderungen des Gesamtsystems festlegen, um dem Ausführenden den Abgleich mit der Zulassung zu vereinfachen. Dabei sollte auch der MIG-Randverbund beachtet werden.

Der zweite Artikelteil erscheint im nächsten Heft und behandelt ­einen ­Schadensfall bei Structural Glazing-Fassaden sowie Verträglichkeiten von Materialien und Klebern bei Fenstern bzw. bei geklebten Fenster-konstruktionen.—

Die Autorin

Dipl.-Ing. (FH) Karin Lieb ist für das Institut für Fenstertechnik in Rosenheim als Prüfstellenleiterin am ift Zentrum Glas · Baustoffe · Bauphysik tätig.

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