Springe auf Hauptinhalt Springe auf Hauptmenü Springe auf SiteSearch
Ausbildung

Wie arbeiten die Glaser in Volterra?

Ich war sofort Feuer und Flamme und mein Chef Hans-Günther Neumann signalisierte mir, dass er mich hierbei unterstützen werde. Ich wollte nach Italien und das Abenteuer wagen.

Schon beim Vorbereitungs-Treffen war klar: Wir waren eine buntgemischte Truppe aus Schreinern, Glasern, Stuckateuren, Malern, einem Zimmermann, ein Gas- und Wasserinstallateur, einer Konditorin und einer Friseurin. Alle verstanden sich auf Anhieb und wir schlossen erste Freundschaften. Ein zweitägiger Sprachkurs in der Handwerkskammer Stuttgart sorgte dafür, dass die Sprachbarriere nicht allzu groß ausgefallen ist und ein kleines Taschengeld von der Europäischen Union unterstützte uns, den Lebensunterhalt zu bestreiten.

Am 4. Januar 2015 war es dann endlich soweit: Alle Leonardi – so wurden wir bei den Italienern genannt – machten sich auf den Weg nach Volterra und wurden herzlich empfangen. Zwei Tage später ging es dann gleich in den einmoatigen Sprachkurs, der immer wieder unterbrochen wurde durch Ausflüge in die Region zum Kennenlernen des Landes und der Kultur.

Learning by Doing

In der kleinen Schreinerei von Massimo de Amici und seinem Vater Dalmazio konnte ich schließlich das Wissen, das ich mir in meiner Ausbildungszeit angelernt hatte, gut einbringen. Auch die Verständigung auf Italienisch funktionierte besser als ich erwartet hatte. Und wenn mir die einmal eine Vokabel fehlte, konnte ich das mit der Gestik von Händen und Füßen wieder ausgleichen.

Aufgefallen ist mir in der täglichen Arbeit: Mit dem Arbeitsschutz nahmen es meine italienischen Kollegen nicht so genau. Man handelte nach dem Motto „Warum etwas ändern, wenn es schon immer so funktioniert hat“. Auch die eingesetzten Materialien kannte ich bisher nicht. So mischte man hier die Spachtelmasse aus Alabasterstaub, braunen Farbpigmenten, Leim und Wasser selbst zusammen, um beispielsweise alte Regalböden eines Etrusker-Museums zu restaurieren. Es erfüllte seinen Zweck und war viel günstiger als die im Handel erhältlichen Produkte.

Im zweiten Monat arbeite ich auf einer Baustelle und half zwei weiteren Leonardis bei der Restauration alter Eingangstüren. Das Team stellte zunächst provisorische Ersatztürblätter her. Danach schälten wir, mit Hilfe eines Heißluftföhns, diversen Spachteln und weiteren Utensilien die alte Farbe von den alten Türblättern, schliffen sie ab und verspachtelten sie sorgfältig. Viel Lob und Anerkennung gab es dabei von unseren italienischen Arbeitskollegen, Baustellenleiter Carlo und unserem Meister Jan-Carlo. Aber wir erhiehlten auch viele Tipps und wurden in „geheime“ Handwerkstechniken eines Restaurators eingeführt.

Mein Blick hat sich verändert

Ich habe interessante Menschen kennen gelernt und viele unvergessliche Erfahrungen sammeln können. Und: Mein Blick auf meinen Berufsalltag und mein Leben haben sich dadurch nachhaltig verändert. Denn: Meine italienischen Kollegen gestalten den Arbeitsalltag viel entspannter als wir es in Deutschland tun. Wenn etwas nicht gleich funktioniert, wird das Problem nach einer kurzen Kaffeepause erneut durchdacht – und meistens fand sich dann auch eine Lösung. Bei uns würde man sagen „in der Ruhe liegt die Kraft“. Auch hatte ich den Eindruck, dass das Handwerk viel mehr Wert geschätzt wird, als hierzulande. Während man bei uns einen defekten Gegenstand gleich durch ein neues Teil ersetzt, versucht man dort zunächst die Reparatur durch einen Handwerker. Vielleicht liegt es aber auch daran, die Löhne viel niedriger sind als bei uns Ersatzteile nicht so leicht zu beschaffen sind.

Auch die Wohngemeinschaft auf Zeit war ein einprägsames Erlebnis für mich – schließlich musste ich jetzt meine Wäsche selbst waschen und auch für die Mahlzeiten sorgen.

Nicht nur zu den Projektteilnehmern, sondern auch zu den italienischen Kollegen und Chefs oder den Naturfreunden in Volterra sind freundschaftliche Beziehungen entstanden, die wir über das Projektende hinaus über die sozialen Netzwerke im Internet pflegen. Wir kommunizieren dabei auf italienisch um im Training zu bleiben.

Die Projektbeteiligten betreiben eine eigene Homepage: www.amici-del-leonardo.de